Protest gegen staatliche Morde in Gever

Der Menschenrechtsverein IHD hat in Gever die Aufklärung staatlicher Verbrechen gefordert und gegen die Straffreiheit der Täter protestiert.

Hamza Tutan nach der Festnahme getötet

Der Menschenrechtsverein IHD kämpft seit vielen Jahren für die Aufklärung staatlicher Verbrechen in der Türkei. Wie die Initiative der Samstagsmütter in Istanbul fordern auch in kurdischen Städten Angehörige jeden Samstag Auskunft über in staatlichem Gewahrsam verschwundene Personen und die Bestrafung der Täter. Die Zweigstelle des IHD in der Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) hat heute zusammen mit Angehörigen von Verschwundenen eine Kundgebung in der Kreisstadt Gever (Yüksekova) durchgeführt. Die Teilnehmenden hielten Bilder von vermissten und getöteten Menschen in den Händen, auf einem Transparent stand „Die Verschwundenen sollen gefunden und die Täter bestraft werden“.

Bombenanschlag auf Buchhandlung Umut

Zu Beginn der Kundgebung wurde an den Bombenanschlag auf die Buchhandlung Umut vor 19 Jahren in Şemzînan (Şemdinli) erinnert. Am 9. November 2005 verübte ein dreiköpfiges Sonderkommando des Militärnachrichtendienstes JIT – Todesschwadronen des tiefen Staats – einen Anschlag auf den Buchladen, ein Mitarbeiter wurde getötet, ein weiterer schwer verwundet. Der Inhaber Seferi Yılmaz blieb unverletzt und wurde später Bürgermeister in Şemzînan, 2016 wurde er verhaftet und durch einen staatlichen Zwangsverwalter ersetzt. Die von Menschen aus der Bevölkerung gefassten Bombenattentäter, zwei Feldwebel der türkischen Armee und ein Mitglied der Kontraguerilla, kamen schnell wieder auf freien Fuß und wurden freigesprochen. Bei der heutigen Kundgebung in Gever sagte eine Sprecherin des IHD, dass der Kampf gegen die Straffreiheit für Morde in staatlichem Auftrag weitergeht.

Hamza Tutan nach der Festnahme ermordet

Bei den Samstagsaktionen des IHD werden jede Woche einzelne Fälle verschwundener Personen thematisiert. Heute ging es um das Schicksal von Hamza Tutan, der am 8. November 1985 von der Polizei in Gever festgenommen und ermordet wurde. Das IHD-Mitglied Eren Baskin stellte den Fall vor und sagte, dass der Kampf der Mütter von Verschwundenen in der dritten Generation fortgesetzt wird: „Wir werden weiterkämpfen, bis das Schicksal aller Vermissten aufgeklärt ist.“

Wie Eren Baskin erklärte, wurde der damals 22-jährige Student Hamza Tutan im Hotel seines Vaters von Polizeibeamten festgenommen. Drei Stunden später wurde seine Leiche vor dem Haus der Familie abgelegt. Die von der Polizei genannte Todesursache lautete Herzversagen, der Leichnam wies schwere Schlagspuren auf. Bei der von der Familie durchgesetzten Autopsie wurden Brandwunden durch Stromschläge an Armen und Beinen festgestellt. Sechs beteiligte Polizisten wurden zunächst freigestellt und anschließend an andere Dienststellen versetzt. Das Verfahren wurde eingestellt, für den Mord an Hamza Tutan ist niemand bestraft worden.