Gedenken an den „hässlichen König“ in Paris

Vor 36 Jahren starb Yılmaz Güney im französischen Exil. Der Filmemacher, Drehbuchautor und Schauspieler gilt als Wegbereiter des kurdischen Kinos. An seinem Grab auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise ist ihm gedacht worden.

Seit nunmehr 36 Jahren ist Yılmaz Güney bereits tot, aber die „Legende vom hässlichen König“ ist auch heute noch mindestens drei von vier Menschen aus der Türkei ein Begriff. Der Filmemacher, der in den USA als eine Kombination aus Clint Eastwood, James Dean und Che Guevara“ gilt und in Frankreich der „Prinz der Gesetzlosen“ genannt wird, produzierte seinen mit Abstand bekanntesten Film Yol (Der Weg) aus seiner Zelle auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali heraus, wo heute Abdullah Öcalan seit mittlerweile über zwei Jahrzehnten inhaftiert ist. 1982 wurde Yol mit der Goldenen Palme in Cannes prämiert. Mit dem Film klagte Güney die Unterdrückungsmaschinerie des Systems und, im Schatten der modernen Großstädte, die fragwürdigen Feudalstrukturen des Mittelalters in den ländlichen Regionen an. Bevor sich Güney allerdings zu einem sozialistischen Kino für die Massen hinbewegte und damit den Weg des kurdischen Films ebnete, wirkte er in weit mehr als 100 Filmen als Schauspieler. Anlässlich seines nahenden Todestages ist ihm an seinem Grab auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise gedacht worden.

„In einer Zeit wie dieser, die geprägt ist von imperialistischen und kapitalistischen Kriegen, ist Kunst ein wichtiges Mittel zum Kampf. Unsere Verbundenheit gilt der revolutionären Kunst, deren Weg uns von Yılmaz Güney geebnet wurde. Gefallene und Revolutionäre sterben nicht. Der hässliche König lebt.“ – Aus der Rede zum Gedenken an Yılmaz Güney

 

Yılmaz Güney wird am 1. April 1937 in der südtürkischen Provinz Adana als Kind mittelloser kurdischer Eltern geboren. Mit neun Jahren beginnt er zu arbeiten, um die Familie zu unterstützen. Dabei fährt er mit dem Fahrrad von Dorf zu Dorf, um Filmbänder an die entlegenen Kinos auszuliefern. Das ist sein erster Kontakt mit dem Medium Film. Als er später zum Studieren nach Istanbul geht, lernt Güney dort den Filmemacher Atıf Yılmaz kennen, mit dem er im Alter von 20 Jahren seine ersten Filme dreht. In zahlreichen Filmen spielt er immer die gleiche Rolle: den „türkischen“ Robin Hood, und wird so zu einer Art Volksheld. Das reicht ihm aber nicht: Güney will selbst Kino machen, er will Filme mit sozialkritischer Aussage auf der Leinwand sehen. Sein Credo lautet: „Für mich ist Film ein Mittel zum antifaschistischen Kampf. Ein Mittel, die Leute auf Demokratie und Revolution vorzubereiten.“

Seine ersten Drehbücher schreibt Güney im Gefängnis. 1961 wird er das erste Mal verhaftet und wegen „kommunistischer Propaganda“ zu anderthalb Jahren Haft verurteilt – weil er den Satz „Wenn wir alle gleich wären, würden wir im Paradies leben“ in eine Kurzgeschichte schrieb. Den internationalen Durchbruch erhält Güney 1970 mit seinem Film Umut – Hoffnung. Nachdem 1971 der israelische Generalkonsul Ephraim Elrom in Istanbul durch Mahir Çayan, den Mitbegründer der Türkischen Volksbefreiungspartei-Front (THKP-C), und dessen Freunde entführt und später getötet wird, versteckt Güney die Flüchtigen bei sich zuhause. Es dauert nicht lange, bis er auffliegt und erneut zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, diesmal für zwei Jahre. 1974 wird ihm der Mord an einem Richter in Yumurtalık angelastet. Dafür erhält er 19 Jahre Haft. Es folgen die Filme Sürü (Die Herde, 1978), şman (Der Feind, 1979) und Yol, die Güney vom Gefängnis aus realisiert.

Yılmaz Güney auf der Gefängnisinsel Imrali | Fotos: Everest-Verlag

1981 entschließt sich Güney, während eines Hafturlaubs seine die Türkei zu verlassen. Sein Produzent Donat Keusch aus der Schweiz hilft ihm dabei: Die Flucht wird als Schauplatz-Suche für einen neuen Film getarnt. Im Golf von Antalya gelingt es ihnen, das Festland mit einem Boot Richtung Europa zu verlassen. In Frankreich erhalten Güney und seine Familie Asyl. Yol wird bereits kurz nach der Ankunft geschnitten.

Im französischen Exil dreht Güney seinen letzten Film: Duvar (Die Mauer,1983) – ein Gefängnisfilm und eine Metapher für seine Heimat, die als größtes aller Gefängnisse gilt. Seine Darsteller: 100 kurdische Kinder aus Paris und West-Berlin. Duvar ist die Geschichte von inhaftierten Kindern und Jugendlichen, die in einem „Zuchthaus“ sexuell missbraucht und gequält werden. Als bei einem Fluchtversuch ein Junge erschossen wird, rebellieren die Kinder. Güney prangert in quälend realistischen Bildern die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen an, die er selbst insgesamt zwölf Jahre lang erleben und ertragen musste.

1982 in Cannes

Gesundheitlich geht es Güney damals bereits äußerst schlecht. Aber erst nach der Premiere von Duvar lässt er sich endlich untersuchen - vom Arzt François Mitterrands, der Magenkrebs im letzten Stadium diagnostiziert. Am 9. September 1984 stirbt Güney mit 47 Jahren in Paris. An seinem Begräbnis nehmen fast 500.000 Menschen aus ganz Europa teil.