Mitglieder der Solidaritätsinitiative für Mazlum Dağ und Abdurrahman Er haben die Zweigstelle von Amnesty International in Bern besucht, um die Menschenrechtsorganisation zum Engagement für die beiden in Südkurdistan zum Tode verurteilten Aktivisten aufzufordern. An dem Gespräch nahmen die kurdischen Exilpolitiker Demir Çelik und Nejdet Atalay sowie als Angehöriger Necmettin Er teil. Sie informierten die AI-Vertreter*innen über den Fall und die bisherigen Aktivitäten der Initiative. Ein Amnesty-Mitarbeiter teilte mit, dass die Organisation die südkurdische Regierung bereits kontaktiert hat und den Fall weiter verfolge.
Die Solidaritätsinitiative wird am 16. Dezember eine Kundgebung gegen die Todesstrafe auf dem Helvetiaplatz in Bern abhalten. Geplant ist auch ein Gespräch mit der Vertretung der südkurdischen Regionalregierung in der Schweiz.
Hintergrund: Der Fall Mazlum Dağ und Abdurrahman Er
Mazlum Dağ und Abdurrahman Er (auch bekannt unter dem Namen Muhammed Beşiksiz) werden beschuldigt, am 17. Juli 2019 den türkischen Vizekonsul und Geheimdienstverantwortlichen Osman Köse sowie zwei weitere Personen in einem Luxusrestaurant in Hewlêr (Erbil), der Hauptstadt der südkurdischen Autonomieregion, erschossen zu haben. Im Februar wurden Dağ und Er vom 2. Strafgericht in Hewlêr in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Direkt im Anschluss an die Verhandlung waren die beiden Aktivisten in einer Gefängniszelle von IS-Dschihadisten untergebracht worden. Am 22. September wurden die Todesurteile vom Kassationsgericht bestätigt.
Laut Gesetzgebung in der südkurdischen Autonomieregion muss die Hinrichtungsverfügung vom Präsidenten unterzeichnet werden, bevor das Urteil vollstreckt werden kann. Die Koordination der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (Komalên Jinên Kurdistanê, KJK) forderte jüngst den Präsidenten der Autonomieregion Nêçîrvan Barzanî auf, die für die Vollstreckung der Todesstrafe notwendige Unterschrift zu verweigern. Laut der KJK ist das Urteil vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gefällt worden. Dieser erwarte jetzt von der südkurdischen PDK-Regierung, dass diese seinen Willen durchsetze. Derweil haben die Eltern von Mazlum Dağ und Abdurrahman Er in Südkurdistan Gespräche mit politischen Parteien und Einzelpersonen wie Schriftstellern und Intellektuellen geführt, um für die Kampagne gegen die Todesstrafe zu werben. Zuvor hatten sie in einem offenen Brief von Barzanî gefordert, die Hinrichtungsverfügung nicht zu unterschreiben.
Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) hat ebenfalls zum Kampf gegen die Todesstrafe aufgerufen und macht das Thema zum Teil ihrer im September ausgerufenen Offensive „Schluss mit Isolation, Faschismus und Besatzung – Zeit für Freiheit“. In ihrem Aufruf weist die KCK darauf hin dass Osman Köse vom türkischen Staat mit der Planung und Durchführung von Anschlägen auf Persönlichkeiten der kurdischen Befreiungsbewegung beauftragt gewesen ist.
Der Verein NAV-Berlin (Navenda Kurdistaniyên Azad e.V.) hat bis Anfang Dezember Unterschriften gegen die Todesstrafe gesammelt, um sie an internationale Menschenrechtsorganisationen, die Außenminister der EU-Länder und politische Parteien in Deutschland weiterzuleiten.
Die Solidaritätsinitiative in Bern ist im Oktober gegründet worden. Mitglieder des Komitees sind bekannte Exilpolitiker*innen und Angehörige, darunter Demir Çelik, Firat Anli, Yurdusev Özsökmenler, Abdullah Demirbaş, Mine Çetinkaya, Ali Matur, Nejdet Atalay, Gernas Koçer, Necmettin Er und Lami Özgen. Für ihre Kampagne haben sie einen Brief an den Präsidenten der kurdischen Autonomieregion im Irak verfasst und rufen dazu auf, diesen per Email an [email protected] und [email protected] weiterzuleiten. Gefordert wird nicht nur die Aufhebung der Todesstrafe gegen die beiden jungen Kurden, sondern die generelle Abschaffung der Todesstrafe in Südkurdistan.