Film über Kobanê-Widerstand erscheint bald
Die Arbeit der Regisseurin Özlem Yaşar an dem Kinofilm "Kobanê" ist fast abgeschlossen. Der Film soll in sechs Monaten im Kino anlaufen.
Die Arbeit der Regisseurin Özlem Yaşar an dem Kinofilm "Kobanê" ist fast abgeschlossen. Der Film soll in sechs Monaten im Kino anlaufen.
Die Dreharbeiten für einen Kinofilm über den Kobanê-Widerstand sind abgeschlossen. In sechs Monaten soll die Produktion der Filmkommune von Rojava die Kinos erreichen. Die Regisseurin Özlem Yaşar und die Drehbuchautorin Medya Doz hatten sich zur Vorbereitung des Films mit Hunderten Zeug:innen und Kämpfer:innen getroffen. Gedreht wurde der Film, der sich insbesondere mit dem Frauenwiderstand auseinandersetzt, in den nordsyrischen Städten Kobanê und Tabqa.
Im ANF-Gespräch berichtet die Regisseurin Özlem Yaşar über die Dreharbeiten und die Postproduktion des Films. Sie erklärt zum Fokus des Films auf den Frauenkampf: „Wenn wir uns die letzten 40 Jahre kurdischen Frauenkampfes ansehen, führen die Frauen einen Kampf um das eigene Sein. Sie versuchen, die vorgegebenen Geschlechterrollen zu überwinden. Es gibt massiven Widerstand gegen die patriarchale Mentalität, welche die Gesellschaft bis in ihre kleinsten Elemente hinein durchdringt. Es wird ein zum patriarchalen System alternatives Leben aufgebaut. Das erfordert einen langfristigen Kampf. Die kurdischen Frauen haben eine lange Kampfgeschichte und in dem Film wollen wir diese Realität zeigen. Wir stehen nicht außerhalb des Frauenkampfes, wir sind ein Teil von ihm. Als Frauen sind wir Individuen, die von all dem betroffen und gleichzeitig Teil dieses Kampfes sind. Im Mittelpunkt unseres Films stehen kämpfende Frauen.“
„Wir haben ein Novum geschaffen“
Özlem Yaşar berichtet, dass die Erinnerungen an den Kobanê-Krieg immer noch lebendig seien: „Der Krieg und der Widerstand in Kobanê hat einen hohen Tribut gefordert. Kobanê wurde zu einem internationalen Bereich. Die Geschichte Kurdistans ist eine Geschichte des Widerstands. Diesen enormen Widerstand gibt es in allen vier Teilen des Landes. Für uns gehört Kobanê ebenfalls zu diesem Prozess. Es sind nicht viele Jahre seit der Schlacht um Kobanê vergangen. Es ist eine Angelegenheit aus der jüngeren Geschichte. Die Spuren von Krieg und Widerstand sind sehr lebendig. Es war ein Prozess, den wir sehr genau verfolgt haben. Freundinnen und Freunde von uns haben an diesem Krieg teilgenommen und sind gefallen. Es wurde ein hoher Preis gezahlt. Das brachte den Wunsch hervor, diesen Prozess auf die Leinwand zu bringen. Es handelt sich um ein Thema, das Romane füllen könnte. Im Kino wird versucht werden, dem Widerstand mit noch weiteren Filmen zu entsprechen. Unser Film ist einer der ersten. Es wird bestimmt noch mehr geben. Wir haben uns zunächst Gedanken gemacht, wie wir das Geschehen auf die Kinoleinwand übertragen können.“
Gespräche mit Hunderten Zeitzeug:innen
„Kobanê war die Hoffnung der Menschen auf Freiheit. Die Völker sind von dieser Hoffnung auf Freiheit angezogen worden,“ so Yaşar und fährt fort: „Die Herzen der Millionen, die diesem Widerstand täglich folgten, schlugen in Kobanê. Der Widerstand fand weltweit ein großes Echo. Daher ist unser Film über Kobanê kein chronologischer Film geworden. Im Film sind Realität und Fiktion miteinander verflochten. Wir haben vor Beginn der Produktion Hunderte von Zeuginnen und Zeugen interviewt. Wir sprachen mit den Zeug:innen des Krieges, den Kämpfer:innen, der Bevölkerung, wir hörten Hunderten von Menschen zu, die den Krieg damals persönlich erlebten. Als wir das Drehbuch schrieben, haben wir uns auf die wahren Geschichten beschränkt. Wir haben Şehîd Gelhat porträtiert, der als eine der unverzichtbaren Persönlichkeiten in diesem Widerstand bezeichnet werden kann. Wir haben die YPJ-Kommandantin Şehîd Zehra dargestellt, und noch viele weitere Figuren. Vor allem Gelhat, Zehra, Abu Leyla und Masiro sind unsere Hauptfiguren. Die genossenschaftlichen Beziehungen zwischen den Kämpferinnen gehören zu den bewegendsten Bildern.“
„Die Orte des Geschehens haben uns viel gelehrt“
Yaşar sagt zum Drehort Kobanê: „Wir haben nichts an den Orten, an denen die Geschichte stattgefunden hat, verändert. Wir haben kein Set für den Film aufgebaut. Das war für uns wichtig. Aber der Ort selbst hat sich drastisch verändert. Es gab weder ein Vorkriegs-Kobanê noch ein Nachkriegs-Kobanê. Nur ein sehr kleiner Bereich trägt noch Spuren dieser Zeit. Wir haben vor allem versucht, die Orte herauszufinden, an denen die Geschichte stattgefunden hat. Diese Orte haben uns viel gelehrt.“
„Die Menschen von Kobanê haben uns unterstützt“
Die Regisseurin weiter: „Wir hätten diesen Film nicht ohne die Menschen in Kobanê machen können. Als sie erfuhren, dass in ihrer eigenen Stadt ein Film über den Krieg gedreht werden sollte, kamen alle zur Unterstützung. Die Nebendarsteller:innen, die Menschen, die dort waren und gekämpft haben, und viele weitere Menschen haben an dem Film mitgewirkt. Tatsächlich haben wir die größte Unterstützung aus der Bevölkerung bekommen. Es gibt keine professionellen Schauspielerinnen und Schauspieler in dem Film. Alle sind Laiendarsteller. Zwei unserer Hauptdarsteller:innen hatten schon Erfahrung in Filmen. Bis auf die beiden waren alle Schauspieler:innen zum ersten Mal am Set. Sie haben herauszufinden versucht, was von der Figur erwartet wurde, und sich darauf eingestellt. Das war ein fruchtbarer Prozess. Für diejenigen, die noch nie an einem Filmset waren, war es ziemlich schwierig. Auch für uns war es schwierig. Alle haben hart gearbeitet und waren sehr motiviert. Es waren die Entschlossenheit und die Anstrengung, die am Set gezeigt wurde, die den Film ausmachen.“
„Die Kinder bewahren das Gedächtnis“
Auch Kinder haben zum Film beigetragen, sagt Özlem Yaşar: „Die Kinder in Kobanê haben uns geführt. Sie haben uns erzählt, welcher Kämpfer an welchem Ort gekämpft hat, wie er Widerstand geleistet hat und wo er gestorben ist. Kinder halten die Kriegserinnerungen lebendig. Das Engagement der Kinder bei den Dreharbeiten war unvergesslich.“
Dreharbeiten unter türkischen Angriffen
Yaşar berichtet über die Bedingungen der Dreharbeiten: „Rojava wird ständig von der Türkei bedroht. Leider haben diese Angriffe nie aufgehört. Ständig wurden zivile Gebiete und Siedlungen angegriffen. Wir haben den Film unter diesen Bedingungen gedreht. Während wir die Vorbereitungen für die Dreharbeiten trafen, fand die Besetzung von Serêkaniyê statt. Wegen des Krieges mussten wir die Dreharbeiten verschieben. Wir mussten die für die Dreharbeiten gebildeten Teams auflösen. Vor einem Jahr haben wir die Vorbereitungen wieder aufgenommen. Zu dieser Zeit gab es ernsthafte Invasionsdrohungen gegen Kobanê. Es gab Angriffe auf die Orte, an denen wir gedreht haben. Eine Stelle, die wir für den Film gebaut hatten, wurde eine Woche später getroffen. Während wir filmten, wurden die Orte im grenznahen Gebiet von der Türkei beschossen. Es sind dieselben Orte, an denen die Narben des Krieges noch lebendig sind. Zusätzlich zum Krieg und den Bedrohungen kam noch die Corona-Epidemie hinzu. All diese Hindernisse wurden überwunden und die Dreharbeiten konnten abgeschlossen werden. Wegen dieser Probleme haben wir sieben Monate gebraucht, um den Film zu drehen.“
„Das Schicksal unseres Films ähnelt dem des Widerstands“
„Das Schicksal unseres Films unterscheidet sich nicht so sehr vom Schicksal des Widerstands in Kobanê“, sagt Yaşar. „So wie Araber:innen, Turkmen:innen, Kurd:innen, Türk:innen und Internationalist:innen am Krieg in Kobanê teilgenommen haben, so haben auch Filmschaffende aus vielen Ländern an den Dreharbeiten teilgenommen. Filmschaffende aus Kurdistan, internationale Filmemacher:innen, Araber:innen und Turkmen:innen trugen zu unserem Film bei. Es gab eine starke Solidarität für den Kobanê-Film. Alle wollten etwas von sich für den Film geben und haben für den erfolgreichen Dreh des Films gearbeitet. Er kam dank der entschlossenen Solidarität zustande.“
„Die Dunkelheit ist vorbei“
Yaşar sagt, der IS habe nicht nur ein großes Gebiet besetzt, sondern auch die Hoffnung der Menschen auf eine „andere Welt“ angegriffen. Der Befreiungskampf der Frauen habe dieser Finsternis ein Ende gesetzt: „Es war ein Angriff auf das hier aufgebaute System, auf das Frauensystem. Es war ein Angriff auf die Errungenschaften der Frauenbefreiung und die Geschichte, die hier geschrieben wurde. Was die Menschen in den Widerstand zog, waren die Hoffnung und Überzeugung, dass eine andere Welt möglich ist. Der IS hat diese Hoffnung am stärksten angegriffen. Der Widerstand der YPJ wurde angegriffen. Es war ein Angriff auf den Glauben der Menschen an die Selbstverwaltung. Im Film ist die Tötung eines IS-Emirs durch Kommandantin Zehra ein Symbol für den Kampf und den Widerstand gegen die dunkle Mentalität des IS. Wir wollten die Kommandantinnen zeigen, die wie Zehra den Krieg in Kobanê angeführt haben."
„Ein Beitrag zur kurdischen Filmtradition“
Yaşar sieht den Film inspiriert durch weitere kurdische Filmemacher: „Mit unserer Arbeit wollen wir die Kinotradition von Yılmaz Güney und Halil Dağ fortführen. Mit dem Film wollen wir diese Tradition auf eine neue Ebene heben. Wenn uns das gelingt, werden wir glücklich sein.“
In Gedenken an Filmemacher Mazdek Ararat
Özlem Yaşar erinnert an den Filmemacher Mazdek Ararat, der einen großen Beitrag beim Schreiben des Drehbuchs und den Dreharbeiten für den Film „Kobanê“ geleistet hat und 2020 bei einem Verkehrsunfall während der Filmvorbereitungen in Kobanê ums Leben gekommen ist: „Unser Freund Mazdek hat viel für diesen Film gearbeitet. Mit seiner Überzeugung und seiner Entschlossenheit haben wir den Film gedreht und fertiggestellt. Das haben wir ihm zu verdanken.“
Wer ist Özlem Yaşar?
Özlem Yaşar wurde 1981 im Bezirk Sason im nordkurdische Êlih (tr. Batman) geboren. Sie schloss dort ihre Grund- und Sekundarschulausbildung ab. Ihr Interesse an der Kunst begann in der Oberschule. Sie nahm an Theatergruppen teil, schrieb Drehbücher für Theaterstücke, führte Regie und verfolgte aufmerksam die Entwicklungen in der kurdischen Musik, der Literatur, dem Theater und dem Kino. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und Drehbücher und spielte in dem Film „Dema Jin Hezbike“ unter der Regie von Halil Dağ, einem der führenden Regisseure in den Bergen Kurdistans, mit. Yaşar schrieb ein Drehbuch für einen Kurzfilm und führte Regie. Sie führte auch Regie bei dem Film Berfîn, der 2017 von Sine Çiya gedreht wurde.