Kalkan: „Die Besonderheit dieses Widerstands soll wahrgenommen werden"

„Der Guerillawiderstand im Jahr 2021 stellt den bisherigen Höhepunkt unseres revolutionären Lebens dar", so Duran Kalkan (PKK).

2021 war ein Jahr des Widerstands und des Krieges höchster Intensität in Kurdistan. Das PKK-Exekutivkomiteemitglied Duran Kalkan zieht in einer auf der Website der PKK veröffentlichten Analyse Bilanz. Kalkan schreibt: „Der Guerillawiderstand im Jahr 2021 stellt den bisherigen Höhepunkt unseres revolutionären Lebens dar. Das drückte der Kampf in dem vergangenen Jahr durch seinen Geist, seine organisierte Haltung und seine Genossenschaftlichkeit aus. Wenn wir ihn betrachten, dann hat sich in diesem Widerstand das koordinierte, organisierte Vorgehen, die kollektive Haltung und das Zusammenleben auf beste Weise gezeigt.

Ideologischer Kampf manifestierte sich im Erfolg der militärischen Praxis“

Was ist die Bedeutung des kommunalen Lebens und der kollektiven Arbeit, was sind die zugrundeliegenden Prinzipien? Was bezeichnen wir als kommunales Leben und kollektive Arbeit? Was sind also unsere ideologischen Maßstäbe und wie manifestieren sie sich in der Praxis? Die konkretesten und prägendsten Beispiele für die Beantwortung dieser Fragen sind in den Widerstandsgebieten der Guerilla geschaffen worden. Während sich einerseits die Form des Widerstands weiterentwickele, gibt auch immer neue Gipfel des Mutes und der Opferbereitschaft. Durch ideologischen Kampf, Weiterentwicklung, Genossenschaftlichkeit und organisiertes Handeln lässt uns der aktuelle Widerstand jede Unzulänglichkeit und jeden Fehler überwinden und bringt eine vollkommene militante Haltung, eine Parteihaltung, an den Tag. Dieser Widerstand zeigt uns, wie es sein soll. Wenn es nicht so gewesen wäre, wäre es nicht möglich gewesen, diesen Widerstand zu leisten und einen derartigen Kampf zu führen. Es wichtig zu wissen, dass es der apoistische Geist und das Bewusstsein sind, die dort Widerstand leisten. Es ist leicht zu erkennen, dass die entscheidende Wirkung des ideologischen Kampfes auf eine sehr klare und konkrete Weise durch den praktisch-militärischen Widerstand deutlich geworden ist.

Wenn wir den Worten der Genoss:innen folgen, die dort Widerstand leisten, dann steht die Praxis im Mittelpunkt. Ja, wir hören ihre Worte, aber sie sagen nicht ‚Wir werden etwas unternehmen‘, sondern sie berichten davon, was sie getan haben. Deshalb können wir nicht behaupten, dass sie nur einen Anspruch aufstellen, oder dass das, was sie sagen, nicht umsetzbar ist. Sie haben es umgesetzt, sie haben es gelebt. Es wurde in die Realität umgesetzt. Auf diese Weise haben sie offenbart, was in konkreter Form geschehen musste. Wir können viel von ihnen lernen. Es ist durchaus möglich zu sagen, dass eine Lösung geschaffen wurde. Es ist unsere Aufgabe, Lösungen im revolutionären Widerstand richtig zu begreifen, zu verinnerlichen und sie zu bewahren und zu verbreiten.

Der Widerstand hat Maßstäbe gesetzt“

Es ist sehr wichtig, diesen Widerstand genau zu verstehen. Wir müssen die Bedeutung der Menschen, die diesen Krieg führen, und ihre herausragende Haltung sehen. Wir müssen sehen, welche Ergebnisse sie erzielt haben, wie sie angesichts so massiver feindlicher Angriffe und dem Einsatz von so viel Technologie bis hin zu chemischen Waffen, widerstanden. Sie wichen nicht aus ihrer Position zurück, nicht einmal einen Millimeter. Sie haben immer daran gearbeitet, den Feind zu treffen. Was war das für ein Geist, was war das für eine Überzeugung, was war das für ein Widerstand? Männer und Frauen haben diesen Widerstand gemeinsam geschaffen. Wie haben sie eine solche Einheit gebildet? Woher hatten sie diese Kraft, worauf stützen sie sich? Wir können hier die Kraft von Menschen, die sich selbst analysiert haben, sehen. Auf dieser Grundlage muss der Widerstand der Guerilla richtig verstanden und verinnerlicht werden. Alle müssen sich diese Widerständigkeit zu eigen machen. Das ist die Linie, die Linie des Widerstands. Das ist der Maßstab für Verständnis, Genossenschaftlichkeit, Geist, Willenskraft und Bewusstsein. Es ist absolut notwendig, das zu verstehen, daraus zu lernen und ein tiefes Bewusstsein zu erreichen. Es geht darum, diese Linie in all unseren Bewertungen sowie in der Kritik und Selbstkritik unserer Praxis zu beherrschen. Es ist notwendig, nicht nachzulassen und sich die Größe dieses Widerstand zu eigen machen, darüber zu erzählen und ihn zu propagieren.

Die Wahrheit in die Gesellschaft tragen“

Die Eigenschaften und die Besonderheit dieses Widerstands sollten wahrgenommen werden. Ja, wir kämpfen seit 40 Jahren, das ist richtig. Aber es herrscht Krieg. Jeder Krieg hat seine eigene Rolle und Bedeutung. Jetzt haben wir die Pflicht und Verantwortung, den Widerstand in den Medya-Verteidigungsgebieten richtig zu verstehen, für ihn einzutreten und die Wahrheit darüber zu berichten. Wir müssen diese Wahrheit in die Gesellschaft tragen, in die Öffentlichkeit. Um das tun zu können, müssen wir uns selbst richtig verstehen. Wir werden unsere Aufgaben und Verantwortlichkeiten wahrnehmen, richtig diskutieren und entsprechend auf die Tagesordnung bringen. Wir sind für die Aufklärung der Menschen verantwortlich, weil wir die Weggefährten der Genossinnen und Genossen im Widerstand sind. Das ist die Partei, der Maßstab und die Linie. Hierdurch wird die PKK vertreten, hierdurch wird die PAJK vertreten. Niemand sollte nach einem anderen Maßstab suchen. Der Widerstand kann nicht mit anderen Orten verglichen werden. Es mag überall Parteien geben, aber der Ort, der die Linie des Widerstands vertritt, ist hier.

Wie das große Todesfasten vom 14. Juli“

In diesem Sinne werden wir die Wirkung und Kraft dieses Widerstands bei der Entwicklung des Bewusstseins, des Willens, der Präsentation des Widerstandsgeistes und der Entwicklung der Genossenschaftlichkeit einbringen. Denn ein solcher Widerstand entsteht nicht von allein. Drei bis fünf Menschen können so vielen feindlichen Angriffen in einer solchen Umgebung nicht einfach so und nicht so lange widerstehen. Der dahinter stehende Geist, die Integrität und die Genossenschaftlichkeit dort ist es wert, verstanden zu werden. Wenn dieser Geist und Wille des Widerstands nicht dem des großen Todesfasten-Widerstand vom 14. Juli entsprochen hätte, hätte es nicht dieses Ergebnis gegeben.

Die Widerstände vom 14. Juli, von Sûr und in den Tunneln von Metîna und Avaşîn fanden an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Bedingungen statt, gleichen sich jedoch in ihrem Wesen und ihrer Bedeutung. So wie der 14. Juli die Linie der Opferbereitschaft der PKK repräsentierte, ist es auch bei den anderen Widerständen. Einen solchen Maßstab sollten wir anwenden. Wir werden nicht nur sagen, dass es sich um Widerstand handelt und weitermachen. Ja, es handelt sich um Widerstand, aber wie hat er stattgefunden? Es war keine so einfache Situation. Dutzende Male hätten die Kämpferinnen und Kämpfer sich zurückziehen können, wenn sie es gewollt hätten. Der Feind kam nicht plötzlich und versperrte die Eingänge. Die Kämpferinnen und Kämpfer waren draußen, sie hielten die Stellungen und führten von dort aus den Kampf weiter. Monatelang wichen die Kämpferinnen und Kämpfer in Werxelê keinen Millimeter zurück und griffen sogar Dutzende Male an. Ohne zu zögern leisteten sie in der Überzeugung, den Feind hier zu besiegen, Widerstand. (…)

Wenn das so ist, dann können wir sagen: Wenn man diesen Widerstand richtig versteht, analysiert und ihm Bedeutung gibt, dann können wir für viele Dinge, die uns Probleme machen, uns beschäftigen und Sorge bereiten, ganz einfach eine Lösung finden. Wenn man eine Perspektive auf der Grundlage der Frage nach gegenseitigen Verpflichtungen und Verantwortung schaffen will, dann ist es dieser Widerstand, der in jeder Hinsicht eine entsprechende Lösung geschaffen hat. Sobald wir das verstanden haben, kann das Notwendige mit Erfolg umgesetzt werden. (…)“

Der größte Schlag gegen die Kollaboration“

Weiter heißt es in Kalkans Kommentar: „Es ist greifbar, was aus der PDK geworden ist. Darüber muss nachgedacht werden. Wenn wir zurückblicken und uns den Zustand der Gesellschaft, die kurdische Geschichte ansehen, dann werden wir begreifen, dass Barzanî nie zuvor so klar in seinem Wesen exponiert war. Heute erkennt jeder die PDK als kollaborierend und verräterisch. Wir wissen, dass er sich selbst vor diesem Widerstand als Führer darstellte. Man konnte ihn nicht kritisieren, nicht ein Wort gegen ihn sagen. Aber jetzt ist er am Ende. Wer hat ihn in diese Lage gebracht? Die Widerstandskämpfer:innen, die Ereignisse und die Realität haben ihn zu Fall gebracht. (…) Damit wurden die Kollaboration und der Verrat ebenso wie jeglicher Opportunismus und Partikularismus getroffen. Der Widerstand war auch ein Schlag gegen den Individualismus. Bei uns kämpften die Menschen in Gruppen, aber es gab keinerlei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen. Sie bildeten alle eine geistige Einheit, wichen nicht zurück und überrannten den Feind. Diese Kraft und diesen Mut haben sie hervorgebracht. Vereinzelt wäre dieser Widerstand nicht möglich gewesen. Kann in so einer Situation überhaupt noch von Individualismus gesprochen werden? Es ist nicht einmal nötig, auf diese Hindernisse noch Worte zu verschwenden, sie müssen verurteilt und abgeworfen werden. (…)“

Der Widerstand hat die Qualität einer Revolution“

Kalkan schließt mit den Worten: „Dieser Widerstand hat die Qualität einer Revolution. Es handelt sich nicht nur um eine Revolution, in der der Faschismus militärisch besiegt wird, sondern auch um eine ideologische, philosophische und mentale Revolution. Es handelt sich um eine Revolution der apoistischen Parteiwerdung, die sich gegen jede Art von opportunistischen und liquidatorischen Ansätzen richtet. Das ist deutlich geworden. Wir werden uns das zu eigen machen und uns dementsprechend verhalten. Dann ist es nicht schwer, die Probleme zu lösen. Es gibt keinen Mangel an Kampfkraft. Natürlich ist der Kampf keine leichte Aufgabe; Organisation ist notwendig, Bewusstsein ist notwendig, Anstrengung, Führung, Risikobereitschaft und Militanz sind notwendig. Nichts passiert von selbst.“