Die Journalistin Nurcan Yalçın ist vor der sechsten Kammer des Strafgerichts Diyarbakir (ku. Amed) wegen Unterstützung der PKK zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Hintergrund des Verfahrens waren Videoreportagen, die Yalçın 2015/2016 an den Barrikaden des abgeriegelten Altstadtbezirks Sûr in Amed gemacht hat. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Journalistin damit „bewusst und absichtlich“ eine Terrororganisation unterstützt habe. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert und geltend gemacht, dass dem Gericht die journalistische Tätigkeit ihrer Mandantin bekannt sei.
Sûr war bis vor einigen Jahren noch ein historisches Zentrum unterschiedlicher Kulturen. Nach der Zerstörung durch türkische Sicherheitskräfte im Zuge der Militärbelagerung im Winter 2015/2016 wurden Wohnviertel verstaatlicht, die Bevölkerung wurde vertrieben.
Seit Jahren im Visier der Behörden
Nurcan Yalçın ist nicht das erste Mal im Visier der türkischen Repressionsbehörden. Im November 2021 wurde sie in einem international scharf kritisierten Prozess wegen Terrorvorwürfen zu fast vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Hintergrund war ein Verfahren gegen den in Amed ansässigen Frauenverein Rosa, einer Hilfsorganisation für von Gewalt betroffener Frauen. Verurteilt wurde Yalçın wegen „wissentlicher und willentlicher Unterstützung einer Terrororganisation“ und „Verbreitung von Terrorpropaganda“.
Ein weiteres Verfahren gegen Yalçın ist im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Absetzung von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in kurdischen Kommunen im Jahr 2019 weiter anhängig. In diesem Fall wird ihr zur Last gelegt, an „verbotenen Versammlungen“ teilgenommen und Auflösungsanordnungen der Polizei missachtet zu haben. Mit ihr sind auch ihre beiden Kolleginnen Rojda Aydın und Halime Parlak angeklagt, die wie Yalçın die Proteste journalistisch begleitet hatten.