Unter dem Schlagwort „Kämpfe verbinden – Kapitalismus überwinden“ sind am Sonnabend hunderte Menschen im rheinischen Braunkohlerevier zusammengekommen, um die europäische Bewegung für Klimagerechtigkeit und die kurdische Befreiungsbewegung näher zu bringen und einen Raum des Austausches und eine gemeinsame Kultur des Widerstands zu schaffen. Seit dem frühen Nachmittag läuft ein buntes Programm mit Musik, Essen, Workshops, Sport, Kinderaktivitäten und Ausstellungen auf dem internationalistischen Jugendfestival im Örtchen Lützerath.
Eröffnet wurde das Kulturtreffen mit einer gemeinsamen Pressekonferenz der Initiativen Lützerath lebt! und Make Rojava Green Again, die das Festival organisiert hatten. Es wurden vielfältige Gründe benannt, warum die Errungenschaften der Revolution in Kurdistan für den Kampf um Klimagerechtigkeit als relevant empfunden werden und es wurde dazu aufgerufen, der krisengeprägten Realität einen gemeinsamen Aufbruch entgegenzusetzen. „Je mehr wir uns gegen den Kapitalismus zusammenschließen, desto erfolgreicher wird unser Kampf sein“, hieß es. Der gemeinsame Widerstand sei auch die beste Antwort auf den Faschismus. Die besondere Solidarität der Rednerinnen galt dem Widerstand der kurdischen Befreiungsbewegung in Rojava (Syrien) und Südkurdistan (Irak) gegen die kriegerische Aggression der Türkei.
Bevor das Bühnenprogramm startete, gab Viyan Amed im Namen der Bewegung der jungen kämpferischen Frauen (TekoJIN) und der Revolutionären Jugendbewegung (TCŞ) eine Erklärung ab. „Die Klimabewegung hat viel Aufmerksamkeit geschaffen, doch sie verlässt sich noch viel zu sehr auf das System, das die Klimakrise erst erzeugt“, kritisierte die Aktivistin. Damit bezog sie sich auf den Aufruf zum Festival, den zahlreiche Gruppen, Initiativen und Organisationen wie etwa Ende Gelände und Gemeinsam gegen die Tierindustrie unterzeichnet haben. Darin hieß es: „Der jungen Klimagerechtigkeitsbewegung ist es mit den Aktionen der vergangenen Jahre gelungen, an vielen Stellen die Tagesordnung zu bestimmen und mit aktivem Widerstand der Politik der Zerstörung etwas entgegenzusetzen. Millionen Jugendliche sind weltweit auf die Straßen gezogen, um für ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen. Mit den Waldbesetzungen, Klimacamps und dem dörflichen Widerstand wie heute in Lützerath wurden Orte des gemeinsamen Austausches, der Vernetzung und der Organisation geschaffen, um auch andere Formen des Zusammenlebens praktisch auszuprobieren. Doch klar ist auch, das reicht nicht aus und die bisherige Praxis stößt an ihre Grenzen. Die Frage nach einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive, nach einer Verbindung der Kämpfe und dem Aufbau bleibender Strukturen drängt sich auf. Wenn wir darauf warten, dass die nötige Veränderung von Oben gegeben werden wird, dann werden wir bitter enttäuscht werden. Eine andere Welt kann nur selbstbestimmt und von unten erkämpft und aufgebaut werden.“
Grüße, Stärke und Mut aus Rojava
In einer Videobotschaft aus Nordostsyrien sendeten Aktive der Klimagerechtigkeitsbewegung „revolutionäre Grüße, Stärke und Mut“ nach Lützerath und bezeichneten die Angriffe der Türkei auf Rojava als einen „Krieg gegen uns alle“. Im Rahmen des Festivals gab es auch einen kurzen Marsch durch Lützerath, der als Ausdruck der Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf von lauten Parolen und Fahnen mit dem Konterfei des Vordenkers Abdullah Öcalan begleitet wurde. In Workshops steht im Vordergrund, dass die kurdische Freiheitsbewegung auf den Grundlagen von Ökologie, Basisdemokratie und Geschlechterbefreiung einen Weg für die Selbstorganisierung einer Gesellschaft aufzeigt. Liveacts auf der Bühne sorgen auch jetzt noch für ausgelassene Govend-Tänze.
Lützerath
Das Dorf Lützerath liegt in der Nähe der Abbaukante des vom Energiekonzern RWE betriebenen Braunkohletagebaus Garzweiler. Seit Jahren kämpft die Klimagerechtigkeitsbewegung für den Erhalt des Ortes, der akut vom Abriss bedroht ist. Im März wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster eine Beschwerde von Eckardt Heukamp, bekannt als der letzte Landwirt in Lützerath, gegen einen Beschluss der Bezirksregierung Arnsberg zurück, durch den RWE vorzeitig in den Besitz der Grundstücke an der Abbruchkante kam. Heukamp hatte lange Widerstand durch mehrere Instanzen geleistet, doch am Ende verkaufte er seinen Hof und die damit direkt verbundenen Flächen an den Energieriesen. Alle anderen Landwirte hatten ihre Betriebe bereits früh verkauft und waren weggezogen.
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