Dorfgemeinschaften fordern Baustopp
In der kurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) regt sich Widerstand gegen ein Bauprojekt der türkischen Straßenbaubehörde. In der Nähe der Ortschaft Korxa im Landkreis Licê soll ein Kalksteinbruch mit angeschlossenem Brech- und Sortierwerk entstehen – mitten in einem sensiblen Natur- und Kulturraum. Anwohnende und Jurist:innen warnen vor irreparablen Schäden an den historischen Birkleyn-Höhlen und fordern einen sofortigen Baustopp.
Bereits 2021 hatte die Regionaldirektion der türkischen Straßenbaubehörde mit ersten Arbeiten begonnen. Nach massiven Protesten aus der Bevölkerung wurden diese zunächst eingestellt. Doch laut Angaben von Anwohnenden wurden die Arbeiten vor rund zwei Monaten wieder aufgenommen – in unmittelbarer Nähe bewohnter Gebiete und geschützter Landschaft.
Zeugnis altorientalischer Geschichte
Besonders gefährdet sei das rund fünf Kilometer entfernte Birkleyn-Höhlensystem, ein kulturhistorisch bedeutendes Naturdenkmal. Die Anlage gilt als wichtiges Zeugnis altorientalischer Geschichte: Bei Birkleyn tritt einer der westlichen Quellarme des Tigris aus dem Taurus an die Oberfläche, nachdem er zuvor etwa einen Kilometer durch einen natürlichen Tunnel geflossen ist. Laut der Archäologie charakterisiert die geographische Situation den Ort als etwas Besonders und machte ihn in vielen Epochen zu einem mythischen Anziehungspunkt. Assyrische Herrscher etwa interpretierten den Ort als Naturheiligtum und hinterließen hier unter anderem im 12. und 9. Jahrhundert vor Christus Inschriften und Felsreliefs.
Abbrucharbeiten an den Birkleyn-Höhlen © Heval Önkol / MA
„Unsere Lebensgrundlage ist bedroht“
Abdullah Kaya, ein Bewohner des benachbarten Dorfes Hêdîk, kritisiert die Wiederaufnahme der Sprengarbeiten scharf. „Unsere Tiere können nicht mehr auf die Weideflächen, die Maschinen sind rund um die Uhr in Betrieb“, sagt er. „Wir leben hier mit 500, 600 Menschen – das ist unser Zuhause, unsere Zukunft.“ Seine Beschwerden bei den Behörden seien bislang ohne Ergebnis geblieben. Auch eine Eingabe beim Kultur- und Tourismusministerium sei erfolglos geblieben: „Dort sagte man mir nur, die Genehmigung liege bei der Straßenbauverwaltung.“
Kaya, der auch eigenes Land in der betroffenen Zone besitzt, fürchtet nicht nur um seine Existenz, sondern auch um die Zerstörung des Landschaftsbildes. „Ich bin hier aufgewachsen, meine Kindheit spielte sich um die Birkleyn-Höhlen ab. Wenn sie zerstört werden, verlieren wir einen Teil unserer Geschichte.“

Juristische Schritte angekündigt
Auch die Anwaltskammer in Amed schlägt Alarm. Ahmet Inan, Vorsitzender der Kommission für Umwelt- und Baurecht, bezeichnet die geplanten Eingriffe als rechtswidrig. „Es handelt sich um historisch wertvolles Gelände und geschütztes Waldgebiet“, so Inan. Bereits vor einem Jahr hätten Dorfbewohner:innen nach Beobachtungen von Aktivitäten durch das Straßenbauamt Strafanzeige erstattet, unter anderem bei der Staatsanwaltschaft, der Umwelt- und Stadtplanungsdirektion sowie beim Amt für Denkmalschutz. Doch die Beschwerden seien bislang folgenlos geblieben.
Inan kündigte nun rechtliche Schritte gegen die zuständigen Behörden an – insbesondere gegen das Forstamt und die Denkmalschutzdirektion, die ihrer Schutzpflicht nicht nachkämen. „Sprengungen oder Bohrungen haben eine enorme Reichweite. Sie können in einem Radius von bis zu zehn Kilometern Schäden verursachen – auch an empfindlicher Bausubstanz wie dem Birkleyn-Höhlensystem“, warnt er.
Appell an Zivilgesellschaft
Der Jurist forderte Umweltschutzgruppen und zivilgesellschaftliche Organisationen auf, sich solidarisch mit den Dorfgemeinschaften zu zeigen. „Dieses Projekt gefährdet nicht nur Natur und Lebensraum, sondern auch ein einzigartiges kulturelles Erbe. Wer diesem Vorhaben zustimmt, nimmt die Zerstörung von Geschichte und Heimat in Kauf.“