Solidaritätskundgebung vor Istanbuler Frauengefängnis

Die Türkei ist kein Rechtsstaat und die Gefängnisse sind ein rechtsfreier Raum. Angehörige politischer Gefangener haben vor dem Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy auf die Verschlechterung der Haftbedingungen aufmerksam gemacht.

Angehörige politischer Gefangener haben vor dem Frauengefängnis Bakirköy in Istanbul auf die dramatischen Haftbedingungen in der Türkei aufmerksam gemacht. Die Kundgebung wurde von der Initiative „Solidarität mit den Gefangenen“ (TDI) organisiert und von den HEDEP-Abgeordneten Cengiz Çiçek und Kezban Konukçu unterstützt.

Hungerstreik in 104 Gefängnissen

Cengiz Çiçek wies auf den Hungerstreik politischer Gefangener hin: Am Montag sind im Zusammenhang mit der PKK und PAJK inhaftierte Politiker:innen und Aktivist:innen in über hundert Gefängnissen in der Türkei in einen im Turnus geführten Hungerstreik getreten. Sie fordern die Freilassung von Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage. „In vielen Gefängnissen in der Türkei und Kurdistan finden Hungerstreiks statt. Die politischen Gefangenen sollen dazu gebracht werden, ihre Gedanken und ihre Ideologie aufzugeben. Das ist der Hauptgrund für die Folter und Unterdrückung in den Vollzugsanstalten“, erklärte der HEDEP-Abgeordnete Cengiz Çiçek.

Der Staat versucht eine Ordnung im rechtsfreien Raum zu etablieren“

Elvan Özerli von der Solidaritätsinitiative TDI sagte, dass sich die Haftbedingungen in den vergangenen Jahren extrem verschlechtert haben. Die Einschränkung der Gefangenenrechte seien erst mit dem Ausnahmezustand nach dem versuchten Militärputsch von 2016 und anschließend der Corona-Pandemie gerechtfertigt worden. Die Gefangenen seien zunehmend isoliert, so Özerli: „Unterdrückung, Isolation, Folter und Misshandlung haben zugenommen. Der Staat versucht eine Ordnung im rechtsfreien Raum zu etablieren.“ So gebe es willkürliche Verbote von Besuchen und Kommunikation sowie Gesinnungsprüfungen vor der Haftentlassung. Hunderte Gefangene werden nach Vollendung des Strafvollzugs nicht freigelassen. Darüber entscheiden Ausschüsse der Vollzugsanstalten. Özerli zählte auf, mit welchen Begründungen die Entlassung wegen vermeintlich „schlechter Führung“ verweigert wird: „Weil der jeweilige Gefangene nicht mit einem Imam sprechen wollte, zu viele Bücher gelesen hat, übermäßig viel Wasser und Strom verbraucht, ein kurdisches Lied gesungen hat, keine Reue zeigt, viel mit seinen Mitgefangenen spricht oder weitere Familienmitglieder im Gefängnis sind.“

Zudem wird Angehörigen immer häufiger der Besuch im Gefängnis verboten. Wie Elvan Özerli erläuterte, werden Antragsteller:innen für eine Besuchserlaubnis einer Sicherheitsprüfung unterzogen. In vielen Fällen werden die Anträge willkürlich abgelehnt, die Kriterien sind unklar. Betroffen sind auch Menschen, die bisher keinen juristischen Einschränkungen ausgesetzt waren. Auch hier wird ohne rechtliche Grundlage entschieden.