In der Provinz Mûş in Nordkurdistan befinden sich mindestens achtzehn Personen nach teilweise martialischen Hausdurchsuchungen in Gewahrsam der türkischen Polizei. Grund für das Vorgehen vom Montagmorgen ist ein Ermittlungsverfahren, das mit dem Label „Terrorismus“ belegt wurde. Der gegen die Betroffenen erhobene Vorwurf lautet auf Unterstützung einer „terroristischen“ Vereinigung, als Straftat wird die Teilnahme an der Beerdigung von Mîr Perwer gewertet. Dabei war eine öffentliche Zeremonie durch die Gendarmerie unterbunden worden, Personen außerhalb des engsten Familienkreises wurden von der Beisetzung ausgeschlossen.
Der Musiker Mîr Perwer, der bürgerlich Mehmet Şirin Aydın hieß und aus Mûş stammte, war eines von drei Opfern bei dem Anschlag auf das Ahmet-Kaya-Kulturzentrum im vergangenen Dezember in Paris. Bei dem Attentat auf die vom Demokratischen Kurdischen Rat in Frankreich (CDK-F) betriebene Einrichtung und angrenzende Läden kurdischer Geschäftsleute waren von dem Killer William Mallet auch der langjährige Aktivist Abdurrahman Kızıl sowie Evîn Goyî (Emine Kara) getötet worden. Letztere war Vertreterin der kurdischen Frauenbewegung und kämpfte als YPJ-Kommandantin in Nordsyrien gegen den IS. Drei weitere Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt.
Auf welcher Grundlage die Teilnahme an der Beerdigung von Mîr Perwer von den türkischen Verfolgungsbehörden kriminalisiert wird, ist noch unklar. Bereits am Rande der Beisetzung des Aktivisten der kurdischen Kulturbewegung TEV-ÇAND Anfang Januar waren Dutzende Menschen vorübergehend festgenommen worden, Polizei und Militär setzten Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer gegen die Trauergemeinde ein. Zur Beerdigung waren nur engste Verwandte zugelassen worden. Um Proteste zu verhindern, hatten Sicherheitskräfte zudem den Leichnam von Mîr Perwer verschleppt.
Titelbild zeigt von der Jandarma eingekesselte Trauergäste, die zur Beerdigung von Mîr Perwer am 5. Januar 2023 nicht zugelassen wurden.