Der Rechtsbeistand der Behdînan-Aktivisten hat der südkurdischen Regionalregierung vorgeworfen, für systematische Misshandlung und Folter von politischen Gefangenen verantwortlich zu sein. In einem Schreiben an den Präsidenten, das Parlament und die Menschenrechtskommission der Kurdistan-Region Irak (KRI) beklagen die Jurist:innen Gewalt, Folter und gezielte Repression an Gefangenen in Haftanstalten, die vom Inlandsgeheimdienst Asayîş betrieben werden. „Die Inhaftierung unserer Mandanten in diesen Einrichtungen ist illegal. Wir verlangen ihre umgehende Verlegung in reguläre Gefängnisse, die vom Ministerium für Arbeit und Soziales betrieben werden. Die Bedingungen in den Asayîş-Gefängnissen sind unvereinbar mit den Menschenrechten”, heißt es in dem Schreiben.
Asayîş betreibt inoffizielle und geheime Hafteinrichtungen
Der Nachrichtendienst Asayîş untersteht der Nationalversammlung und Regionalregierung und ist unter anderem zuständig für Terrorabwehr, Unterbindung des Drogenhandels und die Verfolgung politischer Straftaten. Als leitende Verantwortliche werden ausschließlich hochrangige Beamte der Barzanî-Partei PDK (Demokratische Partei Kurdistans) berufen. Dass in den mitunter inoffiziellen und geheimen Hafteinrichtungen der Asayîş Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen an der Tagesordnung stehen, ist seit Jahren bekannt. Aufgegriffen wurde das Thema zuletzt auch von der Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI).
UNAMI: „Hinreichend glaubwürdige und zuverlässige Berichte über Folter“
Für einen vergangene Woche Dienstag veröffentlichten Bericht befragte die Unterstützungsmission über hundert Insassen in Asayîş-Gefängnissen in Südkurdistan und führte Gespräche mit Gefängnispersonal, Richter:innen, Rechtsanwält:innen, Familien von Inhaftierten und anderen relevanten Personen. Mehr als die Hälfte der Interviewten, so der Bericht, hätten „hinreichend glaubwürdige und zuverlässige Berichte über Folter“ geliefert. Der Report befasst sich gleichermaßen mit der Situation in irakischen Haftanstalten. Sowohl die kurdische Regionalregierung als auch die Zentralregierung in Bagdad werden von der UNAMI aufgefordert, „sich erneut mit der anhaltenden Praxis der Folter und/oder anderer Formen der Misshandlung in Haftanstalten zu befassen”.
Unabhängige Journalisten und regierungskritische Aktivisten in Asayîş-Gefängnissen
In den Gefängnissen der Asayîş in Südkurdistan sitzen dutzende unabhängige Medienschaffende, Aktivisten und Intellektuelle ein, die 2020 im Zusammenhang mit den Antiregierungsprotesten in der Behdînan-Region inhaftiert worden waren. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe lauten in der Regel auf Teilnahme bzw. Organisation verbotener Demonstrationen und Spionage. Gegen siebzehn Betroffene, denen vorgeworfen wird, „die nationale Sicherheit zu destabilisieren”, kam es bisher zu unfairen Verfahren, die sich auf konstruierte Beweise stützen. Sieben von ihnen, bei denen es sich um die Journalisten Qahraman Shukri, Omed Baroshki, Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie die Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa handelt, wurden bereits zu Haftstrafen zwischen einem und sieben Jahren verurteilt.
Angebliche Zeugen der Staatsanwaltschaft stoppen Prozessfarce
Am 29. Juli sollte am Strafgericht Hewlêr eigentlich wegen „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ gegen den Lehrer Badal Barwari verhandelt werden, der im August vergangenen Jahres in Dihok festgenommen worden war und seitdem in Untersuchungshaft sitzt. Im selben Verfahren ist der Journalist Omed Baroshki ebenfalls angeklagt. Der Prozess wurde aber mitten in der Verhandlung unterbrochen, da die Staatsanwaltschaft gefälschte Zeugenaussagen vorlegte. Bei deren vermeintlichen Zeugen handelte es sich um Sherwani, Karam und Omar. Sie bestritten vor Gericht, die vorlegten Aussagen gegen die Angeklagten in diesem Verfahren getätigt zu haben und gaben an, durch Folter zu falschen Geständnissen gezwungen worden zu sein. Daraufhin wurde die Prozessfarce vorläufig gestoppt und auf den 30. September verschoben. Für Baroshki war es aber nicht der erste Prozess. Erst Ende Juni wurde der Journalist wegen mehreren Verstößen gegen das südkurdische Pressegesetz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Rêxistina 17’ê Sibat: Rache an Behdînan-Aktivisten durch Hunger und Durst
Die südkurdische Organisation „Rêxistina 17’ê Sibat” äußerte sich am Sonntag besorgt über den Gesundheitszustand der inhaftierten Behdînan-Aktivisten und erklärte, dass die Gefangenen durch den Entzug von Nahrung „gefügig” gemacht würden, um Aussagen zu erpressen. Zeitweise erhielten sie auch gar kein Wasser. Es handele sich um eine „feindstrafrechtliche Anordnung” der PDK, die sich an den Gefangenen durch Hunger und Durst rächen wolle. „Wir verurteilen dieses Vorgehen auf das Schärfste und rufen die Öffentlichkeit auf, sich für die Freilassung der Gefangenen einzusetzen”, heißt es in einer Stellungnahme. Badal Barwari etwa sei laut Familienmitgliedern in einer „extrem schlechten Verfassung”. Seit seiner Festnahme vor einem Jahr habe er eine beträchtliche Menge an Gewicht verloren. Sein Ausgangsgewicht waren damals rund 110 Kilogramm, aktuell würde er nur noch gut 60 Kilo wiegen.