IDK: Das Dorf verteidigen!

„Der Kampf um Lützerath ist existenziell. Es geht um den Widerstand gegen den systematischen Ökozid des kapitalistischen Patriarchats, um die Verteidigung der kleinbäuerlichen Lebensweise und des Bodens, auf dem wir stehen und der uns ernährt.“

Seit 12 Uhr demonstrieren Tausende Menschen trotz Dauerregen und massiver Polizeigewalt am Braunkohletagebau Garzweiler gegen die Räumung und Zerstörung des Dorfes Lützerath und den Abbau der darunterliegenden Kohle. An der Demonstration im Nachbarort Keyenberg, der wie Lützerath zu Erkelenz gehört, beteiligen sich nach Angaben der Veranstalter:innen rund 35.000 Menschen. Unter ihnen befinden sich auch Mitglieder der „Initiative Demokratischer Konföderalismus“. Die Gruppe hat nun eine Erklärung veröffentlicht, in der sie Gründe für ihre Beteiligung am Kampf um den symbolträchtigen Ort Lützerath darlegt und zur aktiven Verhinderung der Räumung aufruft. „Wir beharren auf unser Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverteidigung. In diesem Sinne: Auf zur Tat!“, heißt es darin. Die vollständige Stellungnahme lautet im Wortlaut:

Das Dorf verteidigen!

In einer Zeit, in der sich die globale Krise zuspitzt, ist eine entschiedene gesellschaftliche Antwort auf die Zerstörung von Natur und dem Leben in Dörfern essenziell. Zugang und Teilhabe an Land, Mitbestimmung und ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur sind im wahrsten Sinne lebensnotwendig, um eine zukunftsfähige Lebensgrundlage zu schaffen. Weltweit werden Kämpfe um die Verteidigung von Land geführt: ob in Chiapas, um den „Tren Maya“ der Deutschen Bahn zu verhindern, in Lappland, wo die Sami gegen den Zugriff auf Bodenschätze kämpfen oder in „Kanada“, wo sich die Wet’suwet’en gegen Pipelineprojekte organisieren. Fast allen ist gemeinsam, dass sie gegen multinationale Konzerne wie Siemens, British Petroleum, RWE & Co kämpfen. Auch in Lützerath werden die Interessen eines Großkonzerns über die Interessen der Gesellschaft gestellt und mit staatlicher Gewalt durchgesetzt.

Lützerath steht in einer langen Tradition von Kämpfen

Dabei steht Lützerath in einer langen Tradition von Kämpfen gegen die Einhegung und Zerstörung der Dorfgemeinschaften und für die Selbstbestimmung der Gesellschaft über ihr Land. Die Verteidigung des Hambacher Forstes hat bewiesen, welche Kraft wir entwickeln können, wenn wir uns auf vielfältige Weise mit anderen verbinden und organisieren. Doch die Kämpfe um Land haben eine noch viel längere Tradition: Schon vor 500 Jahren leisteten die Diggers in England Widerstand gegen die Privatisierung von Land, indem sie Zäune einrissen, Kommunen gründeten und – sich der Einhegung entgegenstellend – das Land wieder kollektivierten. Sie schmiedeten Bündnisse mit antikolonialen Kämpfen, um gegen die beginnende Versklavung in Westafrika zu kämpfen, und organisierten Aufstände in den ersten Kolonien Nordamerikas. In unserem Rücken stehen die unzähligen als Hexen Verfolgten, die sich gegen die brachiale Gewalt des aufkommenden Kapitalismus aufbäumten und dafür ihr Leben ließen. Die unzähligen Bäuer:innen- und Handwerker:innenaufstände, die sich gegen den Zugriff auf Menschen als Arbeitsmaschinen wehrten; die freien Fries:innen, die ihr Land viele Jahrhunderte lang gegen Feudalherren, Grafen und Könige verteidigten; die Sorb:innen in der Lausitz, welche ihre Kultur über die Jahrtausende bewahren konnten und die ebenfalls bereits zahlreiche Dörfer unwiederbringlich an Konzerne verloren haben; die Bäuer:innen, welche sich gegen die Flurbereinigung und Eingemeindung der 1960er Jahre organisierten, und so viele mehr, deren Geschichten es wieder auszugraben gilt!

Systematischer Ökozid des kapitalistischen Patriarchats

Ebenso wie die Kämpfe in der Vergangenheit ist auch der Kampf um Lützerath existenziell, denn es geht um so viel mehr als das Bestehen eines Dorfes. Es geht um den Widerstand gegen den systematischen Ökozid des kapitalistischen Patriarchats, der das Leben auf dieser Welt bedroht. Es geht auch heute ganz konkret um die Verteidigung der kleinbäuerlichen Lebensweise und des Bodens, auf dem wir stehen und der uns ernährt.

An diesem historischen Moment heißt es nun also: Verteidigen wir gemeinsam Lützerath und setzen der Logik der Zerstörung die Entschlossenheit der gesellschaftlichen Selbstverteidigung entgegen.

Gemeinsam können wir dem deutschen Staat – egal wie sehr er sich in einem grün angestrichenen Kleid zu verschleiern versucht – beweisen, dass das Erbe der widerständigen Gesellschaft fortlebt. Gelebter Internationalismus bedeutet, sich als Teil eines gemeinsamen Kampfes zu verstehen – daraus erwächst für uns, die sich mitten im pulsierenden Herz der kapitalistischen Moderne bewegen, eine besondere Verantwortung. Aus allen Teilen der Welt werden zurzeit Botschaften der Verbundenheit und Solidarität nach Lützerath geschickt – verbinden und verbreitern wir unsere Kämpfe! Nur wenn wir eine gesamtgesellschaftliche Kraft werden, können wir die Herrschenden hierzulande daran hindern, die Kämpfe in anderen Teilen der Welt niederzuschlagen und Mensch und Natur auszubeuten!

Auf zur Tat!

Als Initiative Demokratischer Konföderalismus rufen wir dazu auf, die Verteidigung von Lützerath zu unterstützen, mit euren lokalen Kämpfen zu verbinden und aktiv die Räumung zu verhindern. Die Klimagerechtigkeitsbewegung wird getragen von der Dynamik einer Jugend, die sich dem Teufelskreis der Zerstörung entschieden entgegenstellt und mit ihrer konsequenten Verteidigung des Lebens der breiten Gesellschaft aus dem Herzen spricht.

Wir beharren auf unser Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverteidigung. In diesem Sinne: Auf zur Tat!