Nach fünf Tagen ist der kleine Ort Lützerath am rheinischen Tagebau Garzweiler geräumt und die letzten Häuser werden abgerissen. Die internationalistische Jugendkommune, die sich am Widerstand für die Erhaltung und Verteidigung des Dorfes beteiligte, meldet sich nun mit einem Zitat von Karl Liebknecht zu Wort: „Die Geschlagenen von heute werden die Sieger von morgen sein. Denn die Niederlage ist ihre Lehre.“ Unter dieser Losung sollten jetzt nach dem Fall von „Lützi“, wie die Klimagerechtigkeitsbewegung ihre Burg liebevoll nannte, die grundlegenden Erfahrungen aus der Entwicklung des Kampfes um Lützerath und seinem Scheitern analysiert werden. „Das ist eine wichtige Bedingung, um aus den Erfahrungen zu lernen und sie für eine zukunftsfähige Alternative zu nutzen“, erklärte eine Aktivistin der Jugendkommune. Was es jetzt für eine Veränderung der politischen Verhältnisse braucht, sei eine langfristige Organisierung.
Lützerath: Trotz alledem!
Der Kampf um Lützerath scheint entschieden. Auf Geheiß der schwarz-grünen Landesregierung haben die Schlägertruppen der nordrheinwestfälischen Polizei mit aller Gewalt das Dorf besetzt und weitgehend geräumt. Die Bagger des milliardenschweren Energieriesens RWE haben schon mit dem Abbruch der ersten Häuser begonnen und werden in den kommenden Tagen das gesamte Dorf dem Erdboden gleich machen. Lützerath muss weichen, damit weitere Milliarden Tonnen Kohle, die unter dem Dorf lagern, abgebaggert und verbrannt werden können. Glaubt man der herrschenden Ampelregierung und ihrem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck, so ist die Verbrennung der Kohle unter Lützerath unausweichlich und eine unbedingte Notwendigkeit zur Sicherung der deutschen Energiesouveränität. Der Krieg in der Ukraine und die Folgen, die die Auseinandersetzung mit Russland für die Energieversorgung Europas hat, war den Herrschenden eine mehr als willkommene Gelegenheit, um zu rechtfertigen, was ganz offensichtlich nur einer einzigen Sache dient, nämlich den Profiten von Konzernen wie RWE.
Es scheint die Damen und Herren in Berlin nicht zu interessieren, dass mit dieser Verbrennung der Kohle unter Lützerath die erklärten Ziele der UN-Klimakonferenz 2015, zu denen sich neben fast 200 weiteren Staaten auch die Bundesrepublik Deutschland bekannt hat, weit verfehlt werden.
Internationale Verträge und sogar die eigenen Gesetze können vor den Profitinteressen der Großkonzerne nicht standhalten. Um diese Interessen durchzusetzen ist notfalls jedes Mittel recht - das hat der brutale Polizeieinsatz erneut unter Beweis gestellt. Doch wir haben nichts anderes erwartet, von einer Politik, die seit Jahrzehnten nichts Besseres zu tun hat, als nur den Interessen der Reichen und Großkonzerne zu dienen und nicht davor zurückschreckt, unsere Zukunft für den Profit einiger Weniger zu verkaufen.
Insbesondere eine Partei wie die Grünen, die ihren Erfolg der letzten Jahre nicht zuletzt dem Anwachsen der jungen Klimagerechtigkeitsbewegung zu verdanken hat, wird sich nicht reinwaschen können, von der Schuld und Verantwortung, die sie für die Räumung von Lützerath zu tragen hat. Auch dutzende Abgeordnete an der Abbruchkante können nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch im Dezember 101 Abgeordnete der Grünen im Bundestag ganz klar für die Abbaggerung Lützeraths gestimmt haben und nur eine Abgeordnete sich enthalten hatte. Die Jugendlichen, die in den vergangenen Tagen die Knüppel der Polizei zu spüren bekommen haben, die mit Schlägen und Tritten malträtiert wurden und deren Leben die Einsatzkräfte durch ihre rabiaten Methoden fahrlässig aufs Spiel gesetzt haben, kennen das wahre Gesicht der herrschenden Politik und auch der grünen Partei. Der Verrat wird nicht vergessen werden!
Mit Lützerath ist mehr als nur ein Dorf gefallen. Lützerath war auch ein Ort, an dem allen Widrigkeiten zum Trotz, an einer lebendigen Alternative gebaut wurde. Der in den vergangenen Tagen geleistete Widerstand war ein klares Zeichen der Entschlossenheit und des Kampfgeists einer Jugend, die nicht einen Tag länger bereit ist, zuzusehen, wie ihre Zukunft zerstört wird.
Die Erfahrung von Lützerath hat für uns ein weiteres Mal klar gemacht, dass unsere Hoffnungen in die herrschende Politik stets enttäuscht werden, dass es nichts bringt nur zu appellieren und zu fordern, sondern dass wir unser Leben in die eigenen Hände nehmen müssen. Um unsere Träume Wirklichkeit werden zu lassen und eine tatsächliche Veränderung der politischen Verhältnisse herbeizuführen, braucht es eine langfristige Organisierung, in der wir gemeinsam aus unseren Siegen und unseren Niederlagen lernen und Stück für Stück am Aufbau unserer eigenen Stärke arbeiten. Auch wenn wir in Lützerath geschlagen wurden, unsere Hoffnung auf eine andere Welt brennt stärker denn je.