CPJ: Türkei setzt Antiterrorgesetze als Knüppel gegen Presse ein

Das Komitee zum Schutz von Journalisten kritisiert die Festnahmewelle gegen die kurdische Opposition und wirft den türkischen Behörden vor, das Antiterrorgesetz als Knüppel gegen die Presse zu missbrauchen. Alle Medienschaffenden seien sofort freizulassen

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) hat die sofortige Freilassung der kurdischen Medienschaffenden gefordert, die am Dienstag in der Türkei festgenommen worden sind. „Die türkischen Behörden zeigen einmal mehr, dass sie die Antiterrorgesetze des Landes als Knüppel gegen die Presse missbrauchen“, sagte CPJ-Programmdirektor Carlos Martinez de la Serna in New York. „Zudem müssen alle Versuche unterlassen werden, die Berichterstattung über kurdische Themen zu unterdrücken“, so de la Serna.

Knapp drei Wochen vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai in der Türkei haben Justiz und Polizei gestern zu einem neuerlichen Repressionsschlag gegen Opposition und Zivilgesellschaft ausgeholt. Bei Razzien in 21 Provinzen mit Schwerpunkt Amed (tr. Diyarbakir) wurden weit mehr als hundert Menschen festgenommen. Unter ihnen befinden sich neben mehreren Medienschaffenden insbesondere ranghohe Funktionäre und Mitglieder der Grünen Linkspartei (YSP) und der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Anwältinnen und Anwälte sowie Aktive aus Kunst und Kultur. Insgesamt sind 216 Personen zur Festnahme ausgeschrieben.

Die Leitung der Festnahmewelle liegt formell bei der Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakır. Sie wirft den Betroffenen Unterstützung einer „terroristischen“ Organisation – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – vor. Wie üblich in Verfahren mit angeblichem Terrorismusbezug, unterliegt die Ermittlungsakte einer Geheimhaltungsklausel und ist somit auch für die Verteidigung nicht zugänglich. Darüber hinaus wurde eine 24-stündige Kontaktsperre über die Festgenommenen verhängt, innerhalb derer sie keine Möglichkeit auf einen Rechtsbeistand haben.

Die HDP und YSP gehen davon aus, dass das türkische Innenministerium Initiator und Lenker der vermeintlichen „Anti-Terror-Operation“ ist. Sie werfen der Regierung „Wahlkampf-Sabotage“ vor, indem weniger als drei Wochen vor der Abstimmung kurdische und demokratische Organisationen geschwächt würden und die Wählerschaft verunsichert werde.

Bei den festgenommenen Medienschaffenden handelt es sich um Namen in der Tradition der freien kurdischen Presse: Kadri Esen, Geschäftsführer der Journalistenvereinigung DFG und Konzessionär der Zeitung Xwebûn; Abdurrahman Gök, Redakteur der Nachrichtenagentur MA; Osman Akın, Redaktionsleiter der Zeitung Yeni Yaşam; Ahmet Kanbal und Mehmet Şah Oruç, Korrespondenten von MA; Beritan Canözer, Reporterin der Frauennachrichtenagentur JinNews, sowie die freien Journalisten Mehmet Yalçın, Mikail Barut, Salih Keleş, Remzi Akkaya und Arif Akkaya.

Das CPJ fordert zudem die umgehende und bedingungslose Freilassung des Rechtsanwalts Resul Temur. Der in Amed ansässige Kurde ist einer von mindestens 25 Juristinnen und Juristen, die im Zuge der Festnahmewelle bisher in Gewahrsam genommen wurden und Mitglieder der Vereinigung der Rechtsanwält:innen für die Freiheit (ÖHD) sind. Als Experte für Presserecht vertritt Temur über die Hälfte der weit mehr als vierzig kurdischen Journalistinnen und Journalisten, die in der Türkei derzeit inhaftiert sind.