„Hubschrauber-Folter“: Osman Şiban zu sieben Jahren Haft verurteilt

Der als Opfer der „Hubschrauber-Folter“ bekannt gewordene Kurde Osman Şiban ist in Mersin wegen PKK-Mitgliedschaft zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Osman Şiban ist in Mersin wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der als Opfer der „Hubschrauber-Folter“ bekannt gewordene Kurde aus Wan nahm an der Urteilsverkündung nicht teil und wurde durch seinen Rechtsbeistand vertreten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Anwalt kündigte Revision an. Das Gericht ordnete ein Ausreiseverbot aus der Türkei an.

Osman Şiban ist sowohl Zeuge als auch Opfer einer der schwersten Übergriffe der türkischen Armee auf die kurdische Zivilbevölkerung in den letzten Jahren. Zusammen mit dem 55-jährigen Servet Turgut wurde Şiban im September 2020 in der Nähe von Şax (tr. Çatak), einem Landkreis in der Provinz Wan, während der Feldarbeit von Soldaten einer türkischen Operationseinheit festgenommen. Nach schwerer Folter wurden beide Männer aus einem Militärhubschrauber gestoßen. Dabei erlitten sie schwere Verletzungen. Das Militär lieferte Turgut und Şiban in zwei verschiedenen Krankenhäusern der Provinz ab – dem medizinischen Personal wurde erklärt, es handele sich um „Terroristen“, die bei der versuchten Flucht aus einem Helikopter verletzt wurden. Şiban überlebte das Martyrium, bleibt jedoch für den Rest seines Lebens schwer gezeichnet. Servet Turgut verstarb nach zwanzig Tagen im Koma.

Die Anklage gegen Şiban war von offensichtlichem Hass auf Kurdinnen und Kurden gekennzeichnet. So behauptete die Staatsanwaltschaft, die Hubschrauber-Folter sei in „Verdeckungsabsicht“ von Şiban erfunden worden, um davon abzulenken, dass er sich als PKK-Milizionär betätige und logistische Unterstützung für die Guerilla leiste. Zudem wurde eine vermeintliche Zeugenaussage herangezogen, dass Şiban langjähriges PKK-Mitglied sei und die Parteikader Murat Karayılan und Mahsum Korkmaz sein Haus zwischen den 80er und 90er Jahren regelmäßig aufgesucht hätten. Der Guerillakommandant Mahsum Korkmaz ist jedoch bereits am 28. März 1986 in Gabar gefallen.

Osman Şiban hat die Anschuldigungen gegen ihn im Prozess zurückgewiesen: Er sei weder Mitglied noch Milizionär der PKK, sein Haus in Şax bewohne er nur im Sommer für einige Wochen. Den Rest des Jahres lebe er in der südtürkischen Küstenmetropole Mersin. Ob sich während dieser Zeit fremde Personen Zugang zu seinem leerstehenden Haus verschafften, könne er nicht sagen. Darüber hinaus habe er nie Kontakt zu Karayılan oder anderen Kadern der kurdischen Arbeiterpartei gehabt. Sein Haus, dass er sich auf einer Alm in Wan gebaut hat, sei ohnehin erst in den Nullerjahren im Rahmen des Projekts „Rückkehr in die Dörfer“ entstanden. Entsprechend kann er dort weder von Karayılan noch von Korkmaz Besuch erhalten haben. Şiban war in den 1990er Jahren aus seinem Geburtsdorf in den Westen der Türkei vertrieben worden, als sich der Krieg in Nordkurdistan auf seinem Höhepunkt befand.

Die Ermittlungen um die Hubschrauber-Folter sind seit über zwei Jahren mit einer Geheimhaltungsverfügung belegt – der Fall ist als Verschlusssache eingestuft. Aus „Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ gilt zudem eine Nachrichtensperre über die Untersuchung, die laut dem Verteidigungsteam von Şiban gar nicht stattfindet. Das Vorgehen sei üblich, wenn es sich bei den Tätern um Staatsbedienstete oder Anhänger handelt. Bei kurdischen Opfern verstaubten die Akten solange in den Archiven der türkischen Justiz, bis die Fälle verjährt sind.