Kassationshof bestätigt Haftstrafe gegen HDP-Abgeordneten

Der türkische Kassationshof hat eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Terrorpropaganda gegen den HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu bestätigt. Wird das Urteil im Parlament verlesen, verliert der Politiker sein Mandat.

Der türkische Kassationshof hat eine zweieinhalbjährige Haftstrafe gegen den HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu bestätigt. Der 55-Jährigen wird der Propaganda für eine Terrororganisation beschuldigt. Sollte das Urteil in der türkischen Nationalversammlung verlesen werden, verliert der Politiker sein Mandat und damit auch seine parlamentarische Immunität. Gergerlioğlu vergleicht das Verfahren mit einer schlechten Komödie und vermutet hinter der Entscheidung andere Beweggründe. „Dass wir immer und immer wieder illegale und erniedrigende Leibesvisitationen, Verschleppungen, Folter durch Sicherheitsbehörden und andere Menschenrechtsverletzungen thematisieren, dürfte gewisse Kreise ziemlich gestört haben.“

Grundlage der Anklage gegen Gergerlioğlu war zunächst eine Friedensbotschaft. Der Politiker, der von Beruf eigentlich Arzt und Spezialist für Lungenkrankheiten ist, engagierte sich nach den einseitig von der türkischen Regierung beendeten Friedensverhandlungen mit der kurdischen Bewegung im Jahr 2015 für die Friedensplattform in Kocaeli. Bei den Social-Media-Konten der Initiative veröffentlichte Gergerlioğlu nahezu täglich Friedensbotschaften, so auch am 9. Oktober 2016. An diesem Tag postete er ein Foto, das eine gestellte Szene während einer Veranstaltung zum Weltfriedenstag 2015 zeigte: zu sehen sind mehrere Frauen und im Vordergrund zwei Särge. Im einen ein türkischer Soldat, im anderen ein PKK-Kämpfer, die durch entsprechende Fahnen auf den Särgen zu erkennen sind. Unter das Bild schrieb Gergerlioğlu: „Dieser Krieg erschöpft die Gesellschaft. Ein Kind geht zur Armee, ein anderes zur PKK, beide sterben. Wäre es nicht besser, die beiden würden nicht als Leichen nebeneinander liegen, sondern gleichberechtigt leben, Schulter an Schulter?“

Daraufhin geriet Gergerlioğlu auf den Radar rechter Journalisten und Politiker, die eine Hetzkampagne gegen ihn anzettelten. In derselben Woche wurde ein Verfahren gegen den Arzt eröffnet, anschließend folgte die Aussetzung seines Beamtenstatus, die in eine Entlassung per Notstandsdekret mündete. Im Verlauf des 2017 angestrengten Ermittlungsverfahrens tauchten schließlich weitere „Beweise“ gegen den 55-Jährigen auf: Die Staatsanwaltschaft überprüfte rückwirkend für ein halbes Jahr die Artikel Gergerlioğlus, die er damals für die Onlinezeitung T24 geschrieben hatte, und ließ unter anderem ein Zitat („Wenn der Staat einen Schritt auf uns zugehen würde, käme schon in einem Monat Frieden“) aus einer PKK-Erklärung mit in die Anklage einfließen. Obwohl es sich nachweislich nicht um eine Aussage des Politikers handelte, wurde sie dennoch als Terrorpropaganda gewertet. Ebenso eine Kolumne mit dem Titel „Frieden für Kolumbien – Warum geht das nicht auch in der Türkei?“. Im Januar 2019 wurde der Politiker verurteilt.

Sollte Ömer Faruk Gergerlioğlu im Parlament sein Mandat aberkannt werden, bleiben ihm sieben Tage Zeit, vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen. Dieses muss dann binnen zwei Wochen eine Entscheidung treffen. Erst am Wochenende war gegen den Politiker im Eiltempo ein weiteres  Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, diesmal wegen Verstoß gegen den sogenannten Türkentüm-Paragrafen. Hintergrund ist Kritik an der Bombardierung eines Lagers im südkurdischen Guerillagebiet Gare durch die türkische Armee mit dreizehn toten Kriegsgefangenen der PKK.