Yılmaz Güney schaffte 1982 einen Durchbruch für das kurdische Kino, als sein Film „Yol“ auf dem Filmfestival von Cannes mit der „Goldenen Palme“ ausgezeichnet wurde. Das kurdische Kino entwickelte sich allerdings nur langsam. Dies hat vor allem mit dem Kolonialstatus von Kurdistan zu tun, der alle Lebensbereiche durchdringt und jeglichen eigenen künstlerischen Ausdruck schon im Keim durch Verbots- und Assimilationspolitik angreift. Immer wieder entstanden im Kontext der Guerilla beeindruckende Filme wie der Spielfilm Berîtan von Halil Uysal (Halil Dağ), der die Geschichte der legendären Guerillakommandantin und Vorkämpferin der kurdischen Frauenfreiheitsbewegung, Gülnaz Karataş, erzählt. Karataş, mit Codenamen Berîtan, überlebte im Jahr 1992 nur 25 Tage im Kampfgebiet, bis ihr spektakulärer Tod sie bei Freund und Feind unvergesslich machte. Alle Darsteller*innen des Films sind Guerillakämpfer*innen, viele Gefechtsszenen wurden mit scharfer Munition und echten Granaten gedreht. Das Werk kann technisch mit weitaus aufwändigeren Produktionen mühelos mithalten – eine absolut erstaunliche Leistung des Filmteams.
Kurdischer Film vor der Revolution von Rojava
Wie in den anderen Teilen Kurdistans wurde auch in Rojava vor der Revolution die Entwicklung des kurdischen Films durch die Assimilationspolitik behindert. Deshalb ist es kaum möglich, von ernsthafter cineastischer Arbeit vor der Revolution von Rojava zu sprechen. Der Schwerpunkt der Arbeit lag eher auf Untergrundtheater mit dem Ziel der Bildung der Gesellschaft. Das Fehlen von Kinos in den mehrheitlich von Kurd*innen bewohnten Ortschaften war ein deutlicher Ausdruck dieser Situation. Şêro Hindê ist einer der Gründer der Filmkommune von Rojava (Komîna Film a Rojava). In einem Interview berichtet er über die Zeit vor der Gründung der Kommune und erzählt, dass es verschiedene Anläufe einer Gruppe von Menschen gab, die Interesse am Film hatten. „Nach diesen Initiativen begannen wir gemeinsam mit einer Gruppe von Menschen aus den anderen Teilen Kurdistans eine Ausbildung über das Filmemachen. Natürlich geschah dies mit den bescheidenen Mitteln, die damals zur Verfügung standen.“
Şêro Hindê
Yekta Herekol hat die Grundlage gelegt
Şêro Hindê spricht die Rolle von Yekta Herekol bei der Entwicklung der Filmkunst in Rojava an. Der Theateraktivist und Freiheitskämpfer Yekta Herekol war Anfang des 21. Jahrhundert prägend für das kurdische Theater und die Filmkunst. Er ist sowohl für seine künstlerischen Werke als auch für sein revolutionäres Engagement berühmt. Im März 2004 setzte er sich in Aleppo aus Protest gegen die Repression durch das syrische Regime mit dem Aufruf, den revolutionären Kampf zu verstärken, selbst in Brand. Hindê erklärt rückblickend: „Die Gruppe, deren Teil auch Yekta Herekol war, legte die erste Grundlage für die Filmkommune von Rojava. Nach der Revolution war es notwendig, eine Akademie aufzubauen, um den Filmsektor zu entwickeln. Trotz Krieg und Belagerung wurde am 27. März 2015 die Yekta-Herekol-Akademie gegründet. Die Akademie erhielt eine cineastische Fakultät. Dutzende junger Menschen werden an der Akademie ausgebildet.“
Die Gründung der Filmkommune
Die Filmkommune von Rojava wurde am 14. Juli 2015 in Dirbêsiyê (al-Darbasiyah) gegründet. Anschließend eröffnete sie 2016 einen Standort in Efrîn, 2018 einen weiteren in Kobanê und zuletzt einen in Qamişlo. Die Kommune besteht aus drei Abteilungen. Die eine dreht sich um Filmproduktion und Förderung von Kino in Rojava, die zweite um die Ausbildung und die dritte um den Aufbau von Szenenbildern.
Die Studierenden erhalten eine zwanzigtägige Ausbildung in Filmproduktion. Sie werden von Spezialist*innen unterrichtet und in die Lage versetzt, Kinofilme zu machen. So wurde beispielsweise der Film Ji bo Azadiyê von Ersin Çelik an der Akademie produziert. Seit der Gründung der Akademie wurden bereits etliche Filme gedreht. Während der türkischen Angriffe produzierte die Filmkommune gemeinsam mit „Welat - Zentrum für demokratische Kunst und Kultur“ Clips mit revolutionären Liedern. Filme der Kommune nahmen auch an internationalen Filmfestivals teil. So feierte Ji Bo Azadiyê seine Premiere auf dem 25. Internationalen Filmfestival im indischen Kalkutta.
Höchster Filmpreis von Mexiko
Der Film Bajarên Wêrankirî entstand ebenfalls mit Beteiligung der Filmkommune. Er wurde für den höchsten Filmpreis des Mexiko-Filmfestivals nominiert. Die Festivals der Filmkommune zeigten der Welt die Filme aus Rojava.
Safînas Ebdikî
Das kurdische Kino erreicht die Weltöffentlichkeit
Seit 2016 wurden bisher fünf internationale Filmfestivals von der Filmkommune von Rojava organisiert. Das erste Festival fand am 13. November 2016 im Gedenken an den Kinobrand von Amûdê statt. Am 13. November 1960 war es zu einer Tragödie gekommen, bei der 282 Kinder bei einer Filmvorführung im Kino von Amûdê verbrannten. An dem Tag wurde der ägyptische Film „Der Mitternachtsgeist“ als Teil einer „Woche der Solidarität“ mit den Unabhängigkeitskämpfen Algeriens gezeigt. Das syrische Regime zwang die Bevölkerung damals Geld für ihre „algerischen Brüder“ zu sammeln und ordnete in Amûdê an, dass alle Schülerinnen und Schüler das Kino besuchen mussten, um den genannten Film zu schauen. Das Kino hatte 200 Sitzplätze. Als das Feuer ausbrach, befanden sich mehr als 400 Kinder im Gebäude. Ob der Brand vom Regime organisiert wurde oder eine Überhitzung durch Überbeanspruchung dazu führte, dass das Abspielgerät plötzlich in Flammen stand, darüber wird noch heute spekuliert.
Über das Festival erzählt Safînas Ebdikî: „70 Filme aus verschiedensten Ländern der Welt nahmen an dem Festival teil. Beim zweiten Festival waren es schon 300. Das Festival wurde zu einem Wettbewerb. Das dritte Festival war dem Widerstand von Kobanê gewidmet. Es wurden 80 aus den 400 eingereichten Filmen gezeigt.“
Das vierte Festival musste wegen türkischer Invasion ausfallen
Das vierte Festival musste 2019 wegen der türkischen Invasion ausfallen. Das diesjährige Festival soll in Amûdê stattfinden. Ebdikî erklärt: „Wir wollen das Filmfestival zum Jahrestag des Kinobrands von Amûdê veranstalten. Das Festival wird mit der Unterstützung von vielen Filminstitutionen stattfinden.“ Die Filmkommune bereitet weitere Filme vor, um diese auf internationalen Festivals zu zeigen. Zwei Filme zur türkischen Besatzung und zur Frage der Identität sind bereits fertig. Das Bildungskomitee arbeitet außerdem an der Erstellung geeigneter Materialien, um die Anzahl der Menschen, die in der Kommune mitarbeiten, zu steigern.