Weitere vier Jahre Haft für Sherwan Sherwani

Der inhaftierte Journalist und Regierungskritiker Sherwan Sherwani ist in einem neuen Strafverfahren in Hewlêr der Urkundenfälschung schuldig gesprochen worden. Das Urteil: Vier weitere Jahre Haft.

In einem weiteren umstrittenen Prozess hat ein Gericht in der Kurdistan-Region Irak (KRI) den inhaftierten Journalisten Sherwan Sherwani zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. In dem als politische Inszenierung kritisierten Verfahren wurde Sherwani am Donnerstag von einem Strafgericht in Hewlêr (Erbil) der Urkundenfälschung schuldig gesprochen. Der Regierungskritiker habe sich eine „schwere Dokumenten- und Unterschriftenfälschung“ zuschulden kommen lassen, hieß es von Seiten des Gerichts. Sherwanis Verteidigungsteam wies die Vorwürfe zurück und spricht von „politischer Verfolgung“. Die Anwälte des Journalisten sehen das Vorgehen der Justiz in der KRI als weiteren Versuch an, Sherwani mundtot zu machen, und wollen Berufung einlegen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Grund für die Anklage gegen Sherwani war ein beim Berufungsgericht in der KRI zurückgezogener Antrag auf bedingte Entlassung mehrerer „Behdînan-Gefangener“ aus der Strafhaft. Sherwani habe das Dokument auch im Namen seines Kollegen Guhdar Zebari unterzeichnet, der zum damaligen Zeitpunkt in Einzelhaft festgehalten wurde und es nicht selbst unterschreiben konnte. „Bei der letzten Anhörung bestätigte Zebari zum wiederholten Mal, dass er Sherwani explizit die Befugnis erteilt hat, in seinem Namen zu unterschreiben. Die anderen Gefangenen aus der Gruppe haben das ebenfalls bezeugt. Der Richter ignorierte dies und verhängte trotzdem eine Strafe gegen Sherwani“, sagte Rechtsanwalt Ramazan Tartisi.

Sherwan Sherwani, seine Kollegen Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie die Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa waren im Februar 2021 wegen „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ zu je sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Alle fünf saßen zu dem Zeitpunkt bereits fünf Monate im Zusammenhang mit den regierungskritischen Protesten in Südkurdistan in Untersuchungshaft. Der Prozess gegen sie hatte international für scharfe Kritik gesorgt, da das gesamte Verfahren wie auch die Urteile politisch motiviert wirkten. Premierminister Mesrûr Barzanî (PDK) hatte die Aktivisten und Journalisten aus der Behdînan-Region nur wenige Tage vor der Urteilsverkündung öffentlich als „Agenten“ bezeichnet und sie der Spionage bezichtigt.

Anfang 2022 waren die Freiheitsstrafen der fünf „Behdînan-Gefangenen“ dann per Dekret des südkurdischen Präsidenten Nêçîrvan Barzanî (PDK) um knapp zwei Drittel reduziert worden. Ayaz Karam, Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa wurden inzwischen entlassen, für den 9. September stand auch die Freilassung von Sherwan Sherwani an. Mit dem neuen Urteil dürfte er weitere Jahre hinter Gittern verbringen. Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) zeigte sich nach der Gerichtsentscheidung entsetzt. „Die Behörden in Irakisch-Kurdistan müssen alle Anklagen gegen den Journalisten Sherwan Sherwani fallen lassen und ihn sofort freilassen“, forderte Sherif Mansour, Koordinator des CPJ-Programms für den Nahen Osten und Nordafrika, am Freitag in Washington. Mit der jüngsten Entscheidung, die Haftzeit des Journalisten um vier Jahre zu verlängern, zeigten die Behörden der KRI „ihre Entschlossenheit, der Welt zu zeigen, wie bösartig sie gegen Medienschaffende vorgehen können“.

Auch die Friedensinitiative Community Peacemaker Teams (ehemals „Christian Peacemaker Teams“, kurz: CPT) kritisierte das Urteil gegen Sherwani. Die Organisation sei „außerordentlich besorgt“ über die politische Einmischung in die Justiz, hieß es in einer Mitteilung: „Dieses System, das den Anschein einer fairen und unparteiischen Justiz erwecken soll, beteiligt sich routinemäßig an der politisch motivierten Bestrafung von Journalisten und Aktivisten, die von der KRI verfolgt werden. Wir fordern alle Regierungsorgane auf, die Einmischung in das Justizsystem zu beenden und ihrem Anspruch auf Presse- und Meinungsfreiheit in der Region gerecht zu werden.“

Fokus auf Korruption

Sherwan Sherwani ist ein kurdischer Journalist aus der Behdînan-Region und Menschenrechtsverteidiger. Bis zu seiner Verhaftung arbeitete er als Chefredakteur der Zeitschrift Ashur und war aktives Mitglied der Menschenrechtsorganisation „17 Shubat“. Seine journalistische Arbeit befasst sich mit Menschenrechtsfragen in der Kurdistan-Region Irak, wobei er sich insbesondere auf das Thema Korruption in der Regionalregierung und auf die Rechte von Gefangenen in Haftzentren der „Asayîş“ – dem Inlandsgeheimdienst der KRI – konzentriert. In Freiheit beteiligte sich Sherwani regelmäßig an friedlichen Demonstrationen zur Förderung der sozialen und politischen Rechte in der Region.