Meldeauflagen gegen feministische Journalistin

Die Anfang der Woche in Amed festgenommene Korrespondentin der Frauennachrichtenagentur JinNews, Beritan Canözer, ist gegen Meldeauflagen freigelassen worden. Die richterliche Befragung von fünf weiteren Frauen wird fortgesetzt.

Die kurdische Journalistin Beritan Canözer befindet sich nach drei Tagen in Polizeigewahrsam wieder auf freiem Fuß. Ein Gericht in Amed (tr. Diyarbakir) ordnete am Donnerstag die Freilassung der Korrespondentin der Frauennachrichtenagentur JinNews gegen Meldeauflagen an. Die richterliche Befragung von fünf weiteren Frauen, bei denen es sich um Satiye Ok vom Exekutivrat der SKM (Sozialistischer Frauenrat), Gurbet Özel, Pressesprecherin der HDP-Abgeordneten Remziye Tosun sowie die Aktivistinnen Nurşen Akbal, Ayşan Kanuş Zengin und Leyla Akgül handelt, wird derweil fortgesetzt. Acht Frauen befinden sich noch bei der Staatsanwaltschaft.

Beritan Canözer ist am Montag zusammen mit 21 weiteren Frauen in Amed festgenommen worden. Die Ermittlungsakte steht unter Geheimhaltung, vorgeworfen wird der 26-Jährigen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Zusammenhang mit der PKK. Die Staatsanwaltschaft hatte Haftbefehl beantragt. Der zuständige Richter lehnte ab, erteilte der Journalistin aber eine strenge wöchentliche Meldeauflage, die als „präventive Maßnahme“ vorerst ausreichend sei.

Merkwürdige Fragen bei der Polizei

Im Polizeiverhör sind Canözer merkwürdige Fragen gestellt worden. Unter anderem sollte sie aussagen, ob der PKK-Gründer Abdullah Öcalan ihrer Meinung nach ein „ehrenwerter Widerstandskämpfer“ ist. Die Ermittler wollten außerdem wissen, warum sie die Repression gegen die kurdische Frauenbewegung als „politischen Vernichtungsfeldzug“ bezeichnet.

Im Visier wegen journalistischer Arbeit

Die Vorwürfe gegen Canözer betreffen vor allem ihre journalistische Arbeit. Ihr wird zur Last gelegt, als Journalistin eine von der HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan abgegebene Erklärung zur Verhaftung der kurdischen Politikerin Leyla Güven verfolgt zu haben. Ein anderer Vorwurf betrifft einen Beitrag zum Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November bei Jin TV. Die öffentlich bekannte Tatsache, dass Beritan Canözer bei der inzwischen verbotenen Nachrichtenagentur JINHA gearbeitet hat, wird als Ermittlungsergebnis dargestellt, das sich aus der Aussage eines anonymen Zeugen ergibt.

Untersuchungshaft wegen „Aufregung”

Beritan Canözer ist nicht das erste Mal im Visier der türkischen Sicherheits- und Justizbehörden. Seit ihrem 19. Lebensjahr arbeitet die heute 26-Jährige für die feministisch-kurdische Presse. Ende 2015 wurde sie zum ersten Mal unter Terrorvorwürfen verhaftet. Zur Begründung hieß es, sie habe sich „zu aufgeregt” gezeigt, als sie eine Protestkundgebung beobachtete. Nach drei Monaten in Untersuchungshaft kam sie frei. Der wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft angestrengte Prozess endete 2017 mit einem Freispruch. Im Juni vergangenen Jahres wurde Beritan Canözer wegen „Propaganda für eine Terrororganisation” zu fast zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die einzige Grundlage für das Strafmaß bildeten ein Like sowie vier Kommentare beim Kurznachrichtendienst Twitter.