Etwa 35.000 Menschen versammelten sich am Samstag, um für den Erhalt von Lützerath und Klimagerechtigkeit zu demonstrieren. Lützerath ist ein kleines Dorf am Tagebau Garzweiler im rheinischen Braunkohlerevier, das zerstört werden soll,um Energie aus Kohle zu gewinnen. Seit Jahrzehnten kämpfen Menschen in der Region gegen den aggressiven Extraktivismus durch den Konzern RWE.
Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Umsiedlungen und Zerstörung von Dörfern. 2020 besetzten Klimaaktivist:innen Lützerath, um es zu erhalten. Sie bauten Baumhäuser und zogen in die leerstehenden Häuser in dem Dorf ein. Im Sommer 2022 fand in Lützerath ein internationalistisches Jugendfestival statt, bei dem die Klimagerechtigkeitsbewegung auf die kurdische Freiheitsbewegung traf. Seit dem 3. Januar begann die Polizei, Lützerath zu räumen. Auf kreative Weise setzen sich die Menschen vor Ort zu Wehr. So ketteten sich Aktivist:innen mit Lock-Ons in den Baumhäusern fest und gaben bekannt, dass sich zwei Personen in einem unterirdischen Tunnel aufhalten, um die Räumung zu verzögern.
Am Samstag fand dann eine Großdemonstration statt. Aus der ganzen Bundesrepublik reisten Menschen an. Es kam zu Verzögerungen, da zum Beispiel am Kölner Hauptbahnhof Züge von der Polizei an der Weiterfahrt gehindert wurden. Mit etwa einer Stunde Verspätung und weitaus mehr Menschen als erwartet konnte die Demonstration schließlich beginnen.
Prominente Rednerin war die Begründerin von Fridays for Future, Greta Thunberg. Sie und weitere Redner:innen kritisierten u.a. die Politik der Grünen. Die Partei versuche immer wieder, den Abbau der Kohle mit fadenscheinigen Argumenten zu legitimieren, zuletzt mit der durch den Krieg in der Ukraine und die gegen Russland verhängten Sanktionen ausgelösten Energieknappheit. Jedoch sei klar, dass zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und um eine weitere Zuspitzung der Klimakrise abzuwenden, die profitable Kohle unter der Erde gelassen werden müsse. Aus der ganzen Welt kamen Solidaritätsbekundungen mit den Aktivist:innen in Lützerath, so beispielsweise von den indigenen Yupka aus Kolumbien und auch aus Kurdistan.
Die Polizei versuchte mit einem großen Aufgebot, die Menschen am Vordringen nach Lützerath zu hindern. Dabei kam es zum Einsatz von Wasserwerfern und körperlicher Gewalt. Zahlreiche Schwerverletzte mussten von Sanitäter:innen behandelt oder sogar ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es wird von diversen Knochenbrüchen, mindestens einer bewusstlosen Person und mindestens einem Hundebiss berichtet.
„Von Qendîl bis nach Lützerath - Wir leben glücklich ohne Staat"
Trotz der massiven Repression der Polizei, Regen, starkem Wind und tiefem Schlamm trugen Zehntausende Menschen ihren Protest in das rheinischen Braunkohlerevier. Der große Demonstrationszug hatte einen bunten und kraftvollen Ausdruck, der bis zum Horizont sichtbar war. Den ganzen Tag bis spät in in den Abend hielten sich Menschen rund um den Tagebau Garzweiler auf. Dabei ließen sie sich von der teilweise aufgeheizten Stimmung und den aggressiven Einschüchterungsversuchen durch die Polizei nicht aufhalten. Kleingruppen versuchten immer wieder, die Polizeiketten zu durchfließen und nach Lützerath zu gelangen, um sich dort der Besetzung anzuschließen und die Räumung zu verhindern. Immer wieder waren über die Felder auch internationalistische Slogans zu hören wie beispielsweise „Von Qendîl bis nach Lützerath - Wir leben glücklich ohne Staat" und „Bijî Lützerath, bijî Rojava - für den Sozialismus ist doch klar".
Auf dem Rückweg zu den Zügen und Bussen waren teilweise auch niedergeschlagene Gesichter zu sehen. Der Anblick des Ausmaßes der Zerstörung durch den Tagebau hinterließ tiefe Eindrücke. Doch auch in den kommenden Tagen wird gegen die Räumung von Lützerath und das Profitstreben der Kohleindustrie Widerstand erwartet. „Einmal mehr hat sich gezeigt, wie sehr das Thema Klimagerechtigkeit und die Zerstörung von Dörfern und Lebensraum durch die kapitalistische Wirtschaft Menschen bewegt und mobilisiert. In der Zukunft wird es darauf ankommen, ein tiefes ökologisches Bewusstsein in der ganzen Bevölkerung aufzubauen und die lokalen Kämpfe noch stabiler zu organisieren“, so eine Demonstrationsteilnehmerin gegenüber ANF.