Der früher als Verteiler für die pro-kurdische Zeitung Yeni Yaşam (deut. Neues Leben) arbeitende Kurde Mikail Tunçdemir ist in Wan (türk. Van) festgenommen worden. Die Festnahme des Mannes erfolgte am Montag im Zuge der Ermittlungen wegen unerwünschten Artikeln im Zusammenhang mit der sogenannten Hubschrauber-Folter. Vor zwei Wochen führte die Polizei in Wan bereits eine Razzia im Büro der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) durch, bei der sechs Personen, darunter die beiden MA-Korrespondenten Adnan Bilen und Cemil Uğur, die JinNews-Korrespondentin Şehriban Abi und die Journalistin Nazan Sala, gegen die inzwischen Untersuchungshaft angeordnet wurde, festgenommen worden waren. Gegen Mikail Tunçdemir lag ebenfalls eine Anordnung zur Festnahme vor, die allerdings zurückgenommen wurde, da er sich zu dem Zeitpunkt aufgrund einer Corona-Infektion in häuslicher Quarantäne befand. Heute begab sich der ehemalige Zeitungsverteiler zwecks Vernehmung in das Polizeipräsidium in Wan. Dort wurde er schließlich festgenommen. Was Tunçdemir vorgeworfen wird, ist unklar.
Der Haftbefehl gegen die Journalist*innen war mit dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und „staatsfeindlicher Berichterstattung über gesellschaftliche Ereignisse“ begründet worden. Die Vorwürfe gehen auf Artikel über die beiden Dorfbewohner zurück, die am 11. September nach ihrer Festnahme aus einem Militärhubschrauber gestoßen wurden. Bei der dreistündigen Durchsuchung des MA-Büros in Wan waren Kameras, Fotoapparate, Laptops und Festplatten beschlagnahmt worden.
Der Journalist Cemil Uğur hatte den Krankenhausbericht veröffentlicht, mit dem belegt wurde, dass Servet Turgut und Osman Şiban Verletzungen durch einen Sturz aus der Höhe erlitten hatten. Die beiden Bauern waren Augenzeugen zufolge von Soldaten aus einem Hubschrauber geworfen worden. Während Osman Şiban an einer schweren Amnesie leidet, ist Servet Turgut am 30. September seinen Verletzungen erlegen. Uğur hatte darüber hinaus viele Informationen über das Kriegsverbrechen recherchiert und veröffentlicht. Die türkischen Behörden haben daraufhin eine Nachrichtensperre zu dem Fall verhängt. Vergangene Woche hatte zudem die „Plattform für den Schutz des Journalismus und die Sicherheit von Journalisten“ im Europarat den Fall der vier in Wan verhafteten Journalist*innen aufgenommen. Eine Reaktion der Türkei ist bisher nicht erfolgt.