Am kommenden Freitag beginnt in Wan der Prozess gegen fünf Journalistinnen und Journalisten der freien kurdischen Presse, denen im Zusammenhang mit der Hubschrauber-Folter an zwei kurdischen Zivilisten Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und staatsfeindliche Berichterstattung über gesellschaftliche Ereignisse vorgeworfen wird. Angeklagt sind die MA-Korrespondenten Adnan Bilen und Cemil Uğur, die JinNews-Korrespondentin Şehriban Abi und die freie Journalistin Nazan Sala, die sich seit Oktober vergangenen Jahres in Untersuchungshaft befinden, sowie die MA-Reporterin Zeynep Durgut. Ihnen wird ihre für den türkischen Staat unliebsame Berichterstattung im Fall der zwei Dorfbewohner Osman Şiban (50) und Servet Turgut (55), die im September in der Nähe von Şax (Çatak) vom türkischen Militär verschleppt, gefoltert und aus einem Hubschrauber gestoßen worden waren, zur Last gelegt. Während Şiban von der erlebten Folter vermutlich für den Rest seines Lebens gezeichnet sein wird, ist Servet Turgut am 30. September 2020 nach 20 Tagen im Koma gestorben. Die türkischen Behörden haben eine Nachrichtensperre zu dem Fall verhängt.
Mit Blick auf den bevorstehenden Prozessauftakt rufen der Journalistenverein DFG (Dicle Fırat Gazeteciler Derneği) und die Journalistinnen-Plattform Mezopotamya (Mezopotamya Kadın Gazeteciler Platformu, MKGP) die Öffentlichkeit zur solidarischen Prozessbegleitung auf. Beide Organisationen veranstalteten am Montag eine Pressekonferenz in Amed (tr. Diyarbakir) und beantworteten Fragen zu dem Verfahren, das an der 5. Schwurgerichtskammer Wan verhandelt werden soll. Der Journalist Serdar Altan, der zugleich Ko-Vorsitzender von DFG ist, hob hervor, dass die Öffentlichkeit einzig durch den mutigen Einsatz seiner Kolleginnen und Kollegen von den Geschehnissen in Şax erfahren habe. Sie seien sich dem Risiko der Repression samt Verhaftungen klar gewesen, das hätte sie aber nicht davor zurückgehalten, die Wahrheit aufzudecken. „Sie sind seit bald einem halben Jahr im Gefängnis, weil sie unabhängige und kritische Medienschaffende sind. Journalismus kein Verbrechen ist, unsere Freundinnen und Freunde sind keine Verbrecher, aber sie werden kriminalisiert. Sie sollten nicht hinter Gittern sein, sondern in Freiheit ihren Beruf ausüben. Wir verlangen ihre umgehende Freilassung.“
Heutige Pressekonferenz von DFG und MKGP in Amed
Die MKGP-Sprecherin Ayşe Güney erklärte, dass sich das Verfahren in Wan gezielt gegen den unabhängigen Journalismus richte. Zudem hob sie hervor, dass Şehriban Abi und Nazan Sala nach ihrer Verhaftung Opfer zahlreicher Rechtsverletzungen geworden seien. So habe man die beiden Reporterinnen im Hochsicherheitsgefängnis in Wan zunächst in einer Sammelzelle von männlichen Strafgefangenen untergebracht. „In einem Raum, wo nicht im entferntesten Sinne so etwas wie Hygiene herrschte, ist unseren Kolleginnen noch nicht mal eine Decke ausgehändigt worden. Die willkürlichen und politisch motivierten Bestrafungsmaßnahmen, die sich ganz offensichtlich gezielt gegen Frauen richten, setzen sich somit auch in Haft weiter fort“, kritisierte Güney. „Das wird uns aber nicht davon abhalten, unseren Beruf weiter auszuüben und die Öffentlichkeit über die Wahrheit zu informieren.“