Am 28. Mai organisieren die Initiativen Lützerath lebt und Make Rojava Green Again ein internationalistisches Jugendfestival unter dem Motto „Kämpfe verbinden – Kapitalismus überwinden“ in Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier. Ab 10 Uhr wird ein buntes Programm mit Musik, Essen, Workshops, Kinderprogramm und vielem mehr angeboten.
Das Festival zielt auch darauf ab, die europäische Bewegung für Klimagerechtigkeit und die kurdische Befreiungsbewegung näher zu bringen sowie einen Raum des Austausches und eine gemeinsame Kultur des Widerstands zu schaffen. Weitere Initiativen wie das Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie haben den Aufruf unterschrieben und unterstützen auch den Offenen Brief an die Klimagerechtigkeitsbewegung, in dem zu Aktionen gegen die andauernden Angriffe des türkischen Staats auf die selbstverwalteten Gebiete in Rojava (Syrien) und Südkurdistans (Irak) aufgerufen wird.
Offener Brief an die Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland
In dem Offenen Brief an die Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland rufen die Initiativen zur Solidarität mit der kurdischen Freiheitsbewegung auf und laden zum Jugendfestival in Lützerath ein. In dem Brief heißt es:
„Als Teil der linken Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland rufen wir dazu auf, sich mit dem Kampf der Kurdischen Freiheitsbewegung in allen vier Teilen Kurdistans (Iran, Irak, Syrien und Türkei) zu solidarisieren. Um uns kennenzulernen und um der krisengeprägten Realität einen gemeinsamen Aufbruch entgegenzusetzen, laden wir euch alle zum internationalistischen Jugendfestival in Lützerath am 28. Mai 2022 ein! Wir wollen einen Ort der Begegnung schaffen, der revolutionären Perspektiven und des Austausches. Gemeinsam kämpfen heißt gefährlich zu werden.
Im Schatten des schrecklichen Krieges in der Ukraine hat das türkische Militär eine weitere Großoffensive vorbereitet, die am 17. April gestartet hat. Während der Aufschrei zu dem Angriffskrieg durch Russland in der Ukraine groß ist, wird über die Großoffensive der Türkei gegen Südkurdistan laut geschwiegen. Bei dem aktuellen Angriff zielt die faschistische türkische Armee nicht nur auf das Herz der Bewegung in den Bergen Südkurdistans (Irak): Auch Şengal, die Stadt, in der der IS 2014 einen Genozid an Ezid:innen begangen hat und Kobanê, welches 2015 vom IS befreit wurde, werden bombardiert.
Es gibt vielfältige Gründe, warum die Errungenschaften der Revolution in Kurdistan für den Kampf um Klimagerechtigkeit relevant sind. Denn es reicht nicht, sich dabei auf Emissionen und technologische Scheinlösungen zu fokussieren. Innerhalb des Kapitalismus ist die Befriedigung unserer Bedürfnisse stets an wirtschaftliches Wachstum gekoppelt und Wachstum lässt sich von Emissionen und Naturzerstörung nicht loslösen. Die Ursachen der Klimakrise sind weitgehend identisch mit den Ursachen des Kolonialismus. Weltweit sind Frauen stärker von den Folgen der Klimakrise betroffen und bilden in vielen Kämpfen das Rückgrat des Widerstands. Um das Problem an der Wurzel anzugehen, müssen wir antirassistische, feministische und ökologische Kämpfe verbinden und unsere Gesellschaften von links und von unten neu aufbauen!
Die kurdische Freiheitsbewegung zeigt auf den Grundlagen der Ökologie, Basisdemokratie und der Geschlechterbefreiung einen Weg für die Selbstorganisierung einer Gesellschaft auf. Nicht nur im vom IS befreiten Rojava (Nord- und Ostsyrien), sondern auch in den anderen Gebieten werden Räte, Kommunen, Akademien und Kooperativen aufgebaut und damit eine Alternative zum ausbeuterischen und zerstörerischen Kapitalismus geschaffen. Angestrebt wird eine ökologische und bedarfsorientierte Landwirtschaft und der Aufbau einer Wirtschaftsweise, die sich an die natürliche Umgebung anpasst. Statt Ressourcen für den kurzfristigen Profit auszubeuten, soll eine Lebensweise in Einklang mit der Natur wiederentdeckt werden, die unsere Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen sichert. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angriffe auf die selbstverwalteten Strukturen in Kurdistan unbeantwortet bleiben! Wir sehen uns in Lützerath!“
Aufruf zum internationalistischen Jugendfestival: Schweigen ist Zustimmung
„Ein Blick in die Nachrichten genügt, um zu erkennen, dass unsere Welt am Abgrund steht. Faschistische und nationalistische Bewegungen sind allerorts auf dem Vormarsch, Krieg beraubt Millionen Menschen ihrer Heimat und die Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen schreitet scheinbar unaufhaltsam voran. Die kapitalistische Wirtschaftsweise mit ihrem unersättlichen Streben nach Maximalprofit, hat die Menschheit und die Natur in die Katastrophe geführt und droht heute das Leben auf diesem Planeten ins Verderben zu stürzen.
Doch an allen Ecken und Enden der Welt regt sich auch der Widerstand gegen das lebensfeindliche System. Gerade die vergangenen Jahre erlebten einen weltweiten Aufschwung von Bewegungen , die nach neuen Auswegen aus der Krise suchen. Tag für Tag wächst auch das Bewusstsein, dass es nicht ausreicht, nur die Auswüchse eines falschen Systems zu bekämpfen, sondern dass nur ein globaler Wandel einen Ausweg aus der Katastrophe eröffnen kann. Insbesondere der Klimawandel und die ökologische Katastrophe machen mehr als deutlich, dass wir dabei keine Zeit zu verlieren haben. Dass sich im 21. Jahrhundert das Schicksal der Menschheit und dieses Planeten entscheiden wird, ist heute keine Behauptung, sondern wissenschaftlich belegte Tatsache.
Der jungen Klimagerechtigkeitsbewegung ist es mit den Aktionen der vergangenen Jahre gelungen, an vielen Stellen die Tagesordnung zu bestimmen und mit aktivem Widerstand der Politik der Zerstörung etwas entgegenzusetzen. Millionen Jugendliche sind weltweit auf die Straßen gezogen, um für ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen. Mit den Waldbesetzungen, Klimacamps und dem dörflichen Widerstand wie heute in Lützerath wurden Orte des gemeinsamen Austausches, der Vernetzung und der Organisation geschaffen, um auch andere Formen des Zusammenlebens praktisch auszuprobieren. Doch klar ist auch, das reicht nicht aus und die bisherige Praxis stößt an ihre Grenzen. Die Frage nach einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive, nach einer Verbindung der Kämpfe und dem Aufbau bleibender Strukturen drängt sich auf. Wenn wir darauf warten, dass die nötige Veränderung von Oben gegeben werden wird, dann werden wir bitter enttäuscht werden. Eine andere Welt kann nur selbstbestimmt und von unten erkämpft und aufgebaut werden.
Dabei ist die Revolution von Rojava und Nord- und Ostsyrien ein wichtiger Bezugspunkt und Hoffnungsschimmer. Seit fast zehn Jahren bauen die Menschen dort ein selbstverwaltetes Gesellschaftssystem auf und nehmen ihr Leben selbst in die Hand. Der Vorschlag des Demokratischen Konföderalismus, welcher auf Frauenbefreiung, basisdemokratischer Selbstverwaltung und ökologischen und bedarfsorientierten Wirtschaftsweisen basiert, stellt für uns eine konkrete Antwort auf viele der dringendsten Menschheitsprobleme dar. Rojava ist der praktische Beweis dafür, dass die andere Welt von der wir träumen, keine Utopie bleiben muss, sondern schon heute gelebte Realität werden kann.
Damit wir diese Alternative aufbauen können, müssen wir zusammenkommen, uns kennenlernen, uns austauschen und eine gemeinsame Kultur des Widerstandes schaffen. Deswegen laden wir euch ein am 28. Mai mit uns nach Lützerath zu kommen und das Internationalistische Jugendfestival zu einem Moment des gemeinsamen Aufbruchs zu machen.“