„In unserem Ministerium gibt es hierzu keine Informationen, Dokumente oder Aufzeichnungen” – so lautet die Antwort des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar auf eine schriftliche Anfrage des CHP-Abgeordneten Sezgin Tanrıkulu zur Hubschrauber-Folter an zwei kurdischen Dorfbewohnern in Wan. Der Oppositionspolitiker ist empört über die leugnende Haltung und Verschleierungsversuche gegenüber dem Vorfall und bezeichnet die Reaktion auf seine Anfrage als Spiegelbild der Kurdenfeindlichkeit auf Staatsebene. „Dieser einzige Satz steht sinnbildlich für die Auffassung von Menschenrechten dieser Regierung. Ist das Opfer kurdischer Volkszugehörigkeit, ist es ihnen nicht wert, darüber Worte zu verlieren“, sagte Tanrıkulu.
Bei den Opfern der sogenannten Hubschrauber-Folter handelt es sich um Servet Turgut und Osman Şiban. Sie waren am 11. September in der Nähe von Şax (türk. Çatak) während der Feldarbeit von Soldaten einer türkischen Operationseinheit festgenommen worden. Nach schwerer Folter wurden sie zunächst aus einem Militärhubschrauber gestoßen, bevor sie erneut geschlagen und getreten worden sind. Dabei erlitten sie schwere Verletzungen. Beide Männer wurden anschließend in verschiedene Krankenhäuser eingeliefert. Dem medizinischen Personal erklärte das Militär, Turgut und Şiban seien Terroristen und verletzt worden, als sie versucht hätten, aus dem Helikopter zu entkommen.
Während der 50-jährige Osman Şiban vermutlich für den Rest seines Lebens gezeichnet sein wird von der erlebten Folter, ist der 55-jährige Servet Turgut am 30. September nach 20 Tagen im Koma gestorben. Die Berichterstattung über die Geschehnisse wird unterdessen kriminalisiert: Die Journalist*innen Adnan Bilen, Cemil Uğur, Şehriban Abi und Nazan Sala, die als erstes von dem Fall berichtet hatten, befinden sich wegen dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und „staatsfeindlicher Berichterstattung über gesellschaftliche Ereignisse“ seit Oktober in Untersuchungshaft, Haftbeschwerden wurden bereits abgelehnt. Die Folter, die an die dunkle Phase der neunziger Jahre erinnert, soll vertuscht werden.
Darauf weist auch der unabhängige Parlamentsabgeordnete und investigative Journalist Ahmet Şık in einem Bericht zur Hubschrauber-Folter hin. Darin heißt es, die mutmaßlichen Täter hätten mit der Behauptung, die Opfer seien Terroristen gewesen, eine „offizielle Lüge“ erfunden, um Stunden der Folter und des „kollektiven Lynchens“ zu verheimlichen. Laut Sezgin Tanrıkulu sollen sich bis zu hundert Soldaten an der Folter an Turgut und Şiban beteiligt haben. Weite Teile der Ermittlungsakte sind als Verschlusssache eingestuft worden, zudem wurde eine Nachrichtensperre verhängt. Einen Untersuchungsausschuss zum Tod von Servet Turgut hat der parlamentarische Menschenrechtsausschuss in der türkischen Nationalversammlung abgelehnt.