Lützerath von Gericht zur Räumung freigegeben
Die Ortschaft Lützerath darf für den von RWE betriebenen Braunkohlentagebau Garzweiler II abgebaggert werden. Das hat das OVG Münster entschieden. Die Klimagerechtigkeitsbewegung kündigt Widerstand an.
Die Ortschaft Lützerath darf für den von RWE betriebenen Braunkohlentagebau Garzweiler II abgebaggert werden. Das hat das OVG Münster entschieden. Die Klimagerechtigkeitsbewegung kündigt Widerstand an.
Im Streit um die Grundstücke eines Landwirts an der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler im nordrhein-westfälischen Lützerath hat der Energiekonzern RWE vor Gericht einen Teilerfolg errungen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster wies am Montag die Beschwerden des Landwirts und zweier Mieter zurück und bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen. Die Beschlüsse sind nicht anfechtbar (Az.: 21 B 1675/21 und 21 B 1676/21).
Der Landwirt und die Mieter auf dessen Hof hatten sich mit Eilanträgen gegen Beschlüsse der Bezirksregierung Arnsberg gewandt, mit denen RWE vorzeitig in den Besitz der Grundstücke an der Abbruchkante kam. Mit der Entscheidung des OVG kann der Konzern auf dem Gelände des letzten verbliebenen Bauern Wald roden, Gebäude abreißen und Grundstücke zur Gewinnung von Braunkohle abbaggern, obwohl dessen Klage gegen die Enteignung noch läuft. Damit wollte RWE ursprünglich nach der vorzeitigen Besitzeinweisung am 1. November 2021 beginnen.
Gericht: Keine Gründe für eine Änderung der Entscheidung
Zur Begründung teilte das OVG mit, dass die Antragsteller keine Gründe für eine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen vorgetragen hätten. In der Vorinstanz sei ausführlich vom Gericht dargelegt worden, dass die energiepolitische Grundentscheidung zugunsten der Braunkohleförderung und -Verstromung mit dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot vereinbar sei. Die Abwägung der Bezirksregierung Arnsberg sei nicht zu beanstanden. Die Anträge des Landwirts und der Mieter würden weitgehend klimapolitische Forderungen enthalten, die sich an den Gesetzgeber richten. Fehler des Verwaltungsgerichts bei der Prüfung der Beschlüsse der Bezirksregierung Arnsberg seien nicht benannt worden.
Ende Gelände kündigt Widerstand an
Damit sind weite Teile des Dorfs an der Grubenkante des Braunkohletagebaus Garzweiler II nun akut vom Abriss bedroht. Als Reaktion auf den Gerichtsbeschluss hat die Klimagerechtigkeitsbewegung Widerstand und eine Massenmobilisierung nach Lützerath angekündigt, um das Dorf vor dem Abriss zu bewahren. Das Aktionsbündnis Ende Gelände bereitet sich bereits auf den Tag der Räumung vor, teilte die Sprecherin Jona Heidner mit.
„Es kann nur ein Urteil geben: Lützerath muss bleiben“
„Wenn die Gerichte RWE nicht verbieten, weiter Kohle aus der Erde zu holen, dann tun wir es eben selbst. Es kann nur ein Urteil geben: Lützerath muss bleiben“, so Heidner. Wer Lützerath abbaggert, beschleunige die Klimakrise und verspiele die Zukunft aller. „Wir machen Ende Gelände mit den Kohleplänen von RWE. Wir werden Lützerath verteidigen. Ob mit Demos, Sitzblockaden oder Baumhäusern – wir sind viele und wir werden nicht ruhen, bis der letzte Kohlebagger stillsteht.“
Entscheidung für die Profite von RWE
Dass das OVG Münster seine Entscheidung energiewirtschaftlich begründet und klimapolitische Forderungen im geltenden Recht keine Grundlage hätten, bezeichnet Jona Heidner als eine „Farce“. Die Entscheidung für die Tagebauerweiterung sei eine „Entscheidung für die Profite von RWE und gegen Millionen von Menschen“, die schon heute unter den Folgen der Klimakrise leiden. Die Energiekonzerne nutzten den Ukrainekrieg, um unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit an Kohle und damit „am dreckigsten Energieträger der Welt“ festzuhalten. „Aber sicher ist nur eins: Ob Kohle, Öl oder Gas, wenn der fossile Wahnsinn weitergeht, befeuert die Klimakrise weitere Kriege. Krieg kann keine Rechtfertigung dafür sein, die Klimakrise anzuheizen“, so Heidner.
Großdemonstration nach Ostern
In den vergangenen zwei Jahren ist Lützerath zu einem Zentrum der Klimaproteste geworden. Aktivist:innen haben den Ort wiederbelebt, die bereits enteigneten Häuser sind wieder bewohnt, ein großes Camp wurde errichtet und Baumhäuser gebaut. Es wurden Festivals, Spaziergänge, Demonstrationen und Kohlebaggerblockaden organisiert. Die Klimagerechtigkeitsbewegung ruft dazu auf, die Räumung von Lützerath zu verhindern. Am 23. April findet eine große Demonstration am Tagebau statt, an der sich auch Fridays for Future und andere Organisationen beteiligen wollen. Wie die Initiative Lützerath Lebt! mitteilte, werden tausende Unterstützer:innen zu dem Protest erwartet. Ab sofort dürfe RWE rein rechtlich mit polizeilicher Unterstützung das Dorf räumen und Gebäude abreißen. Die Aktivist:innen kündigten an, sich in Hütten, Baumhäusern und auf Hausdächern „den Rodungsmaschinen und Bulldozern in den Weg zu stellen“.