IHD Amed prangert „Verschwindenlassen“ in der Türkei an

Wie die Samstagsmütter in Istanbul fordern auch in kurdischen Städten Angehörige jeden Samstag Auskunft über in staatlichem Gewahrsam verschwundene Personen. In Amed wurde heute der Fall des seit 1992 vermissten Kurden Mehmet Ertak thematisiert.

Mehmet Ertak seit 34 Jahren verschwunden

Der Menschenrechtsverein IHD kämpft seit vielen Jahren für die Aufklärung staatlicher Verbrechen in der Türkei. Wie die Initiative der Samstagsmütter in Istanbul fordern auch in kurdischen Städten Angehörige jeden Samstag Auskunft über in staatlichem Gewahrsam verschwundene Personen. In Amed (tr. Diyarbakir) treffen sie sich regelmäßig vor dem Menschenrechtsmahnmal im Koşuyolu-Park, um das „Verschwindenlassen“ anzuprangern und eine Bestrafung der Täter zu verlangen.

Heute wurde der Fall des seit 1992 vermissten Kurden Mehmet Ertak aus Şirnex (Şırnak) thematisiert. Die Teilnehmenden der Kundgebung trugen Fotos von ihm in den Händen, auf dem Boden wurde ein riesiges Transparent mit Bildern von Verschwundenen ausgebreitet.

JITEM: Getötet und vergraben

Mehmet Ertak war bei seinem Verschwinden 32 Jahre alt. Der Vater von vier Kindern war Minenarbeiter und wurde auf dem Weg von der Arbeit nach Hause festgenommen. Seitdem ist er verschwunden. Zuvor war er bereits zwei Mal festgenommen und schwer gefoltert worden. Am 18. August 1992 wurde das Auto, in dem er mit drei Arbeitskollegen und Verwandten saß, an einem offiziellen Kontrollpunkt angehalten. Nach der Ausweiskontrolle wurde er von uniformierten Polizisten festgenommen und auf die Polizeidirektion in Şirnex gebracht. Dort wurde seine Festnahme protokolliert. Als seine Angehörigen nach ihm fragten, wurde die Festnahme verleugnet. Später sagten sechs Zeugen aus, dass sie gesehen haben, wie Ertak in Polizeigewahrsam gefoltert worden ist. 1997 wurden die Aussagen des JITEM-Mitarbeiters Murat Ipek veröffentlicht. Darin sagt der für Folterverhöre zuständige Geheimdienstmitarbeiter: „Wir haben Mehmet Ertak auf Befehl des Polizeidirektors von Şirnex, Necati Altuntaş, und des Leiters der Antiterrorabteilung, Mehmet Kaplan, getötet und vergraben.“

EGMR verurteilt Türkei wegen Tötung durch Folter

Die Familie wurde von dem später ermordeten Vorsitzenden der Anwaltskammer in Amed, Tahir Elçi, vertreten und zog 1992 vor den europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR). Daraufhin wurde die Kanzlei von Tahir Elçi von der Polizei überfallen. Die Ertak-Akte wurde beschlagnahmt, der Rechtsanwalt misshandelt. Der EGMR sah es als erwiesen an, dass Mehmet Ertak festgenommen und zu Tode gefoltert wurde. Die Türkei wurde wegen Verletzung des Rechts auf Leben verurteilt. Der Leichnam von Mehmet Ertak ist niemals gefunden worden.