Die Polizei in der westtürkischen Metropole Istanbul hat mehr als ein Dutzend Mitglieder und Unterstützende der „Samstagsmütter“ festgenommen. Grund sei ein Verstoß gegen ein behördlich angeordnetes Versammlungsverbot auf dem Galatasaray-Platz, teilte die Einsatzleitung mit. Unter den Festgenommenen befinden sich neben Angehörigen von „Verschwundenen“ auch mehrere Menschenrechtlerinnen, darunter die bekannte Rechtsanwältin Eren Keskin.
Zum 953. Mal kam die Initiative Samstagsmütter heute in Istanbul zusammen, um ihrer seit Jahrzehnten bestehenden Forderung nach Auskunft um den Verbleib von Menschen, die in staatlichem Gewahrsam verschwunden sind, sowie die Bestrafung von „Morden unbekannter Täter“ Ausdruck zu verleihen. Von verschiedenen Startpunkten im zentralen Stadtteil Beyoğlu gelang es den Beteiligten, über die Einkaufsmeilen Istiklal und Meşrutiyet vor das Galatasaray-Gymnasium zu ziehen – obwohl die Polizei die Innenstadt teilweise abgesperrt hatte und in Nebenstraßen sogenannte Anti-Aufruhr-Trupps patrouillierten. Am Zielort wurde die Gruppe, die von den YSP-Parlamentarierinnen Ceylan Akça und Kezban Konukçu begleitet wurde, eingekesselt.
„Wir sind heute hier, um gemäß unserem verfassungsmäßigen Recht eine friedliche Erklärung abzugeben“, sagte Keskin. Die Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD kritisierte das von ihr als „illegitim“ bezeichnete Versammlungsverbot gegen die Mahnwache der Samstagsmütter und warf der Polizei vor, sich über ein Urteil des Verfassungsgerichts hinwegzusetzen. Das höchste Gericht der Türkei hatte im Februar festgestellt, dass die seit 2018 angeordneten Demonstrationsverbote gegen die Initiative rechtswidrig sind, und Einwände des Innenministeriums verworfen, das die Einschränkungen der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit mit einer angeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Samstagsmütter begründet.
Seit dreizehn Wochen finden die Mahnwachen der Gruppe deshalb wieder auf der Istiklal Caddesi statt in einer kleinen Nebenstraße vor dem Istanbuler IHD-Büro statt. Die Polizei ignoriert das Urteil des Verfassungsgerichts und löst den Protest Woche für Woche durch den Einsatz von Gewalt und Festnahmen wieder auf. Mit teils auf dem Rücken gefesselten Händen wurden heute mindestens fünfzehn Mitglieder der Samstagsmütter von der Polizei abgeführt. Neben Eren Keskin, der Istanbuler IHD-Vorsitzenden Gülseren Yoleri und IHD-Vorstandsmitglied Leman Yurtsever befinden sich auch die Vermissten-Angehörigen Hanife Yıldız, Mikail Kırbayır, Ali Ocak, Besna Tosun, Sebla Arcan, Hatice Korkmaz, İsmail Yücel, Gülendam Özdemir, Ömer Kavran und Deniz Aytaç, die ehemalige HDP-Abgeordnete Oya Ersoy sowie der armenische Journalist Arat Dink in Gewahrsam.