Die HDP will die Aberkennung des Mandats von Ömer Faruk Gergerlioğlu durch den türkischen Verfassungsgerichtshof in Ankara überprüfen lassen. Eine entsprechende Beschwerde soll am morgigen Dienstag eingelegt werden, kündigte die Parteizentrale an. Den Gang zum Gericht werde eine zehnköpfige Delegation symbolisch begleiten.
Gergerlioğlu war am vergangenen Mittwoch das Abgeordnetenmandat aufgrund eines rechtskräftigen Urteils wegen Terrorvorwürfen entzogen worden. Im Februar hatte der türkische Kassationshof eine zweieinhalbjährige Haftstrafe gegen den 55-Jährigen wegen seiner sowohl an den türkischen Staat als auch die kurdische Bewegung gerichteten Friedensappelle bestätigt. Von der Justiz wird der Einsatz für Frieden – im konkreten Fall in Form eines Retweets aus dem Jahr 2016 – als Terrorpropaganda ausgelegt.
Der Politiker, der von Beruf eigentlich Arzt ist und sich als Menschenrechtsverteidiger einen Namen gemacht hat, setzt sich mit einer Verfassungsklage gegen das Urteil zur Wehr. Der Mandatsentzug ist erfolgt, obwohl die Entscheidung des Verfassungsgerichts über seinen Fall noch aussteht. Gemäß der türkischen Verfassung kann ein Abgeordnetenmandat aufgehoben werden, wenn eine Straftat begangen wurde, die eine Kandidatur von vornherein ausgeschlossen hätte. Die HDP kritisiert den Richterspruch als politisch motiviert.
Aufforderung, sich freiwillig zu stellen
Derweil ist Gergerlioğlu am Montag von der Generalstaatsanwaltschaft Kocaeli aufgefordert worden, sich innerhalb von zehn Tagen freiwillig den „Justizbehörden“ zu stellen, um seine Haftstrafe anzutreten. Andernfalls werde er zur Fahndung ausgeschrieben. Sein Sohn Salih Gergerlioğlu erhält unterdessen Morddrohungen im Online-Dienst Instagram. Die Nachricht „Gute Nacht, der Tod wird dich finden – Jitem“ wurde abgeschickt unter dem Decknamen und dem Bild des Auftragsmörders Mahmut Yıldırım. Als Yeşil („Grün”) war Yıldırım in den 1990er Jahren an zahlreichen Morden in Nordkurdistan und der Türkei beteiligt, die vom JITEM, dem informellen Geheimdienst der türkischen Militärpolizei, in Auftrag gegeben worden sind. Von selben Kreisen erhalten auch zahlreiche Kurdinnen und Kurden in Deutschland, wie etwa die Linkspolitikerinnen Cansu Özdemir und Gökay Akbulut, Morddrohungen.