Die Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) haben sich zu der gegen zwei junge Kurden in Hewlêr (Erbil) verhängten Todesstrafe geäußert. Mazlum Dağ und Abdurrahman Er (auch bekannt unter dem Namen Muhammed Beşiksiz) werden beschuldigt, am 17. Juli 2019 den türkischen Vizekonsul und Geheimdienstverantwortlichen Osman Köse sowie zwei weitere Personen in einem Luxusrestaurant in Hewlêr erschossen zu haben. Vier weitere Angeklagte erhielten Haftstrafen von bis zu zwei Jahren. Am 22. September wurden die Urteile vom Kassationsgericht bestätigt. Laut Gesetzgebung in der südkurdischen Autonomieregion muss die Hinrichtungsverfügung vom Präsidenten unterzeichnet werden.
Die KCK teilt dazu mit: „Um die Türkei zufrieden zu stellen, ist der Schauprozess in Südkurdistan auf Befehl von oben innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen worden. Damit wurde deklariert, dass es das größte Verbrechen ist, einen MIT-Angehörigen zu erschießen, der für Morde an kurdischen Politiker*innen und Revolutionär*innen von der Türkei nach Südkurdistan geschickt wurde.“
Die Frage sei jedoch nicht, ob die jungen Männer diese Tat begangen hätten, sondern – falls sie es getan haben sollten – warum sie einen Vertreter des türkischen Geheimdienstes, der zur Organisation von Anschlägen ins Land gekommen und unter dem Schutz der südkurdischen Regierung tätig sei, erschossen hätten. Das sei nicht klar geworden, so die KCK, die gleichzeitig feststellt: „Es ist jedoch nicht befremdlich, wenn junge kurdische Menschen einen Mörder erschießen wollen, der einen Genozid am kurdischen Volk verüben will. Darüber hinaus hat es eine provozierende Wirkung, wenn solche Mörder sich geschützt und entspannt in Kurdistan bewegen können. In dieser Hinsicht ist die Todesstrafe auch für den Fall, dass diese jungen Männer geschossen haben sollten, für das kurdische Volk nicht hinnehmbar. Vor allem dürfen diejenigen, die im Namen des kurdischen Volkes juristische Befugnisse haben, weder ein solches Urteil sprechen noch es unterzeichnen. Die Todesurteile haben unser Volk in allen vier Teilen Kurdistans verletzt und zu Protesten geführt.“
Weiter weist die KCK auf folgende Tatsachen hin:
„Vor allem hat die ermordete Person die Regierung Südkurdistans betrogen. Sie hat mit einem Diplomatenausweis nachrichtendienstliche Erkenntnisse für den Mord an kurdischen Politiker*innen und Revolutionär*innen gesammelt. Diyar Xerib (Helmet), ein Mitglied unseres Präsidialrats, ist als Ergebnis einer solchen Tätigkeit getötet worden. Später sind unsere Freunde Demhat, der in Silêmanî diplomatisch tätig war, und Cemil, der im Krieg einen Fuß verloren hat und im Gesundheitsbereich arbeitete, mit den nachrichtendienstlichen Erkenntnissen dieser Mördernetzwerke getötet worden. Die in Hewlêr getötete Person war unter der Immunität des Konsulats dafür tätig, dass solche Morde ausgeführt werden. Damit hat sie die Gesetze Südkurdistans gebrochen. Ihr Verbrechen bestand sogar darin, Kurden mit den von Kurden zugestandenen Möglichkeiten zu ermorden.
Wenn junge Kurden aus patriotischen Gefühlen und mit ihrer Wut auf den Feind eine Aktion gegen den Kopf einer gegen das Recht und menschliche Werte verstoßenden Verbrecherbande durchführen, kann sich das Volk Kurdistans nur darüber freuen. Es ist stolz darauf, dass es solche jungen Leute gibt. Das ist die Einstellung von ganz normalen Kurdinnen und Kurden.
Als kurdische Befreiungsbewegung haben wir unmittelbar nach dem Vorfall erklärt, dass wir nichts damit zu tun haben. Dass mit dem Verweis auf die nordkurdische Herkunft der vermeintlichen Täter eine Verbindung zu unserer Bewegung hergestellt wird, ist für keinen logisch denkenden kurdischen Menschen nachvollziehbar. Für die schnelle Verurteilung zum Tode in diesem Zusammenhang gibt es keine andere Erklärung, als dass die Türkei zufrieden gestellt werden sollte. Vermutlich wird diese Regierung als die erste kurdische Regierung, die Kurden aus politischen Gründen zum Tode verurteilt, in die Geschichte eingehen.“
Die KCK stellt weiter fest, dass ein Verbrecher, der mit einem Diplomatenpass Mordanschläge plant, nicht als Individuum betrachtet werden kann, das durch Gesetze geschützt werden muss. Bei Osman Köse handele es sich um eine Person, die illegal und in geheimer Form Anschlagspläne vorbereitet und in die Praxis umgesetzt habe. Insofern handele es sich um ein „aktives Mitglied einer kurdenfeindlichen Macht“. Mit ihm sei ein Mörder ermordet worden, der weitere Morde in Kurdistan begehen wollte. Dafür sei weder die Todesstrafe noch eine monatelange Haftstrafe angemessen.
Aus Sicht des kurdischen Volkes müssten die beiden jungen Männer nach den Regeln des Kriegsrechts sofort freigelassen werden, so die KCK: „Die Verurteilung zweier junger Kurden zum Tod durch eine kurdische Regierung kann und darf von keinem Kurden akzeptiert werden. Wenn den beiden Betroffenen noch einen Tag länger aus politischen Gründen die Hinrichtung droht, wird damit damit das Gewissen des kurdischen Volkes verletzt. Dass das auch noch auf Wunsch eines Staates geschieht, der Spitzenreiter der Kurdenfeindlichkeit ist, ist vom kurdischen Volk in keiner Weise hinnehmbar.“
Die KCK verweist auf die Erklärungen der Familien der Betroffenen und fordert alle kurdischen Organisationen und Einzelpersonen zum Handeln auf. Eine Hinrichtung würde eine unheilbare Wunde in der kurdischen politischen Geschichte darstellen. Daher ruft die KCK dazu auf, den Kampf für die Freilassung von Mazlum Dağ und Abdurrahman Er (Muhammed Beşiksiz) als Teil der im September ausgerufenen Offensive „Schluss mit Isolation, Faschismus und Besatzung – Zeit für Freiheit“ zu führen.
„Damit die PDK keinen historischen Fehler begeht, um die Türkei zufrieden zu stellen, wäre es die beste Haltung, die beiden jungen Männer freizulassen“, so der KCK-Exekutivrat.