KCK: Wir müssen Verrat als solchen benennen!

Der Exekutivrat der KCK charakterisiert die Kollaboration der südkurdischen Regierungspartei PDK als „Verrat“ und ruft zu Protesten in Kurdistan und weltweit auf.

Der Exekutivrat der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) verurteilt in einer Erklärung das Verhalten der südkurdischen PDK als „Verrat“. Dem ging ein tödlicher Anschlag auf die Vertretung des Nationalkongresses Kurdistan (KNK) in Hewlêr (Erbil) voraus. Bei dem Angriff starb der KNK-Delegierte Deniz Cevdet Bülbün. Seit zwei Jahren findet eine regelrechte Mordkampagne des türkischen Geheimdienstes MIT gegen kurdische Aktivist:innen in Südkurdistan statt. Der MIT arbeitet eng mit Parastin, dem Geheimdienst der in Hewlêr regierenden PDK zusammen. Die PDK hat in den letzten Tagen und Wochen die kurdische Freiheitsbewegung mehrfach bewaffnet angegriffen und zieht Truppen in den Guerillagebieten zusammen, um die türkische Invasion zu unterstützen.

Angesichts dieser Tatsachen erklärt der Exekutivrat der KCK: „Es ist notwendig, dass alle diese Wahrheit nicht nur hinter vorgehaltener Hand sagen, sondern so offen, wie sie sich darstellt. Wir müssen Verrat als Verrat bezeichnen. Nur wenn wir das tun, können wir dem Verrat entgegentreten und noch größere Katastrophen verhindern.“

Feind und Kollaborateure werden für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen“

Die vollständige Erklärung der KCK lautet: „Wie sich auch in den Medien widerspiegelt, haben die Angriffe des türkischen Staates zugenommen. Zuletzt gab es Angriffe in Silêmanî und Hewlêr. Vor zwei Tagen wurden Rojava und Şengal angegriffen. Bei diesen Angriffen sind viele Menschen gefallen. Gleichzeitig finden ohnehin pausenlose Angriffe des türkischen Staates auf unsere Bewegung statt. Die Guerilla widersteht diesen Angriffen. Wir gedenken in größtem Respekt und Dankbarkeit allen für Demokratie und Revolution Gefallenen, indem wir das Andenken an diejenigen bewahren, die bei diesen Angriffen ermordet wurden, und bekräftigen gegenüber den Gefallenen unsere Verbundenheit und unser Versprechen, den Kampf weiterzuführen. Das patriotische Volk Kurdistans wird den Feind und alle Kollaborateure und Verräter für all ihre Taten zur Rechenschaft ziehen.

Diese Angriffe stützen sich nicht auf die Kraft des Feindes, sondern auf Verrat“

Leider steht hinter all diesen Angriffen Verrat. Diese Angriffe erfolgen nicht, weil der Feind so stark ist, sondern weil er durch Verrat unterstützt wird. Als Folge von Verrats kommt es zu diesen Angriffen und Gefallenen. Das ist die bittere Realität. Die Beziehungen der Barzanîs [die südkurdische PDK steht unter Kontrolle des Barzanî-Clans, hier wird Barzanîs synonym für PDK verwendet] zum türkischen Staat sind ein offener Verrat und die Ursache all dieser Angriffe und Gefallenen. Alle müssen diese Wahrheit erkennen und akzeptieren. Wenn diese Situation weiter ignoriert wird und nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, dann werden wir als Volk in eine noch schmerzhaftere und schlimmere Lage geraten. Wenn wir nicht die notwendige Haltung gegen den Verrat einnehmen, ebnen wir den Weg einer auf der Grundlage von Verrat errichteten Ordnung. Es gibt keinen Kurden und keine Kurdin, die nicht wissen, was eine solche Ordnung bedeutet. Hinter diesem System steht der türkische Plan, das kurdische Volk und seine Identität durch Massaker und Völkermord auszulöschen. Der türkische Staat und die AKP/MHP-Regierung setzen diesen Plan um. Ist das nicht die grundlegende Politik des türkischen Staates? Das ist ganz klar der Fall. Diejenigen, die sich an seine Seite stellen, sind auch Komplizen bei diesem Auslöschungsplan. Auch das ist ganz klar.

Wir erwähnen das aus folgendem Grund: Obwohl leicht zu erkennen ist, dass die Beziehungen der Barzanîs zum türkischen Staat Kollaboration und Verrat bedeuten, wird diese Situation nicht klar zum Ausdruck gebracht, und es werden nicht die notwendigen Maßnahmen dagegen ergriffen. Das ist bis heute nicht geschehen. So wurde bisher auch das Entstehen eines starken Widerspruchs und von Protesten dagegen im Volk vermieden.

Es geht dem türkischen Staat um Besetzung und Annexion von ganz Südkurdistan“

Die Zunahme der Angriffe erfolgte nach dem Besuch von Hakan Fidan, dem türkischen Außenminister, im Irak und in Südkurdistan, wo er entsprechende Gespräche führte. Die jüngsten Entwicklungen in der Bradost-Region deuten darauf hin, dass neue Pläne geschmiedet wurden und der irakische Staat in diese Pläne einbezogen werden soll. In der Bradost-Region wird versucht, in die Guerillagebiete vorzudringen, und die Bevölkerung wird unter Druck gesetzt, ihre Heimatorte zu verlassen. Es ist ganz klar, dass es sich dabei um Vorbereitungen für einen Angriff handelt und dass dies ein Teil des Invasionsplans des türkischen Staates ist. Was in Kerkûk geschieht, ist ebenfalls Teil dieses Plans. Es geht nicht darum, wie die Barzanîs es gerne darstellen möchten, Kerkûk zu befreien, sondern darum, Kerkûk der Kontrolle des türkischen Staates zu überlassen, um von den dortigen Ölvorkommen zu profitieren. Hinter diesem Plan steht der türkische Staat. Das ist der Grund, warum der türkische Staat nur scheinbaren Protest erhebt. Im Übrigen hat der türkische Staat keinerlei Interesse daran, dass die Probleme Kerkûks als Teil von Kurdistan gelöst werden. Sein Ziel ist es, Südkurdistan vollständig zu besetzen und zu annektieren.

Kurdistan ist für die Barzanîs Verhandlungsmasse“

Die Barzanîs sind voll in die Politik des türkischen Staates eingebunden. Diese Politik gegenüber dem kurdischen Volk muss nicht mehr erklärt werden. Alle Kurdinnen und Kurden müssen dieser Wahrheit über die Barzanîs ins Auge blicken. Wenn man bedenkt, dass es sich bei den Barzanîs und der von ihnen geführten PDK um Kurden handelt, wird klar, dass diese Realität nicht ausreichend wahrgenommen wird. Diese Tatsache hat auch eine psychologische Situation geschaffen. Den Barzanîs geht es jedoch nicht um Kurdistan. Sie wollen ein paar Städte in Kurdistan kontrollieren, sie beherrschen und für sich nutzen, der Rest ist ihnen egal. Der Rest Kurdistans ist für sie nur ein Tauschobjekt, um den Wohlstand einiger weniger Städte zu genießen. Wenn dem nicht so wäre, wenn es ihnen um Kurdistan ginge, hätten sie dann Hakan Fidan mit offenen Armen empfangen? Hakan Fidan ist ein Mörder. Jeden Tag überlegt er, wie er noch mehr Kurden töten kann. Er trieft von kurdischem Blut. Aber die Barzanîs heißen einen solchen Mörder willkommen, sie umarmen ihn und machen sich mit ihm gemein. Das allein reicht schon aus, um ihr wahres Gesicht zu erkennen.

Es mangelt an klarer Haltung gegenüber dem Verrat“

Wir möchten das Folgende betonen: Wenn bis heute die richtige und notwendige Haltung gegen den Verrat eingenommen worden wäre und die Proteste des Volkes nicht verhindert worden wären, hätte die Situation nicht dieses Ausmaß angenommen, der Feind hätte keinen solchen Angriffsplan verfolgen können und wir hätten nicht so viel Schmerz und Verluste erlitten. Das liegt genau daran, dass Organisationen, Parteien und Institutionen, Intellektuelle, Schriftsteller:innen und Kunstschaffende, die das Gewissen, die Stimme und das Bewusstsein der Gesellschaft sind, nicht die notwendige Haltung gegen den Verrat eingenommen haben. Das hat dazu geführt, dass der Verrat immer dreister wird und sich Tag für Tag intensiviert. Diese Tatsache muss jetzt anerkannt werden. Alle sollten sich fragen, woher der Verrat diese Dreistigkeit nimmt, und sich bemühen, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Alle, die dieses Urteil ohne Scheu fällen, werden zu diesem Schluss kommen.

Wir müssen Verrat als Verrat bezeichnen“

Der Anschlag in Hewlêr richtete sich gegen das KNK-Büro, bei dem der KNK-Vertreter für Südkurdistan, Deniz Cevdet Bülbün, ums Leben kam. Es ist äußerst bedeutsam, dass der Anschlag dem KNK galt. Der KNK unternimmt wichtige Anstrengungen, um die nationale Einheit der Kurdinnen und Kurden zu gewährleisten. In letzter Zeit hat er in dieser Hinsicht bedeutende Arbeit geleistet, darunter die kürzlich organisierte Konferenz in Lausanne zum hundertsten Jahrestag des Vertrags von Lausanne. Auf dieser Konferenz wurden bedeutende Diskussionen geführt und wichtige Beschlüsse gefasst, um die Einheit des kurdischen Volkes zu festigen.

Der Vertrag von Lausanne bedeutet die Teilung und Zerstückelung Kurdistans, die Verleugnung und Auslöschung des kurdischen Volkes. Mit diesem Vertrag begann der Genozid am kurdischen Volk. Zum hundertsten Jahrestag dieses Vertrages war es von großer Bedeutung, eine solche Tagung an dem Ort abzuhalten, an dem der Vertrag geschlossen wurde. So konnten die auf dem Abkommen von Lausanne basierenden Grundlagen der Kurdenfeindlichkeit und des Völkermordes aufgedeckt und der Wille zur Stärkung der kurdischen Einheit zum Ausdruck gebracht werden.

Die Barzanîs haben jedoch nicht an diesem Treffen teilgenommen, da es ihnen nicht um die kurdische Einheit geht. Im Gegenteil, sie profitieren von der Vernichtung der Kurd:innen und haben ein Interesse daran, dass der Genozid weitergeht. Wenn sie sich wirklich für die Einheit des kurdischen Volkes interessieren würden, würden ihre Herzen genauso wie unsere für diese Sache schlagen, und sie würden sich über solche Initiativen freuen. Doch bei den Barzanîs ist das nicht der Fall, und das zeigt sich nicht nur in unseren Behauptungen, sondern auch in ihren Handlungen. Wir fordern lediglich, dass dies erkannt wird.

Es ist notwendig, dass alle die Wahrheit nicht nur hinter vorgehaltener Hand aussprechen, sondern so deutlich wie möglich sagen. Wir müssen Verrat als Verrat bezeichnen. Wenn wir dies tun, wenn wir den Verrat beim Namen nennen, können wir dagegen vorgehen und noch größere Katastrophen verhindern. Auf diese Weise werden wir auch die Einheit des kurdischen Volkes stärken. Andernfalls wird es noch mehr Verrat und Katastrophen geben. Das wäre das größte Übel, das man den Kurdinnen und Kurden und der Sache Kurdistans antun könnte.

Mit dem Angriff auf den Flughafen soll das Soran-Gebiet für den MIT geöffnet werden“

Zum Angriff in Silêmanî möchten wir folgendes mitteilen: Uns liegen derzeit noch keine umfassenden und genauen Informationen über diesen Angriff vor. Es gibt Berichte, dass der Angriff auf den Flugplatz stattgefunden hat und dass es Todesopfer gibt. Die Angriffe auf Silêmanî zielen darauf ab, die Bevölkerung von Silêmanî einzuschüchtern, die Region Soran sowie Behdînan für den türkischen Staat und den MIT zu öffnen und sicherzustellen, dass sowohl die YNK [die Partei, die den Teil Südkurdistans um die Stadt Silêmanî kontrolliert] als auch die PDK in Zusammenarbeit mit dem türkischen Staat agieren. Dieser Angriff wurde verübt, weil die Menschen in Silêmanî und der Region Soran bis heute ihre patriotische Haltung beibehalten haben. Wir verurteilen diesen Angriff auf das Schärfste. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Menschen in Silêmanî und der Region Soran ihre patriotische Haltung weiterhin aufrecht erhalten werden. Daran besteht kein Zweifel. Die Angriffe auf Silêmanî und Soran sowie die Absichten des türkischen Staates hinter diesen Angriffen zeigen deutlich, welche Agenda er verfolgt. Vor allem die Bevölkerung von Silêmanî und der Region Soran sollte gegen diese Angriffe protestieren.

Wir verurteilen die Angriffe, die der türkische Staat mithilfe von Verrätern verübt, in aller Deutlichkeit. Es ist jetzt dringend erforderlich, dass jeder und jede eine klare und starke Haltung gegen diesen Verrat einnimmt. Der türkische Staat setzt seine Politik und sein Konzept des Völkermords an den Kurdinnen und Kurden auf der Grundlage von Verrat um. Das ist offensichtlich erkennbar. Der Weg, um dies zu stoppen und diesen Plan zu durchkreuzen, besteht darin, den Verrat zu beenden. Wenn alle patriotischen kurdischen Organisationen, Parteien, Intellektuellen, Schriftsteller:innen und Kunstschaffenden eine klare und starke Haltung gegen den Verrat einnehmen und das kurdische Volk seine Proteste energisch zum Ausdruck bringt, wird der Verrat begrenzt, gestoppt und neutralisiert werden. Wir wiederholen diesen Aufruf erneut und rufen alle Menschen im In- und Ausland dazu auf, auf die Straßen zu gehen, um ihren Protest gegen den Verrat entschieden auszudrücken. Wir rufen Parteien, Organisationen, Institutionen und bekannte Persönlichkeiten dazu auf, diese Proteste anzuführen.“