Nach 30 Jahren keine Entlassung wegen „fehlender Reue“

Die Entlassung des politischen Gefangenen Ismail Hakki Tursun in der Türkei wurde nach 30 Jahren Haft um sechs Monate und acht Tage wegen „fehlender Reue“ verschoben.

Immer öfter wird in der Türkei die Inhaftierung politischer Gefangener wegen „fehlender Reue“ auch nach dem Ende der Haftzeit verlängert. Grundlage dafür ist die sogenannte „Reuegesetzgebung“, nach der die Entlassung von Gefangenen ausgesetzt werden kann. Nun wurde der Vollzug der Haft des politischen Gefangenen Ismail Hakki Tursun, der im Hochsicherheitsgefängnis Nr. 2 in Riha (tr. Urfa) inhaftiert ist, um sechs Monate und acht Tage verlängert. Begründet wurde die fortdauernde Inhaftierung mit einer „schlechten Sozialprognose“ wegen „fehlender Reue“.

Keine Entlassung wegen Protest

Tursun war 1992 wegen „Unterstützung einer Terrororganisation“ zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Obwohl seine Strafe am 9. Dezember beendet war, wurde seine Entlassung nun auf Mitte 2023 verschoben. Gegen seine Entlassung sprächen seine Beteiligung am Hungerstreik gegen die Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan und sein Hungerstreik gegen die Einführung von „Gefängnisuniform“ im Jahr 2018, sein Protest gegen die Angriffe auf Efrîn, seine Anträge gegen Rechtsverletzungen und dass er bei Verlegungen Parolen gerufen habe. Es läge keine „gute Sozialprognose“ vor, da er seine „Verbrechen“ nicht bereue.

Bist du Kurde oder Türke?“

Aus einem Antrag an den Menschenrechtsverein IHD wird klar, dass Tursun von der Vollzugskommission verhört wurde. Die Kommission versuchte am 8. Dezember, Tursun regelrecht zu demütigen. Der IHD berichtet, Tursun sei gefragt worden, ob er denn raus wolle und seine Familie nicht vermisse. Als Tursun dies bejahte, wurde er gefragt: „Wenn du deine Familie vermisst, warum nimmst du dann an Hungerstreiks teil? Warum rufst du Parolen?“ Er wurde gefragt, wer Abdullah Öcalan sei und ob er selbst Kurde oder Türkei sei. Die Fragen und das Vorgehen zeigen deutlich die Ziele der Reuegesetzgebung: politische Gefangene sollen gebrochen und zum Abschwören von ihrer Identität gezwungen werden.

Tursuns Familie sagt: „Die frohe Botschaft, auf die wir seit 30 Jahren gewartet haben, wurde durch diese rechtswidrige Entscheidung der Vollzugskommission über die Verlängerung der Haft zunichte gemacht.“