Im Rahmen des über die Türkei verhängten Notstands (OHAL) hat die AKP-Regierung mit der „Verordnung von Gesetzes wegen Nr. 696“ (KHK) die Einführung der Einheitskleidung gesetzlich legitimiert. Einer Erklärung zufolge werden Gefangene, unabhängig davon, ob es sich um Strafgefangene oder Untersuchungshäftlinge handelt, sobald sie im Rahmen von „Vergehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder deren Teilbereiche“ inhaftiert sind, gemäß der „Verordnung von Gesetzes wegen“ nur mehr in „grau“- oder „mandelfarbenen“ „Overalls“ zum Gericht transportiert.
Die trotz aller [diesbezüglichen] Warnungen von Menschenrechtlern und in Gefängnissen Inhaftierten erfolgte Einführung der Einheitskleidung stößt in vielen Kreisen, vor allem aber bei den Gefangenen aus PKK und PAJK, auf heftige Kritik. Im deren Namen gab Deniz Kaya eine Erklärung ab. Darin heißt es: „Wir, die Gefangenen aus PKK und PAJK, werden niemals die Einheitskleidung hinnehmen; auch wenn sie uns mit Gewalt aufgezwungen wird, so zerreißen wir sie und werfen sie von uns. In dieser Frage besteht für uns nicht der geringste Zweifel. Unter welchen Bedingungen und in welcher Lage auch immer, die Unsrigen werden die Identität der PKK und der PAJK würdig zu vertreten wissen; wenn unsere Menschenwürde und unser Wille angegriffen werden sollten, dann werden Sie sich wundern, wozu wir noch imstande sein werden. Wenn ihre Referenz Guantanamo ist, so ist die unsrige der ‚Gefängniswiderstand vom 14. Juli 1982‘.“
Als mit dem Militärputsch vom 12. September 1980 zum ersten Mal in der Türkei „Einheitskleidung“ eingeführt wurde, antworteten die Gefangenen darauf mit Hungerstreik und Todesfasten. Die Einführung von Einheitskleidung durch Kenan Evren, den [Putsch-]Architekten vom 12. September, wurde aufgrund des Widerstands der Gefangenen Ende 1986 aufgegeben. Das gleiche Gesetz ist nun nach 31 Jahren durch die AKP unter der Führung von Recep Tayyip Erdoğan wiederbelebt worden.
Zuerst im Gefängnis Sultanahmet eingeführt
Parallel zum Militärputsch vom 12. September 1980 wurde damit begonnen, gegen Tausende politische Gefangene in den Gefängnissen militärische Disziplin anzuwenden. Die Reaktion der Gefangenen darauf waren Hungerstreiks. Speziell in den Gefängnissen Metris, Mamak und Diyarbakır machte sich der Druck des Regimes bemerkbar und dort erhob sich dann auch der Widerstand der Gefangenen. Nach dem Putsch vom 12. September sollte mit der Einführung von Einheitskleidung erstmals im Gefängnis von Sultanahmet begonnen werden. Die zivile Kleidung der Gefangenen in diesem Gefängnis wurde eingezogen, sie wurden unter Schlägen in die Einheitskleidung gesteckt. Jene Gefangenen, die dagegen Widerstand leisteten, zerrissen die Einheitskleidung, die man ihnen gegeben hatte. Die Anstaltsleitung gab nach einem Jahr ihr Vorhaben auf.
Der erste Funke des Widerstands: der 14. Juli [1982]
Die PKK-Gefangenen im Militärgefängnis von Diyarbakır, wo der Widerstand gegen die Militärjunta das Licht in der dem kurdischen Volk aufgezwungenen Dunkelheit gewesen war, traten am 14. Juli 1982 mit der Forderung nach einem „Ende der Folter, der eingeforderten Militärdisziplin und der Einheitskleidung“ in das Todesfasten ein. Dabei verloren Kemal Pir, Mehmet Hayri Durmuş, Akif Yılmaz und Ali Çiçek ihr Leben. Als Ergebnis des Widerstands endete auch die Ära von Esat Oktay (Yıldıran), dessen Name synonym für die Folter stand.
Mit der „Verordnung 13-1“ von 1983 wurde im Januar 1984, beginnend im Militärgefängnis von Metris, erneut versucht, Einheitskleidung einzuführen. Am 14. und 15. Januar 1984 wurde die Kleidung der Gefangenen beschlagnahmt, womit dann auch der Widerstand begann. Am 18. Januar wurden (erstmals) Angeklagte im DISK-Verfahren [ein Gewerkschaftsverband] dem Gericht in Einheitskleidung vorgeführt.
Vier Gefangene verloren ihr Leben
Nach dem Widerstand im Militärgefängnis von Diyarbakır wurde das Gefängnis Metris, das 1972 vor der Hinrichtung von Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin İnan zwölf Tage im Hungerstreik gewesen war, erneut Zeuge eines ähnlichen Widerstands. Am 11. April 1984 begannen die Gefangenen von Devrimci Sol und TİKB (Türkiye İhtilalci Komünistler Birliği) in den Gefängnissen Metris und Sağmacılar mit den Forderungen nach „Abschaffung der Häftlingskleidung“, „Beendigung der Folter“, „Schaffung menschlicher und sozialer Zustände im Gefängnis“, „Anerkennung der Rechte politischer Gefangener“ mit einem Hungerstreik. Zur Anerkennung der Forderungen wandelte sich der Hungerstreik, an dem sich 400 Häftlinge beteiligten, am 45. Tag in ein Todesfasten. Dabei verloren Abdullah Meral, Haydar Başbağ, Fatih Öktülmüş und Hasan Telci ihr Leben.
Widerstand erzwingt Rücknahme
Auch Gefangene, die wegen der Einheitskleidung in Handschellen ins Gericht gebracht wurden, entledigten sich, sobald im Gerichtssaal ihre Handschellen gelöst wurden, der Einheitskleidung und protestierten so gegen diese Praxis. Die Militärjunta, die ihre Legitimität durch den Widerstand der Gefangenen verloren hatte, die aus Protest gegen die Einheitskleidung sogar die Nutzung offener Besuche ablehnten, musste am 11. Februar 1986 die Forderungen der Gefangenen akzeptieren. Obwohl durch den damaligen Justizminister Mehmet Topaç erneut eine Einheitskleidungsverordnung erlassen wurde, ist sie doch nach zeitgleich beginnenden Hungerstreiks in einer großen Anzahl von Gefängnissen zu den Akten gelegt worden, ohne dass es zu ihrer Umsetzung gekommen wäre.
„Mai-Verordnung“ und erneute Hungerstreikphase
Anfang 1996 begannen die Gefangenen erneut eine Hungerstreikphase, als der damalige Justizminister Mehmet Ağar die „Mai-Verordnung“ auf die Agenda setzte, die Grundlage der heutigen F-Typ-Hochsicherheitsgefängnisse [also der Isolationshaft]. Die am 6. Mai 1996 veröffentlichte „Mai-Verordnung“ eröffnete den Weg, dass Gefangene in „Gefängnisse mit von ihnen als ‚Sarg‘ bezeichnete Gefängniszellen“ (F-Typ) verbracht werden konnten. Aus Protest gegen die Verordnung traten die PKK-Gefangenen im E-Typ-Gefängnis von Diyarbakır in den Hungerstreik und Gefangene in weiteren 43 Gefängnissen überall in der Türkei in das Todesfasten. Insgesamt schlossen sich 2.174 Gefangene dem Hungerstreik an, weitere 355 befanden sich im Todesfasten. In dessen Verlauf verloren 12 Gefangene ihr Leben. Nachdem die Regierung gewechselt hatte, wurde die Verordnung aufgehoben.
Das Todesfasten von 2000
Obwohl die Verordnung annulliert worden war, sind die Gefängnisse des „Typs F“ nicht geschlossen worden und Tausende Gefangene wurden in die Gefängnisse mit den als „Sarg“ bezeichneten Zellen (zwangs)verlegt. Der am 20. Oktober 2000 begonnene Hungerstreik von 816 Gefangenen aus Devrimci Halk Kurtuluş Cephesi (DHKP-C), Türkiye Komünist Partisi/Marksist Leninist (TKP/ML) und Türkiye Komünist İşçi Partisi (TKİP) mit den Forderungen „Schließung der F-Typ-Gefängnisse“ und „Aufhebung des ‚Antiterrorgesetzes‘“ wurde einen Monat später in ein Todesfasten umgewandelt. Am 60. Tag des Widerstands wurden in der Operation „Rückkehr ins Leben“ dreißig Gefangene massakriert.
Die Gefängnisse sind seit dem 12. September bis heute im Widerstand
Die Gefängnisse widersetzen sich seit dem 12. September bis heute mit Hungerstreiks oder Todesfasten der Einheitskleidung und den als „Särge“ bezeichneten (Isolations-)Gefängnissen als Bestandteil der militärischen Maßnahmen gegen sie. Die Einheitskleidung, die zum ersten Mal im Militärgefängnis von Diyarbakır gegen die PKK-Gefangenen Anwendung fand und deren versuchte Umsetzung bis 1986 andauerte, wird nach 37 Jahren von der AKP, deren Gesetze in nichts hinter dem 12. September zurückstehen, wieder eingeführt. Welche Zukunft uns erwartet, wird von jenen abhängen, die sich gegen die Einführung der Einheitskleidung auflehnen.
JINNEWS | Duygu Erol