Bei einem Angriff auf das kurdische Kulturzentrum „Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya“ in Paris sind am Freitag drei Menschen durch Schüsse getötet worden, weitere wurden teils schwer verletzt. Der europaweite Dachverband kurdischer Vereine KCDK-E hat sich erschüttert über den Anschlag geäußert. „Schockiert und fassungslos schauen wir auf die Tatsache, dass Menschen, die vor der Unterdrückung und dem Krieg des türkischen Staates aus ihrer Heimat flüchteten, sich im Exil ein neues Leben und Strukturen für ihre kulturelle Organisierung aufbauten, auch in Europa nicht sicher sind“, teilte der KCDK-E in einer Mitteilung mit. „Unabhängig davon, wer der Angreifer ist und wo der Anschlag koordiniert wurde, muss der französische Staat seiner Verantwortung gerecht werden. Dass es sich hierbei um ein weiteres, aus antikurdischer Motivation heraus vom türkischen Staat organisiertes Attentat handeln könnte, ist nicht auszuschließen.“
Ein Massaker
Die gesamte Weltöffentlichkeit sollte wissen, dass dieses „Massaker“ nicht unabhängig von der internationalen Kriminalisierung des kurdischen Willens nach Demokratie und Selbstbestimmung sei, so der KCDK-E. Kurdinnen und Kurden würden überall mit einem „Terror-Stigma“ versehen und auf Betreiben des Regimes in Ankara zur Zielscheibe gemacht. „Der türkische Staat betreibt eine Vernichtungspolitik gegenüber der kurdischen Gesellschaft und verübt Kriegsverbrechen. Die internationale Gemeinschaft schweigt angesichts der staatsterroristischen Praxis an unserem Volk und bestärkt den türkischen Aggressor in seinem verbrecherischen Tun. Diese Ignoranz hat dazu geführt, dass der totale Krieg des türkischen Staates gegen unser Volk, der durch dessen Armee, Polizei und Verbrecherbanden wie dem IS geführt wird, auf die internationale Bühne gebracht worden ist.“
Täter wegen Säbelangriff auf Geflüchtete bekannt
Bei dem Angriff in der Rue d'Enghien, einer kleinen Straße mit vielen Restaurants, waren am Freitag neben dem kurdischen Kulturzentrum auch Schüsse auf ein kurdisches Restaurant sowie einen Friseursalon direkt gegenüber abgegeben worden. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich nach Angaben der französischen Justiz um den 69-jährigen Franzosen William M., gegen den wegen vorsätzlicher Tötung und schwerer Gewalt ermittelt werde. Er sei der Polizei aufgrund zweier früherer Mordversuche bekannt, einer der Betroffenen sei Kurde. Nach dem heutigen Anschlag wurde der Mann von Mitarbeitern des Friseursalons überwältigt. Dies gelang offenbar nur, weil die Waffe des Täters klemmte, wie auf einem Überwachungsvideo des Friseursalons zu sehen ist. Französische Zeitungen schrieben, dass M. im vergangenen Jahr mit einem Säbel eine Gruppe Geflüchtete in der französischen Hauptstadt attackiert und dort mehrere Menschen verletzt habe. Erst Mitte Dezember sei er aus dem Gefängnis gekommen und habe sich unter Justizaufsicht befunden.
Zeugen: Schütze mit Auto zum Tatort gebracht
Gegenüber dem kurdischen Fernsehsender Medya Haber äußerten Zeugen, dass der Mann mit einem Auto zum Tatort gebracht worden sein. Vor dem Kulturzentrum habe er dann unvermittelt auf Personen geschossen, die im Eingangsbereich warteten. Im „Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya“ sollte heute Mittag eine Versammlung für die Vorbereitung von Aktionen rund um den 9. Januar stattfinden sollte, die kurzfristig aber um einige Stunden verschoben wurde. An diesem Datum jährt sich die Ermordung der kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez durch einen Attentäter des türkischen Geheimdienstes zum zehnten Mal.
Zeit für Solidarität
„Die zeitliche Nähe zum Jahrestag des Dreifachmordes von Paris weckt bei uns den Verdacht eines Zusammenhanges“, betont der KCDK-E daher. Gerade im Hinblick auf europaweite Aktivitäten türkischer Nachrichtendienste, die kein Geheimnis seien. „Leider müssen wir feststellen, dass weder die französischen noch andere europäischen Sicherheitsbehörden ernsthafte Bemühungen unternommen haben, diese Aktivitäten zu unterbinden. Erklärungen, dass es sich beim Attentäter des heutigen Anschlags möglicherweise um einen verwirrten Einzeltäter handelte, können wir keinen Glauben schenken. Wir bewerten solche Darstellungen nur als Versuch, die wahren Täter und Hintergründe dieses gezielten Angriffs auf die kurdische Gesellschaft zu verdecken. Als KCDK-E rufen wir alle unsere Freundinnen und Freunde in Frankreich auf, sich vor dem Kulturzentrum in Paris zu versammeln und sich solidarisch zu zeigen. An unsere Community in anderen europäischen Ländern appellieren wir, in ihren Städten zu demonstrieren, um das Massaker zu verurteilen.“
Bürgermeisterin: Kurden müssen in Frieden leben können
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo erklärte, die tödlichen Schüsse seien die „Tat eines Rechtsextremisten“ gewesen. „Die kurdische Gemeinschaft und durch sie alle Pariser wurden durch diese Morde, die von einem rechtsextremen Aktivisten begangen wurden, ins Visier genommen“, schrieb Hidalgo auf Twitter. „Die Kurden, wo auch immer sie leben, müssen in Frieden und Sicherheit leben können. Mehr denn je steht Paris in diesen dunklen Stunden an ihrer Seite.“ Hidalgo kündigte an, eine psychologische Beratungsstelle für Betroffene im Rathaus des Arrondissements einzurichten. Sie dankte den Einsatzkräften und sprach den Familien der Opfer ihr Mitgefühl aus.