Würdevolles Gedenken an Tîjda Zagros

Nach dem Trauermarsch durch die Hamburger Innenstadt erinnerten rund 400 Menschen bei einer würdevollen Gedenkveranstaltung an die Internationalistin Kelly Freygang.

Würdigung einer Internationalistin

Nach dem Trauermarsch durch die Hamburger Innenstadt ist am Sonntag mit einer würdevollen Gedenkveranstaltung an die Internationalistin Kelly Freygang erinnert worden. Rund 400 Menschen kamen in Hamburg-Neugraben zusammen, um der Guerillakämpferin zu gedenken, die im April dieses Jahres bei einem Drohnenangriff der türkischen Armee in Südkurdistan ums Leben gekommen war.

Die Veranstaltung wurde von der Aktivistin Anja Flach und einer Vertreterin der Gemeinschaft der kurdischen Studierenden moderiert. In Beiträgen, Musikstücken und persönlichen Erinnerungen wurde Freygangs Leben und politisches Engagement gewürdigt. Sie war 2017 als Internationalistin zur kurdischen Freiheitsbewegung gestoßen und schloss sich der Frauenguerilla YJA Star an, in der sie als Mitglied einer Spezialeinheit aktiv war.

Brief der HPG-Kommandantur an die Eltern

Nach einer Schweigeminute eröffnete Anja Flach das Programm mit einem Rückblick auf Freygangs Motivation und Haltung. Sie habe nicht aus Abenteuerlust gehandelt, sondern sei von dem Wunsch geleitet gewesen, Verantwortung in einem politischen Kampf für eine gerechtere Welt zu übernehmen.

Im Anschluss wurde ein Brief der Kommandantur des zentralen Hauptquartiers der Volksverteidigungskräfte (HPG) verlesen, der an die Familie gerichtet war. Darin hieß es, die Gefallenen seien „Kraftquelle und Würde der Bewegung“. Kelly Freygang – in der kurdischen Bewegung bekannt als Tîjda Zagros – habe ihre Rolle mit Überzeugung gelebt, auch in schwierigen Momenten Mut und Kreativität bewiesen und sei durch ihre Haltung eine verlässliche Weggefährtin gewesen. Der begonnene Kampf werde in ihrem Sinne fortgeführt.

Worte der Familie

Die Mutter von Kelly Freygang richtete sich anschließend an die Anwesenden. Sie dankte für die große Solidarität, die der Familie in den vergangenen Tagen entgegengebracht worden sei. Ihre Tochter sei ihren Weg mit Überzeugung gegangen, auch wenn dieser für die Angehörigen mit Ungewissheit verbunden gewesen sei. Jetzt könne die Familie trauern. Ihre Worte wurden mit langem Applaus aufgenommen, der in die Rufe „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) und „Şehîd namirin“ (Die Gefallenen sind unsterblich) überging.

Stimmen der Frauenbewegung

Die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) betonte in einem Beitrag die internationale Bedeutung des Gedenkens. Der Kampf, dem sich Tîjda Zagros angeschlossen habe, stehe für universelle Werte wie Gerechtigkeit und Selbstbestimmung. Und auch die Revolution in Rojava sei in diesem Sinne ein globales Projekt, das über Grenzen hinweg Wirkung entfalte. Die Rednerin unterstrich, dass viele junge Menschen in Europa in einem materiell gesicherten Umfeld lebten, aber dennoch auf der Suche nach einem sinnstiftenden Leben seien. In der kurdischen Freiheitsbewegung hätten einige, so auch Freygang, eine Perspektive jenseits kapitalistischer Strukturen gefunden.

Bedeutung der internationalen Solidarität

Ein Vertreter des Vereins der Gefallenenfamilien (KOMAW) erinnerte daran, dass internationale Kämpfer:innen wie Kelly Freygang freiwillig und unter Verzicht auf eigene Privilegien Teil eines kollektiven Kampfes würden – ein Zeichen tiefer Überzeugung. Die Eltern von Tîjda Zagros seien damit auch symbolisch Eltern der Bewegung. Die neue Phase, die mit jüngsten Dialogsignalen eingeleitet worden sei, müsse auch als Verantwortung gegenüber den Gefallenen verstanden werden.

Persönliche Erinnerungen

Die feministische Organisierung „Gemeinsam Kämpfen“ würdigte Freygangs konsequente Haltung mit einem Liedbeitrag und einer Rede. Sie habe stets gesagt: „Wenn du verstehen möchtest, musst du es leben.“ Die Organisation sprach in diesem Zusammenhang explizit von einem Mord. Die Tötung einer Frau, die sich für Frieden und ein alternatives Gesellschaftsmodell eingesetzt habe, sei ein Feminizid.

Ein eigens produziertes Video von Freund:innen und Angehörigen zeigte Szenen aus Freygangs Leben in Deutschland, darunter Interviews, Archivbilder und musikalische Aufnahmen. Darin erklärte sie ihre Entscheidung, sich dem kurdischen Befreiungskampf anzuschließen. Die besondere Rolle der Frauen in dieser Bewegung habe sie überzeugt. Schon als Kind habe sie gewusst, dass sie sich für Veränderung einsetzen wolle.

Gemeinsames Gedenken

Mitglieder der Jugendorganisation „Demokratische Jugend Yuna“ sangen gemeinsam ein Lied, gefolgt von persönlichen Erinnerungen früherer Weggefährt:innen. Sie erinnerten sich an eine junge Frau mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, analytischer Tiefe und großer Aufmerksamkeit für ihr Umfeld.

Den musikalischen Abschluss gestaltete der Musiker Ümit Botan mit Liedern, die er auf der Langhalslaute begleitete. Die Veranstaltung endete in einer von Anteilnahme und Respekt geprägten Atmosphäre.