Am Mittwoch wurde der Tod des politischen Gefangenen Halil Güneş gemeldet. Der schwerkranke Gefangene ist in den Morgenstunden im F-Typ-Gefängnis in Amed (tr. Diyarbakir) verstorben. Güneş befand sich auf der Liste der schwer kranken Gefangenen des Menschenrechtsvereins IHD und wurde trotz verschiedenster Aufrufe auch nach fast 29 Jahren nicht aus der Haft entlassen.
Güneş war am 2. Januar 1993 im Alter von 23 Jahren wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft verhaftet und zu verschärfter lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Seit längerer Zeit kämpfte der politische Gefangene gegen Lungen- und Knochenkrebs. Seit seiner Inhaftierung befand er sich in 15 verschiedenen Haftanstalten. Seine Erkrankungen traten nach der schweren Folter nach seiner Festnahme auf. Zunächst waren die Brüche seiner Rippen dafür verantwortlich, dass sowohl Lunge als auch Herz belastet wurden und er Schwierigkeiten beim Atmen bekam. Aufgrund der schlechten Haftbedingungen verschlechterte sich sein Zustand kontinuierlich und die Beschwerden nahmen zu. Bei einer Lungentomographie im Jahr 2007 wurde ein Tumor entdeckt. Während der Operation seiner gebrochenen und verwachsenen Rippen wurde bei ihm außerdem Knochenkrebs festgestellt. Güneş wurde zweimal operiert. 2009 wurde bei ihm eine schwere COPD und Schlafapnoe diagnostiziert. Die Ärzte verordneten ihm, sein Leben lang mit Beatmungsgerät zu schlafen und tagsüber eine Sauerstoffmaske zu tragen.
Aufgrund der starken Schmerzmittel, die Güneş nehmen musste, bekam er epileptische Anfälle, Glaukome in beiden Augen, Hernien am Rücken und Nierensteine. Obwohl die Universitätsklinik in Amed auf Antrag von Güneş’s Anwält:innen Haftunfähigkeit feststellte, verweigerte die Gerichtsmedizin 2014 eine entsprechende Entscheidung und erklärte, er sei sehr wohl in der Lage, sich in Haft allein zu versorgen. Als die Ausbreitung seiner Krebserkrankung ebenfalls im Jahr 2014 festgestellt wurde, stellten die Anwält:innen vergebens einen Antrag beim Verfassungsgericht.
„Zum Sterben gezwungen“
Seine Schwester erklärte bei einer Aktion des IHD Istanbul am 3. Oktober 2020: „Mein Bruder wurde unter Folter in das F-Typ-Gefängnis von Diyarbakir verlegt. Dieses Gefängnis ist noch nicht einmal fertiggestellt. Dort kämpft er unter unhygienischen Bedingungen ums Überleben. Mein Bruder wurde seit sechs Monaten unter dem Vorwand einer Pandemie nicht mehr zu seinen Untersuchungen gebracht. Er wird zum Sterben gezwungen. Mein Bruder kann diese Angriffe auf seine Menschenwürde und seine politische Identität nicht akzeptieren. Er erklärt, dass wenn seine Haftbedingungen nicht so schnell wie möglich korrigiert werden, er ein Todesfasten beginnen werde. Das würde seine Gesundheit weiter gefährden. Die Probleme beschränken sich nicht auf das, was ich hier sage. Wenn sein Zustand nicht dringend verbessert wird, wird seine Erkrankung unbehandelbar. Es ist für uns absolut inakzeptabel, dass meinem Bruder der Tod aufgezwungen wird.“
Zweite Todesmeldung aus den Gefängnissen an einem Tag
Dies ist bereits die zweite Todesmeldung aus den Gefängnissen an einem Tag. Am Morgen wurde bereits der Tod des 56-jährigen schwerkranken politischen Gefangenen Abdülrezzak Şuyur aus dem Şakran-Gefängnis in Izmir gemeldet. Şuyur befand sich ebenfalls seit 1993 unter Terrorvorwürfen in Haft und war an Lungenkrebs gestorben.
Kranke Gefangene
Laut dem Menschenrechtsverein IHD befinden sich 1605 kranke Gefangene in den türkischen Gefängnissen, bei 604 Gefangenen wurde eine schwerwiegende Erkrankung festgestellt. Hunderte können sich nicht mehr allein versorgen. Während zehntausende andere Gefangene, unter ihnen Mafiapaten und faschistische Mörder, im Rahmen einer Vollzugsreform entlassen wurden, vollzieht der türkische Staat an den politischen Gefangenen ein Exempel.