Gemeinsamkeiten im Profil der Pariser Todesschützen

Die bei den beiden Anschlägen auf Kurd:innen in Paris angewandten Methoden und die ähnlichen Profile der Killer William Mallet und Ömer Güney, von denen einer französischer und der andere türkischer Herkunft war, wecken Aufmerksamkeit.

Am 23. Dezember 2022, fast zehn Jahre nach der Ermordung der kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez am 9. Januar 2013, fand in der französischen Hauptstadt Paris ein weiteres Massaker statt, das das kurdische Volk und seine Freund:innen zutiefst betroffen machte. Bei dem zweiten Anschlag, der auch die französische Öffentlichkeit schockierte, wurde das KCK-Exekutivratsmitglied Emine Kara (Evîn Goyî) zusammen mit dem Musiker Mîr Perwer und dem langjährigen kurdischen Aktivisten Abdurrahman Kızıl ermordet.

Das zweite Massaker, das mit dem zehnten Jahrestag des Attentats von 2013 zusammenfiel, wurde wie das erste vom türkischen Geheimdienst MIT organisiert. Der erste Anschlag wurde vom MIT-Killer Ömer Güney im Kurdistan-Informationsbüro in der Nähe des Gare de Nord in Paris verübt, das zweite von William Malet vor dem kurdischen Kulturzentrum „Ahmet Kaya“ im Stadtteil Saint Denis.

Die bei beiden Massakern angewandten Methoden und die ähnlichen Profile der Killer, von denen einer französischer und der andere türkischer Herkunft war, wecken Aufmerksamkeit. Hier sind die gemeinsamen Punkte, die in den Profilen der Schützen William Mallet und Ömer Güney hervorstechen:

Beide wollten nicht fliehen

Nachdem er am Freitag, dem 23. Dezember 2022, gegen 11.40 Uhr vor dem Kulturzentrum in der Rue d’Enghien auf Evîn Goyî, Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl geschossen hatte, schoss William Malet auf das gegenüber liegende kurdische Restaurant Avesta und betrat anschließend den Friseursalon Munzur, der ebenfalls Kurden gehört. Dort schoss er weiter, und als ihm die Munition ausging, wurde er von Kunden überwältigt und der Polizei übergeben.

Malet, der mit einer Schachtel mit 25 Patronen, einer Tasche mit geladenen Magazinen und einem Colt 1911 gefasst wurde, entschied sich nicht zu fliehen, obwohl er nach dem Mord an drei Menschen hätte entkommen können. Auch Ömer Güney, der nach dem Massaker vom 9. Januar 2013 hätte fliehen können, tat dies nicht. Wenige Tage nach dem 9. Januar wurde Güney, wie auch Malet, von Kurd:innen der Polizei übergeben.

Beide waren professionelle Auftragskiller

In seiner ersten Aussage sagte Malet, er sei ein Rassist und hasse Kurden. Güney gab sich in Paris als „kurdenfreundlicher" Türke aus, war jedoch in der Region, in der er vorher in Deutschland lebte, als türkischer Rassist bekannt. Der deutsche Eigentümer des Hauses, in dem Ömer Güney in Bad Tölz lebte, erklärte nach den Pariser Morden gegenüber ANF: „Er hat mir oft gesagt: ,Ich bin ein osmanischer Türke.' Er war ein Nationalist und mochte keine Kurden."

Güney war zum Tatzeitpunkt 32 Jahre alt, Mallet 69. Trotz dieses Altersunterschieds waren beide professionelle Auftragskiller. Keine der aus Güneys Waffe abgefeuerten Kugeln wurde verschwendet, alle trafen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez im Informationsbüro Kurdistan.

Auch Malet traf trotz seines fortgeschrittenen Alters bei allen abgegebenen Schüssen die von ihm ausgewählten Ziele. Insgesamt wurden sieben Kugeln aus Malets Waffe abgefeuert. Zwei davon trafen Evîn Goyî, jeweils eine traf Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl, und die übrigen drei Kugeln verwundeten die Personen im Friseursalon. Wie Sakine Cansız, die 2013 ermordet wurde, war auch Evîn Goyî eine der führenden Persönlichkeiten des Frauenkampfes und verbrachte den größten Teil ihres Lebens in den Reihen der kurdischen Freiheitsbewegung. Die zweite Kugel, die Malet aus nächster Nähe abfeuerte, nachdem Evîn Goyî verwundet wurde und zu Boden fiel, weist darauf hin, dass der türkische Staat die Hinrichtung dieser kurdischen Revolutionärin angeordnet hatte.

Beide wurden auf Schießständen ausgebildet

Der französische Innenminister Gérald Darmanin sagte nach dem Anschlag vom 23. Dezember, dass Malet regelmäßig den Schießstand eines Sportvereins besuchte und ein „Schütze" war. Auch Ömer Güney war Mitglied eines Schützenvereins in Bayern, wo er viele Jahre lebte und ausgebildet wurde.

Die deutsche Polizei und die deutschen Sicherheitsbehörden haben keine Ermittlungen oder Nachforschungen in Bezug auf den Schießclub angestellt, obwohl die Information, dass Güney den Verein regelmäßig besuchte, von seinen Kollegen stammt, mit denen er früher zusammengearbeitet hatte. Das Geheimnis dieses Schießstandes, der vermutlich in der Nähe von München liegt, bleibt ungelöst.

Beide waren vorbestraft

Dass beide Killer Vorstrafen hatten, ist ein weiteres wichtiges Detail. Unmittelbar nach dem Massaker vom 23. Dezember berichtete die Pariser Staatsanwaltschaft, dass der Mörder William Malet dreimal vorbestraft war. Malet wurde 2017 wegen des Besitzes verbotener Waffen zu einer sechsmonatigen Haftstrafe und im Juni 2022 wegen bewaffneter Gewalttaten im Jahr 2016 zu einer zwölfmonatigen Haftstrafe verurteilt.

Noch während des Berufungsverfahrens in dieser Sache stürmte Malet im Dezember 2021 in Paris mit einem Schwert in der Hand in ein Lager sudanesischer Migrant:innen und verletzte zwei Menschen. Nachdem er fast ein Jahr lang wegen vorsätzlicher rassistischer Gewaltanwendung inhaftiert war, wurde er am 12. Dezember 2022 unter richterlicher Aufsicht mit der Auflage freigelassen, das Land nicht zu verlassen und keine Waffen zu tragen.

Auch Ömer Güney war in Deutschland bereits vorbestraft. Im Jahr 2005 wurde Güney bei einer Verkehrskontrolle mit einer nicht zugelassenen Pistole erwischt, und 2011 wurden in seiner Tasche ein Tränengasspray und ein Messer gefunden. Güneys Vorstrafenregister blieb lange Zeit geheim und wurde vom deutschen Innenministerium erst aufgrund der hartnäckigen Anfragen der ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Ulla Jelpke, offengelegt.

Frankreich drückte bei Malet ein Auge zu, Deutschland bei Güney

Was zur Aufklärung des Anschlags vom 23. Dezember maßgeblich beitragen könnte, wäre die Antwort auf die Frage, warum William Malet nach seiner Freilassung von den französischen Sicherheitsdiensten ignoriert und nicht beaufsichtigt wurde, obwohl er an zahlreichen Körperverletzungen und Übergriffen beteiligt war. Auch Ömer Güney wurde nicht beobachtet, obwohl er in Deutschland, wo er bis Ende 2011, also etwa anderthalb Jahre vor dem Massaker vom 9. Januar 2013, lebte, vorbestraft war. Darüber hinaus hatte Güney mit türkischen faschistischen Gruppen zusammengearbeitet und war an Angriffen gegen Kurden in der Fabrik, in der er arbeitete, beteiligt.

Beide Killer bezeichneten sich als krank

Unmittelbar nach seiner Verhaftung gab Malet gegenüber der Polizei an, er sei psychisch krank. Die Krankheit wurde als „pathologischer Hass“ bezeichnet. Die Ärzte, die ihn nach seiner Verhaftung untersuchten, befanden ihn daraufhin als haftunfähig. Am zweiten Tag wurde er in eine polizeiinterne psychiatrische Klinik verlegt. Nach einem Einspruch der Staatsanwaltschaft wurde Malet jedoch wieder aus der Klinik geholt und ins Gefängnis gebracht.

Obwohl seither zehn Jahre vergangen sind, ist auch Güney aufgrund seiner nach wie vor nicht gänzlich geklärten „Krankheit" weiterhin ein Thema. Die Tatsache, dass Güney einen Hirntumor hatte, wurde sowohl von ihm selbst als auch von denjenigen, die ihn in Deutschland und Frankreich kannten, immer wieder erwähnt. Es war jedoch nie sicher, ob er tatsächlich krank war und auf welchem Niveau sich seine Krankheit befand. Ömer Güney starb am 17. Dezember 2016, etwa einen Monat vor Beginn des Mordprozesses gegen ihn.

Eine Quelle, die sich damals gegenüber französischen Medien äußerte, behauptete, Güney, der in der Justizvollzugsanstalt Fresnes im Süden von Paris inhaftiert war, habe sich aufgrund von Hirnkrebs eine Legionellose zugezogen und sei im Krankenhaus an einer Lungenentzündung gestorben. Die Anwälte von Ömer Güney stellten folgende Behauptung auf: „Der Patient litt an einem Hirntumor und sein Zustand hatte sich in den letzten Monaten erheblich verschlechtert. Er zog sich eine Lungeninfektion zu, die zu seinem Tod führte." Die französischen Behörden haben jedoch noch keine Angaben zur Todesursache von Ömer Güney gemacht.