Aktivistinnen und Aktivisten des Bündnisses Ende Gelände und der Initiative „Lützerath lebt“ haben am Sonntagnachmittag mit etwa 600 Menschen den Tagebau Garzweiler II im Rheinischen Braunkohlerevier gestört. Eine große Gruppe konnte die Polizeiketten durchfließen und die Grubenkante erreichen. Dadurch wurde einer der Kohlebagger gestoppt.
Der Energiekonzern RWE will den Tagebau im nordrhein-westfälischen Erkelenz massiv ausweiten. Dafür sollen noch bewohnte Dörfer abgerissen und landwirtschaftliche Kulturflächen abgebaggert werden. Mit der Aktion wollen die Aktivist:innen die Ausweitung verhindern und die Zerstörung des direkt am Tagebau gelegenen Dorfs Lützerath stoppen. Lützerath soll als nächster Ort verschwinden, weitere Dörfer später. Ende Gelände hat in den letzten Jahren im Rheinland schon mehrfach Kohleinfrastruktur stillgelegt und Förderbänder, Schienenstrecken oder Kohlebagger blockiert. Das Aktionsbündnis fordert den sofortigen Kohleausstieg und weltweite Klimagerechtigkeit.
Lange: RWE kriegt den Hals nicht voll
„Klimakrise ist jetzt. RWE verfeuert trotzdem weiter Braunkohle und kann den Hals nicht vollkriegen. Dabei darf keine Tonne Kohle mehr abgebaggert werden, wenn wir die 1,5 Grad-Grenze nicht reißen wollen“, sagte Ende-Gelände-Sprecherin Emilia Lange. „Wir werden nicht zulassen, dass dreckige Energiekonzerne die Grundlagen für eine klimagerechte Welt zerstören. Deshalb lassen wir heute die Kohlebagger von RWE stillstehen.”
Wohlstand auf Grundlage kolonialer und rassistischer Ausbeutung und Naturzerstörung
Die Aktion fand zeitgleich mit dem Beginn der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow statt. Dort soll es auch um die Anerkennung der historischen Verantwortung der reichen Industrieländer für die Erderhitzung gehen, unter der die Länder des globalen Südens am stärksten leiden. Zuletzt hat der Sachstandsbericht des Weltklimarates aufgezeigt, dass die Klimakrise bereits bestehende Ungleichheiten auf der Welt weiter verschärft.
„Im globalen Süden vernichtet die Klimakatastrophe jeden Tag Dörfer und verlieren Menschen ihr Zuhause und ihr Leben. Sie zahlen den Preis für unseren Wohlstand, der auf kolonialer, rassistischer Ausbeutung und auf Naturzerstörung gebaut ist. Diese Menschen zu schützen wäre der Kern einer gerechten Klimapolitik. Lützerath ist überall! Wir werden wiederkommen, bis alle Dörfer bleiben – weltweit”, sagte Ende-Gelände-Sprecherin Dina Hamid.
5.000 Menschen bei großer Demonstration
Um Lützerath konzentrieren sich derzeit viele Proteste gegen die Klimakrise. Zeitgleich mit der Aktion von Ende Gelände fand dort ab Mittag eine große Demonstration mit mehr als 5.000 Menschen statt. Aufgerufen hatte ein breites Bündnis von Gruppen, darunter Fridays for Future, Alle Dörfer bleiben, Lützerath lebt und Greenpeace. Deren Mitglieder legten am frühen Morgen ein 150 Meter langes Banner mit der Aufschrift „1,5 Grad-Limit” auf einer Straße vor dem Bauernhof von Eckardt Heukamp aus und entzündeten entlang des Banners ein Feuer. Die „Feuerlinie” stehe für die 1,5-Grad-Grenze bei der Klimaerwärmung und solle als symbolische rote Linie zwischen dem Tagebau Garzweiler und dem Ort Lützerath stehen, teilte Greenpeace mit.
Klage von Heukamp anhängig
Eckardt Heukamp ist der letzte Landwirt in Lützerath, der gegen seine vorzeitige Enteignung für die Braunkohle durch das Land NRW und RWE kämpft und seinen historischen Hof vor dem Abriss retten will. Der Energieriese wollte ab dem morgigen Tag alle Grundstücke des Dorfes unter seine Kontrolle bringen und dann abreißen. Am Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster ist allerdings eine Klage von Heukamp anhängig. RWE kündigte daher vor wenigen Tagen an, vorerst auf Abrissarbeiten zu verzichten. Man beabsichtige, zunächst eine Entscheidung des OVG Münster über die Rechtmäßigkeit eines Hofabrisses abzuwarten – höchstens aber bis zum 7. Januar 2022.
Kritik an Klimagerechtigkeitsbewegung
Im Rahmen einer Pressekonferenz erklärten Fridays for Future, Lützerath lebt, Greenpeace und ein Vertreter der Yupka aus Kolumbien, dass sie ihren gemeinsamen Widerstand gegen die Zerstörung von Lützerath fortsetzen, um für die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits zu kämpfen. Von Rassismus betroffene Aktive von Lützerath lebt und Fridays For Future kritisierten dort zugleich die Klimagerechtigkeitsbewegung für ihre mangelnde Aufarbeitung von Rassismus und Kolonialismus. Die Bewegung sei ignorant dafür, dass die bereits erreichte globale Erhitzung von 1,2 Grad bereits „die reinste Hölle für so viele Menschen im Globalen Süden” bedeute.
Derweil feiert Lützerath noch bis zum 5. November das „Unräumbar-Festival“. In den nächsten Wochen wird es zudem ein größeres Protestcamp beherbergen. Informationen gibt es unter http://luetzerathlebt.info/event/unraeumbar-festival/
Alle Fotos von Ende Gelände und Fridays for Future