HPG-Kämpfer und Dorfbewohner offenbar hingerichtet von Armee

Die türkische Armee hat in Mêrdîn offenbar einen Guerillakämpfer und seinen Onkel extralegal hingerichtet. Diesen Vorwurf erheben Familienangehörige. Sie haben sich an den Menschenrechtsverein IHD gewandt und wollen Anzeige stellen.

In der Omeriya-Region in Mêrdîn (tr. Mardin) sollen ein Guerillakämpfer und ein Dorfbewohner von der türkischen Armee extralegal hingerichtet worden sein. Diesen Vorwurf erheben Familienangehörige der beiden Männer. Sie haben sich an den Menschenrechtsverein IHD und die Juristenvereinigung ÖHD mit der Bitte um Hilfe gewandt. Sie wollen Anzeige gegen Polizei und Militär stellen.

Bei den beiden Toten handelt es sich um Musa Kahraman (Çiyager), Kämpfer der Volksverteidigungskräfte (HPG), sowie dessen Onkel mütterlicherseits, den 53-jährigen Lokman Görgün. Sie wurden mutmaßlich am Abend des vergangenen Samstags in Cinata, einer ländlichen Gegend im Landkreis Nisêbîn (Nusaybin), von türkischen Militärs getötet.

Opferbeschuldigung zur Legitimierung von Kriegsverbrechen

Laut dem türkischen Innenministerium seien Görgün und sein Neffe „im Zuge einer Operation“ der paramilitärischen PÖH, eine Spezialeinheit der türkischen Polizei für „Terrorismusbekämpfung“ in ländlichen Gebieten, „unschädlich gemacht“ worden. Das schrieb Innenminister Süleyman Soylu in gewohnt martialischer Wortwahl im Kurznachrichtendienst Twitter. Der AKP-Politiker widmete die mutmaßliche Hinrichtung in eine vorsätzliche Vergeltungsaktion für den Tod von vier Polizisten um, für den die als „Terroristen“ denunzierten beiden Kurden verantwortlich sein sollen. Opferbeschuldigung zur Verharmlosung und Legitimierung von Kriegsverbrechen gehören im schmutzigen Krieg des türkischen Staates in Kurdistan seit jeher zur Regel.

Lokman Görgün (l.) bei der Arbeit in seinem Dorf und Musa Kahraman (r.) als Zivilist vor seiner Zeit bei der Guerilla, Datum der Aufnahme unbekannt | Fotos: privat


Dorfbevölkerung: Keine Gefechtsgeräusche

Die Familienangehörigen von Kahraman und Görgün widersprechen der Version, wonach es zum Zeitpunkt der Tötungen keine „Operation“ gegeben habe. Dafür hätte man Schusswechsel hören müssen. Cinata grenzt zwar ein bergiges Gelände, ist jedoch ein bewohntes Gebiet. Gefechtsgeräusche könne man innerhalb des Dorfes vernehmen, sagen die Bewohnenden. Am Samstagabend habe man aber nur mehrere hintereinander abgegebene Schüsse vernommen. Die Menschen nehmen an, dass Musa Kahraman und Lokman Görgün, der in der Viehzucht arbeitete und kurz vor dem Vorfall eine Tierherde zur Weide des Dorfes geführt hätte, gezielt erschossen wurden, nachdem es zu einem Zusammentreffen von Onkel und Neffe kam.

Mit „Şehîd namirin“-Rufen beigesetzt

Lokman Görgün und Musa Kahraman sind derweil in ihrem Heimatdorf Cinata beigesetzt worden. Die Beerdigung fand in der Nacht zu Montag statt, zuvor wurden die Leichen aus der Gerichtsmedizin des Lehr- und Forschungskrankenhauses in der Provinzhauptstadt Mêrdîn abgeholt. Zu Grabe getragen wurden die beiden Männer unter der Parole „Şehîd namirin“ – „Die Gefallenen sind unsterblich“. Der Obduktionsbericht der Rechtsmedizin liegt noch nicht vor.