Neue Anklage gegen kurdische Journalistin Beritan Canözer

Die Staatsanwaltschaft Diyarbakır hat Anklage gegen die Journalistin Beritan Canözer erhoben. Wenig überraschend: Die JinNews-Reporterin wird der Terrorpropaganda im Netz beschuldigt. Doch dieser Fall zeichnet sich durch eine besondere Absurdität aus.

Die Generalstaatsanwaltschaft in der nordkurdischen Großstadt Amed (tr. Diyarbakır) hat Anklage gegen die kurdische Journalistin Beritan Canözer erhoben. Die Korrespondentin der feministischen Nachrichtenagentur JinNews wird der Verbreitung von „Terrorpropaganda“ in sozialen Medien beschuldigt. Gemeint sind Beiträge „im Sinne der PKK“. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Grundlage der Anklage gegen Beritan Canözer ist die völlig unbegründete Annahme der Staatsanwaltschaft, es handele sich bei der 27-Jährigen um die Person hinter dem Namen Bêrîtan Sarya. Die Namensschwester von Canözer ist ebenfalls Journalistin und arbeitet als ANF-Korrespondentin im Autonomiegebiet von Nord- und Ostsyrien. Ihre Accounts beim Kurznachrichtendienst Twitter werden seit Jahren in der Türkei blockiert und können nur über sogenannte VPN-Dienste erreicht werden. Ein Twitter-Konto von Bêrîtan Sarya wurde 2021 sogar von einem Standort in der Türkei gehackt.

Im Rahmen des von der Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakır geführten Ermittlungsverfahrens war Beritan Canözer im vergangenen Jahr sowohl im April als auch im August vorübergehend festgenommen worden. Beide Male befand sich die Journalistin rund vier Tage lang in Polizeihaft und wurde mit Fragen zu ihrer Kollegin konfrontiert. Bei ihrer Freilassung nach der letzten Festnahme hatte sie erklärt: „Ich gab der Polizei zum wiederholten Mal zu verstehen, dass Bêrîtan Sarya und ich nicht ein und dieselbe Person sind. Warum ich erneut zu ihr befragt worden bin, kann ich mir nicht erklären.“

„Die Beschuldigte lügt, weil sie sich einer Bestrafung entziehen will“

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft gebe Canözer nur vor, nicht Bêrîtan Sarya zu sein, weil sie sich „einer Bestrafung entziehen“ wolle. In der Anklageschrift gegen die Journalistin werden insgesamt acht Twitter-Beiträge zwei verschiedener Konten als vermeintlicher „Beweis“ für ihre Schuld herangezogen. Diese würden „eindeutig widerspiegeln“, dass sie die Handlungen der PKK befürworte und ihre Aktivitäten als legitim betrachte. Ein Like und vier Kommentare im Kurznachrichtendienst sollen tatsächlich von Canözer stammen. Allerdings wurde sie deshalb wegen vermeintlicher Terrorpropaganda bereits zu einer Freiheitsstrafe von knapp zwei Jahren verurteilt.

Prozessauftakt am 31. März

Die Anklageschrift gegen Beritan Canözer ist bereits angenommen worden, das Verfahren wird an der 4. Großen Strafkammer zu Diyarbakır verhandelt. Eröffnet wird der Prozess kommenden Donnerstag.

Repression - Alltag für kurdische Medienschaffende

Staatliche Repression, Anklagen wegen vermeintlicher Terrorunterstützung oder Präsidentenbeleidigung, Behinderungen bei der Recherche und Bedrohungen auf der Straße - all das gehört in der Türkei zum Alltag kritischer Journalist:innen. Wer aus den kurdischen Regionen des Landes berichtet, steht unter einer besonderen Beobachtung von Behörden und Justiz. Beritan Canözer ist nicht das erste Mal im Visier der türkischen Willkürjustiz. Im Jahr 2018 wurde ein Terrorverfahren wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation“ gegen sie eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb bis 15 Jahren Haft, im Oktober 2019 wurde die Journalistin freigesprochen. Mit 21 Jahren saß Canözer bereits einige Monate wegen „Terrorverdacht” im Gefängnis. Die Begründung: Sie sei bei einer Personenkontrolle während der Ausgangssperren Ende 2015 in Ameds Altstadtbezirk Sûr „nervös” gewesen. In dem Zusammenhang wurde sie im darauffolgenden März zu 15 Monaten Haft verurteilt - angeblich, weil sie zu verbotenen Protesten aufgestachelt hätte. Im Juni 2020 erhielt Canözer eine Freiheitsstrafe wegen Terrorpropaganda in Höhe von einem Jahr, zehn Monaten und 15 Tagen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.