Die Zahl der Inhaftierungen im Zusammenhang mit der „Anti-Terror-Operation“ gegen die kurdische Opposition und Zivilgesellschaft ist erneut gestiegen. Mit Stand von Samstag befinden sich 48 Personen auf Anordnung eines Gerichts in Amed (tr. Diyarbakır) wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Untersuchungshaft. Insgesamt wurden seit Beginn der Festnahmewelle am Dienstag mindestens 144 Personen in Gewahrsam genommen. 91 von ihnen wurden nach einer richterlichen Vernehmung wieder auf freien Fuß gesetzt, darunter auch die stellvertretende HDP-Vorsitzende Özlem Gündüz, der MA-Korrespondent Ahmet Kanbal und der Jurist Resul Temur. In nahezu allen Fällen erfolgte die Freilassung nur gegen Meldeauflagen und Ausreisesperren.
Unter den noch in Gewahrsam befindlichen Betroffenen der sogenannten Operation ist auch die Rechtsanwältin Gülistan Ataş. Sie ist ebenso wie ihre bereits verhafteten Kolleg:innen Serhat Hezer, Burhan Arta und Özüm Vurgun im Verein der Juristen für Freiheit (Özgürlük için Hukukçular Derneği, ÖHD) organisiert. Die Vereinigung ist häufig im Visier der türkischen Verfolgungsbehörden, da sie bekannt für ihren Kampf bei der Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten in den kurdischen Gebieten ist und Mitglieder vorwiegend politische Mandate übernehmen. Die Vorgängerorganisation des ÖHD wurde 2016 per Notstandsdekret verboten.
Verhaftet wurde auch Halise Aksoy. Die Kurdin ist Mitglied der Friedensinitiative „Mütter mit weißen Kopftüchern“. Bekanntheit über die Grenzen Kurdistans hinaus erlangte sie im Frühjahr 2020, als ihr die sterblichen Überreste ihres Sohnes, dem Guerillakämpfer Agit Ipek (Nom de Guerre: Kemal Berxwedan), per Postzustellung in einer Kiste ausgehändigt worden waren. Auch Aksoys Tochter Mizgin Karataş ist inhaftiert worden. Ebenso befindet sich der Jugendaktivist Cotkar Amara Yürek im Gefängnis. Der heute 19-Jährige wurde mehr als ein Dutzend Mal festgenommen, das erste Mal im Alter von zwölf Jahren. Mit 17 kam er erstmals für mehrere Monate in Untersuchungshaft. In einer Zelle im Hochsicherheitsgefängnis Diyarbakır verbrachte er damals auch seinen 18. Geburtstag.
Die HDP kritisiert die von den Behörden als Anti-Terror-Maßnahme deklarierte Festnahmewelle als politisches Manöver und wirft der regierenden AKP vor, damit auf sinkende Umfragewerte der eigenen Partei reagieren zu wollen. Von dem Repressionsschlag auf Grundlage der Aussage eines Informanten sind auch ranghohe Funktionäre und Mitglieder der YSP und HDP, prominente Kunstschaffende, Presseleute kurdischer Medien und andere bekannte Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft betroffen.