Journalist Silêman Ehmed der „Destabilisierung“ beschuldigt

Der in der Kurdistan-Region Irak seit sieben Monaten in Geiselhaft gehaltene Journalist Silêman Ehmed hat erstmals Kontakt zu einem Anwalt gehabt. Damit ist nun auch der gegen ihn erhobene Vorwurf bekannt.

Erster Anwaltkontakt zu verschlepptem RojNews-Redakteur

Der in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) seit Monaten in Geiselhaft gehaltene Journalist Silêman Ehmed hat erstmals Kontakt zu einem Anwalt gehabt. Damit ist nun auch der gegen ihn erhobene Vorwurf bekannt. Wie Rechtsanwalt Beşdar Hassan mitteilte, beschuldigt die Generalstaatsanwaltschaft Duhok den 32-Jährigen der „Destabilisierung der Sicherheit und Stabilität der KRI“ unter Paragraf 1 des Gesetzes Nr. 21 von 2003. Der Vorwurf gründe sich auf die Annahme des Inlandsgeheimdienstes Asayîş, Ehmed gehöre der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) an.

Vor sieben Monaten verschleppt

Ehmed, der für die arabischsprachige Redaktion der in Silêmanî ansässigen Nachrichtenagentur RojNews arbeitete, war im Oktober vergangenen Jahres von Sicherheitskräften der Barzanî-Partei PDK (Demokratische Partei Kurdistans) festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Monatelang gaben die Behörden keine Informationen zu seinem Zustand und Aufenthaltsort heraus, Angehörigen und Anwälten wurde jeglicher Kontakt verweigert. Erst seit Februar ist bekannt, dass er in einem inoffiziellen Gefängnis der PDK-nahen Asayîş in Duhok festgehalten wird. Der Geheimdienst der PDK war es auch, der Ehmed vor sieben Monaten am Grenzübergang Sêmalka-Pêşxabûr zwischen der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der KRI verschleppt hatte. Der kurdische Journalist stammt ursprünglich aus Rojava und hatte vor seiner Entführung seine in Aleppo lebende Familie besucht.

Anklage steht noch aus

Eine Anklage gegen Ehmed steht laut Verteidiger Hassan allerdings noch aus. „Wir glauben nicht, dass der Behörde Indizien oder Beweise dafür vorliegen, die diesen schweren Vorwurf gegen unseren Mandanten erhärten würden.“ Auch anderes strafbares Fehlverhalten, etwa eine illegale Einreise liege nicht vor. „Silêman Ehmed ist zwar syrischer Staatsbürger, aber im Besitz eines Daueraufenthalts in der KRI. Außerdem liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse darüber vor, dass er offiziell ein- und ausgereist ist." Hassan zeigte sich zuversichtlich, dass sein Mandant bei einem Prozess freigesprochen wird.

Silêman Ehmed (Sleman Ahmad) kam 1992 im Bezirk Cindirês in Efrîn als jüngstes von neun Geschwistern zur Welt. Nach einem Abschluss an der landwirtschaftlichen Fakultät der Al-Baath-Universität in Homs kehrte er nach Efrîn zurück, seit 2012 arbeitete er für freie kurdische Medien. 2018 berichtete er von der türkischen Invasion in Efrîn und deckte Gräueltaten auf. Er verließ die Region erst, als nach einem 58-tägigen Widerstand gegen die militärische Übermacht der Türkei und ihre dschihadistischen Söldnertruppen ein großer Teil der Bevölkerung evakuiert wurde. Seine Familie lebt heute in Şêxmeqsûd, einem der beiden großen kurdischen Viertel in Aleppo. | Foto: Kolleginnen und Kollegen von Silêman Ehmed protestieren am 31. Oktober 2023 bei einer Pressekonferenz in Silêmanî gegen seine Festnahme © RojNews


Gespräch durch Initiative der Unabhängigen Menschenrechtskommission

Der plötzliche Sinneswandel der Asayîş, ein Mandantengespräch mit Ehmed zu ermöglichen, rührt daher, dass sich die Unabhängige Menschenrechtskommission der Kurdistan-Region des Irak in den Fall eingeschaltet hat. Das Verteidigungsteam des Journalisten, zu dem neben Hassan auch Rêvîng Yasin, Kameran Sarmemî und Rêbaz Wisû gehören, hatten bereits vor Wochen über einen Antrag bei einem Gericht in Duhok eine Besuchserlaubnis erwirkt. Doch als die Anwälte mit dem Beschluss beim Asayîş vorsprachen, wurden sie bedroht und tätlich angegriffen. Es kam kein Kontakt zustande.

Dank an alle Unterstützenden

Das Verteidigerteam setzte seine Bemühungen trotz der Drohungen fort, um Ehmed in Haft zu besuchen. „Wir sind froh, dass es nun endlich geklappt hat und wir mit eigenen Augen sehen konnten, dass Silêman in guter gesundheitlicher Verfassung ist“, sagte Hassan. „Er hat seinen Kolleginnen und Kollegen, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und allen Menschen, die sich für seine Freiheit einsetzen, herzliche Grüße bestellt und sich für ihre Solidarität bedankt. Er wünscht sich, dass das Engagement für ihn fortgesetzt wird, bis er freikommt.“