Vier kurdische Medienschaffende in Amed verhaftet

In Amed wurden vier Medienschaffende unter Terrorvorwürfen verhaftet: Beritan Canözer, Mehmet Şah Oruç, Abdurrahman Gök und Remzi Akkaya waren am Dienstag im Zuge einer Operation gegen die kurdische Opposition und Zivilgesellschaft festgenommen worden.

Ein türkisches Gericht in Amed (tr. Diyarbakır) hat Untersuchungshaft gegen Beritan Canözer, Mehmet Şah Oruç, Abdurrahman Gök und Remzi Akkaya angeordnet. Die kurdischen Medienschaffenden werden beschuldigt, sich mitgliedschaftlich für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betätigt zu haben. Alle vier Presseleute befanden sich seit Dienstag in Polizeigewahrsam, mindestens acht weitere sind es weiterhin.

Zu den Festnahmen war es im Zuge einer landesweiten Operation gegen die kurdische Opposition und Zivilgesellschaft gekommen. Seither wurden mindestens 128 Personen festgenommen, darunter ranghohe Funktionäre und Mitglieder der Grünen Linkspartei (YSP) und der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Anwältinnen und Anwälte sowie Aktive aus Kunst und Kultur. Zuletzt wurde die Festsetzung des Journalisten Kadir Bayram gemeldet. Er wurde in einem Zeltlager für Erdbeben-Betroffene in der Provinz Semsûr (Adıyaman) aufgegriffen. Auf der Fahndungsliste stehen insgesamt 216 Namen.

Die Leitung der Festnahmewelle liegt formell bei der Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakır, wurde jedoch vom türkischen Innenministerium angeordnet. Wie nun bei der richterlichen Vernehmung von Canözer und ihren Kollegen an der 3. Strafabteilung des Amtsgerichts Diyarbakır bekannt wurde, sind zumindest im Fall der festgenommenen beziehungsweise gesuchten Medienschaffenden die Aussagen der „Zeugenperson Ümit Akbıyık“ einzige Grundlage für die Ermittlungen. Laut dessen Angaben handele es sich bei den Festgenommenen um „Mitarbeitende des Pressekomitees der PKK/KCK“. Die YSP und HDP sehen in dem Vorgehen der türkischen Behörden ein deutliches Zeichen der Nervosität und bezeichnen den Vorgang als Wahlkampf-Sabotage.


Gericht sieht in Zeugenaussage „eindeutige Beweislage“

Rechtsanwältin Gulan Çağın Kaleli teilte nach der Anhörung mit, dass die Journalist:innen die Anschuldigungen zurückgewiesen haben. „Sollte so eine Aussage tatsächlich vorliegen, beinhaltet sie nichts als eine abstrakte Meinung. Sie ist daher kein Beweis für die Charakterisierung der vorgeworfenen Straftat, nämlich der Mitgliedschaft in einer als terroristisch eingestuften Organisation. Außerdem kann eine Zeugenaussage allein kein ausreichender Beweis sein“, kritisierte Kaleli. Das Gericht sah dies anders und begründete die Untersuchungshaft mit einer „eindeutigen Beweislage“. Meldeauflagen oder ein Ausreiseverbot bis zu einem Prozess seien „aufgrund der Prognose, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist“, nicht ausreichend.

Im Klammergriff der Justiz: Kurdische Medien

Die nun verhafteten Journalist:innen sind nicht zum ersten Mal im Visier der türkischen Repressionsbehörden. Beritan Canözer etwa, die als Korrespondentin für die Frauennachrichtenagentur JinNews arbeitet, saß bereits mit 21 wegen „Terrorverdacht” einige Monate im Gefängnis. Die heute 28-Jährige wurde in mehreren Verfahren verurteilt. Und auch Abdurrahman Gök, Redakteur der Agentur Mezopotamya (MA), befindet sich im Klammergriff der türkischen Justiz. Im Januar wurde eine anderthalbjährige Haftstrafe gegen den 42-Jährigen wegen „Terrorpropaganda“ im Zusammenhang mit Fotos vom Kampf gegen den IS in Kobanê bestätigt. Gök ist auch international für seine journalistische Arbeit bekannt, da die Öffentlichkeit nur dank seines Einsatzes erfuhr, dass es sich beim Tod des jungen Kunststudenten Kemal Kurkut, der im März 2017 am Rande der Newroz-Feierlichkeiten in Amed von einem Polizisten erschossen worden war, in Wahrheit um vorsätzlichen Mord handelte. Gök hatte acht Mal auf den Auslöser seiner Kamera gedrückt und dokumentiert, dass die offizielle Version, wonach Kurkut ein „Selbstmordattentäter“ gewesen sei, von der Polizei nur erfunden wurde. Der Todesschütze ist trotzdem freigesprochen worden.