28 Festnahmen bei Mahnwache der Samstagsmütter

Entgegen einem Urteil des türkischen Verfassungsgerichts hat die Istanbuler Polizei erneut die Mahnwache der Samstagsmütter verhindert. 28 Personen, darunter die Menschenrechtsanwältin Eren Keskin, wurden festgenommen.

Die türkische Polizei hat erneut die Initiative der Samstagsmütter auf dem Galatasaray-Platz in der Istanbuler Innenstadt angegriffen. Die Initiative wollte zum 952. Mal seit ihrer Gründung auf dem belebten Platz an der Einkaufsmeile Istiklal Caddesi eine Erklärung zum „Verschwindenlassen“ in staatlichem Gewahrsam abgeben und eine Bestrafung der Täter fordern. Wie schon in den Wochen zuvor, wurde das Sit-in auf Betreiben des Innenministeriums verhindert.

Als die Gruppe den durch Barrieren und Gitter abgesperrten Platz vor dem Galatasaray-Gymnasium erreichte, wurde sie umgehend von Anti-Aufruhr-Einheiten der Istanbuler Polizei eingekreist. Unter ihnen befanden sich neben Mitgliedern und Unterstützenden der Samstagsmütter auch die Abgeordneten der Grünen Linkspartei (YSP), Celal Fırat, Ceylan Akça, Kezban Konukçu, Çiçek Otlu und Özgül Saki. Mit taktischen Einsatzschilden drückten die Beamten den Kessel zusammen, obwohl er bereits äußerst eng war. Anschließend wurden Festnahmen durchgeführt. Nach bisherigem Stand befinden sich mindestens 28 Personen in Gewahrsam. Abgeführt wurde auch dieses Mal wieder die Rechtsanwältin Eren Keskin, die zudem Ko-Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD ist.

Mehrere Journalist:innen, die die Samstagsmütter begleiteten, wurden in den Eingangsbereich eines Geschäfts gedrängt und mit Gewalt angegangen. In der tumultartigen Situation ist die Parlamentarierin Ceylan Akça von einem Hund gebissen worden. Ihre Fraktionskollegin Çiçek Otlu protestierte lautstark gegen die Polizeigewalt und rief in Richtung Einsatzleistung: „Wir werden den Galatasaray-Platz nicht aufgeben, Ihr dagegen werdet vor Gericht landen.“ Der wegen sexualisierter Gewalt gegen Demonstrantinnen einschlägig bekannte Ex-Kommissar Muhammed Hanifi Zengin, der inzwischen zum stellvertretenden Polizeichef Istanbuls befördert wurde, antwortete darauf mit: „Fahrt zur Hölle.“


1995 gingen Frauen in Istanbul zum ersten Mal auf die Straße, um auf festgenommene und dann verschwundene Verwandte aufmerksam zu machen. Seit einem vom Innenministerium angeordneten Großangriff auf die Samstagsmütter im Sommer 2018 ist der Galatasaray-Platz für die Gruppe eine Sperrzone. Dies aber steht im Widerspruch zum Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, urteilte der türkische Verfassungsgerichtshof am 22. Februar 2023 und verwarf den Einwand des Ministeriums, das den „Schutz der öffentlichen Ordnung“ durch die Samstagsmütter bedroht sieht. „Jedermann hat das Recht, ohne vorherige Erlaubnis an unbewaffneten und friedlichen Versammlungen und Demonstrationen teilzunehmen“, heißt es in Artikel 34 der türkischen Verfassung, gegen den die Sicherheitsbehörden mit ihrer Verbotsverfügung für die gewaltsam aufgelöste Aktion der Samstagsmütter im August 2018 und alle folgenden verstoßen haben. Die Blockade des Platzes sei damit hinfällig. Das Innenministerium und die Zentralbehörde der türkischen Polizei ignorieren das Urteil und verhindern seit Anfang April wieder Woche für Woche, dass sich die Initiative auf ihrem angestammten Platz versammelt.