Erdoğans Traum wurde von der Guerilla zerstört

Ein Blick auf die vergangenen vier Jahre des Krieges in Kurdistan zeigt die miserable Lage, in die sich das AKP/MHP-Regime mit seinen imperialen Ambitionen manövriert hat.

Krieg in Kurdistan

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat in einer seiner zahlreichen Erklärungen den Satz verwendet: „Wir führen den größten Kampf gegen den Terrorismus in der Geschichte der Republik.“ Dieser Satz war gleichzeitig ein Eingeständnis, dass der türkische Staat einen gigantischen Krieg gegen die Freiheitsguerilla Kurdistans führt. In den letzten vier Jahren ist der Staat mit all seinen Institutionen mobilisiert worden und hat sich mit jeder Faser in diesen Krieg gestürzt. Gleichzeitig versucht der Staat so zu tun, als ob alles unter Kontrolle sei und er sehr erfolgreiche Operationen durchführe. Er versucht, diesen gigantischen Krieg als normal erscheinen zu lassen. Da das Regime einen absoluten Sieg nicht verkünden kann, ohne sein Ziel vollständig erreicht zu haben, versucht es, die öffentliche Wahrnehmung so weit wie möglich zu beeinflussen. Dabei spielen die Spezialkriegsmedien und die psychologische Kriegsführung eine entscheidende Rolle. Mit völlig falschen und manipulativen Nachrichten wird versucht, die rassistischen und faschistischen Massen ständig in Bewegung zu halten, manchmal, indem man das Ausmaß des Krieges unsichtbar macht, und manchmal auch, indem man seine Bedeutung offiziell zum Ausdruck bringt.

Zweifelsohne hat dieses Vorgehen bisher eine gewisse Akzeptanz gefunden, aber je länger der Krieg andauert, desto mehr bekommt die Gesellschaft dessen verheerenden Folgen zu spüren. Daher werden das Narrativ und das Vorgehen des Staates nicht mehr so akzeptiert wie früher. Darüber hinaus ist es dem Staat nicht möglich, mit seiner Diskurskontrolle Erfolg zu haben, wenn es eine Kraft wie die Freiheitsguerilla Kurdistans gibt, die nicht zögert, die Wahrheit jederzeit ungeschminkt öffentlich zu machen.

Wenn man sich die offiziellen Erklärungen von 2021 bis heute ansieht, kann man leicht erkennen, wie verzweifelt der Staat sich permanent selbst widerspricht. Das gestern Gesagte ist das Gegenteil von dem, was heute gesagt wird. Jede der entscheidenden staatlichen Institutionen ist zu einem Propagandazentrum geworden. Während die Institutionen des Staates auf diese Weise agieren, befinden sich ihre Führungsriegen in einem Konkurrenzkampf, um ihren Anteil zu ergattern. Erdoğan hatte bereits ein- oder zweimal zuvor gesagt, dass „wir den größten Krieg gegen den Terrorismus in der Geschichte der Republik führen“. Der Verteidigungsminister muss sich gesagt haben, dass er es sei, der diesen Krieg führt, und so hat er die Messlatte noch höher gelegt. Als er anlässlich des Ramadan-Festes die Grenze besuchte, hatte erklärt: „Die türkischen Streitkräfte haben die intensivsten und effektivsten Aktivitäten seit unserem Unabhängigkeitskrieg durchgeführt.“

Der Traum von einem „neuen Atatürk“

Im Jahr 2015 setzte der türkische Staat einen „Niederwerfungsplan“ in die Tat um. Ein neues Regime auf der Grundlage neuer Allianzen begann, um das zweite Jahrhundert der Republik Türkei auf der Vernichtung und Verleugnung des kurdischen Volkes aufzubauen. Erdoğan begann als Gründungschef dieses Regimes davon zu träumen, der zweite Atatürk zu werden. Dazu musste es einen zweiten „Unabhängigkeits- oder Befreiungskrieg“ geben. Da ein solcher Krieg nicht gegen einen Staat, eine Welt- oder Regionalmacht geführt werden konnte, wurde das kurdische Volk, das bereits ein Jahrhundert lang von den türkischen Regimen massakriert und systematisch ermordet worden war, als idealer Feind auserkoren. Unter diesem Motto wurde mit dem Aufbau des heute bestehenden faschistischen Regimes begonnen und alle Ressourcen des Landes wurden für den Krieg mobilisiert.

Erdoğan plante, seinen endgültigen Sieg am 100. Jahrestag der Republik mit einer großen Militärparade zu verkünden, als siegreicher Führer, der die Fahne in Qendîl gehisst und den letzten Nagel in den Sarg der Kurden geschlagen hat. Dazu hätte er bis Oktober 2023 nach Qendîl vorrücken müssen, mit aktiver Unterstützung der NATO. Das war Erdoğans „Unabhängigkeitskrieg“. Indem wir uns die wichtigen Wendepunkte dieses Krieges ins Gedächtnis rufen, soll hier analysiert werden, wie dieser begann und wie er derzeit ausgetragen wird.

Die Niederlage von Gare und die Folgen

Hulusi Akar, der damalige Verteidigungsminister, hatte erklärt, dass die Anfang 2021 begonnene Offensive, die er als „Klauen-Blitz und Klauen-Donner“ bezeichnet hatte, bis zum Herbst des Jahres abgeschlossen sein würde. Sie sollte ganz Avaşîn sowie große Teile von Zap und Metîna umfassen. Der Angriff sollte, wie er sagte, so schnell wie „Blitz und Donner“ erfolgen, und das geplante Ziel musste so schnell wie möglich erreicht werden. Zu diesem Zweck erhielt der türkische Staat sowohl die Zustimmung als auch die Unterstützung internationaler und einiger regionaler Mächte. Insbesondere sicherte man sich jede Art von Unterstützung durch die NATO. Der viertägige Angriff auf Gare erfolgte vom 10. bis 14. Februar 2021. Die von Erdoğan einige Tage zuvor mit den Worten „Ich werde in den nächsten Tagen eine gute Nachricht haben“ angekündigte Operation endete in einem Fiasko. Daher wurde ein weiterer Angriff als Plan B eingeleitet. Die Niederlage von Gare wäre ein Thema für sich, daher möchte ich nur kurz daran erinnern, denn wir können die Situation nicht vollständig verstehen, wenn wir den viertägigen Angriff nicht in das Bild mit einbeziehen. Der derzeitige Krieg ist also die Fortsetzung des Angriffs auf Gare.

Sie wurden mit Überraschungen durch die Guerilla empfangen

Am 23. und 24. Mai 2021 begann die türkische Armee, sich blitzschnell von den Gipfeln in Avaşîn, wo sie zuvor mit Hubschraubern gelandet war, in die Region hineinzubewegen. Bis zum 1. Juni 2021 kam es zu heftigen Gefechten, und schließlich mussten sich die türkischen Truppen ebenso blitzschnell wieder auf die Gipfel zurückziehen, auf denen sie zuvor abgesetzt worden waren. Wie Hulusi Akar sagte, war es ihr Ziel, schnell vorzurücken und die Operation bis zum Herbst abzuschließen. Es ging darum, bis nach Qendîl vorzudringen. Die Invasionstruppen, die schnell vorrückten, erlebten eine böse Überraschung. Einige Tage später musste Hulusi Akar sagen: „Das Gelände ist zu steil, die Hubschrauber finden keinen Landeplatz.“ Die Guerilla erlitt nicht wie erhofft Verluste durch die schweren Bombardierungen und gab ihre Stellungen und das Gelände nicht auf. Darüber hinaus begann sie, selbst in die Offensive zu gehen und den Besatzungstruppen schwere Schläge zu versetzen. Mit dieser Situation hatten die türkischen Strategen nicht gerechnet.

PDK als Retterin der türkischen Ambitionen

Als sich die türkische Armee am 1. Juni 2021 in Avaşîn zurückzog, kam die PDK sofort zur Hilfe und schickte am 5. Juni einen Militärkonvoi mit gepanzerten Fahrzeugen und Baumaterial nach Metîna. Es kam zu Zusammenstößen, als die PDK-Einheiten in Metîna versuchten, gegen die Guerilla in den Kriegstunneln im Gebiet Çarçel vorzugehen. Nach den Zusammenstößen und der damit geschaffenen Provokation begann der türkische Staat, ohne Zeit zu verlieren, am 7. Juni 2021 erneut Truppen in Avaşîn zu landen und vorzurücken. Dann errichtete die PDK in Çarçel drei separate Festungen. Die dortigen Guerillakräfte waren gezwungen, einige der von ihnen angelegten Kriegstunnel aufzugeben, um eine innerkurdische Konfrontation zu vermeiden. Am 9., 10. und 11. September 2023 landete die türkische Armee Truppen in den von der PDK errichteten Stützpunkten in Çarçel. Diese Stützpunkte dienen bis heute als Kommandozentrale für die laufenden Angriffe in Metîna. Die türkische Armee beendete ihre Anfang 2021 begonnene Invasion mit dem Rückzug aus vielen Gebieten in Avaşîn, Zap und Metîna zum Jahresende und verschob die Fortsetzung auf 2022.

Diesmal hieß es „Klauen-Schloss“

Der türkische Besatzungsstaat kündigte eine neue Offensive an, diesmal unter dem Namen „Klauen-Schloss“. Dieser neue Name zeigt bereits die sinkenden Erfolgsaussichten der Armee. Aus Blitz und Donner sollte nun ein Schloss, also eine Einkreisung und Belagerung der Guerillagebiete werden. Nach dem 14. April 2022 wurden die Luftangriffe intensiviert, und am Abend des 17. April 2022 begannen Hubschrauber mit der Landung von Truppen auf fast allen Gipfeln im Osten des Zap. Vom 17. April bis zum 24. Mai fand die heftigste Schlacht in der Geschichte Kurdistans statt.

Die Guerilla hatte mit einem solchen umfassenden Invasionsangriff gerechnet und nutzte dementsprechend jede Gelegenheit. Die Vorbereitungen, die neuen Formen des Vorgehens der Guerilla und die angewandten Taktiken verblüfften die türkische Armee. Weder bewaffnete Drohnen noch F16-Kampfjets konnten verhindern, dass türkische Hubschrauber abgeschossen oder getroffen wurden. Die türkische Armee musste ihre Toten und Verwundeten in Şîladizê mithilfe der PDK aus dem Kampfgebiet evakuieren. Vor allem in der Gegend von Kuro Jahro begann man, die Toten und Verwundetenauf Maultieren abzutransportieren, da sich die Hubschrauber nicht mehr nähern konnten.

Am 24. Mai versetzte die Guerilla der türkischen Armee einen tödlichen Schlag; in den Gebieten Kuro Jahro und Cehennem wurden revolutionäre Operationen durchgeführt. Nun waren es die Guerillakräfte, die schnell wie der Blitz und tödlich zuschlugen. Die Verluste, die die türkische Armee bei diesen revolutionären Operationen erlitten hatte, ließen sich nicht mehr verbergen.

Der türkische Angriff wird ausgeweitet

Im Kommandostab der türkischen Armee verbreitete sich Unruhe. Hulusi Akar, der noch am selben Tag an der Grenzlinie eintraf, gab nach einer Besprechung mit dem Kommando den Befehl zum Weitermachen. Darüber hinaus weitete er den Angriff auf einige Gebiete im Westen von Zap und Metîna aus, um die Verunsicherung in der Führungsriege zu schwächen und der Guerilla seine Entschlossenheit zu zeigen. Hulusi Akar muss geglaubt haben, dass der systematische Einsatz von Chemiewaffen und unkonventionellen Bomben sicher zu Ergebnissen führen würde, da er in mehreren Erklärungen sagte: „Wir werden diese Aufgabe zu Ende bringen und dieses Schloss bis zum Herbst schließen.“ Die Guerilla leistete Widerstand und kämpfte mit übermenschlichem Willen. Sie leistete unerbittlichen Widerstand gegen alle Arten von schwerem Bombardement, chemischen Waffen und unkonventionellen Bomben.

Die Rechnung ging nicht auf

Die türkische Armee befand sich in einer großen Notlage. Ihre Berechnungen gingen nicht auf, fast wöchentlich reisten Regierungsvertreter an die Grenzlinie. Die Versorgung der in steilem Gelände und auf den Gipfeln zurückgebliebenen Soldaten mit Nachschub und die Evakuierung von Verwundeten war nun ein Problem für sich. Dutzende Hubschrauber wurden getroffen und abgeschossen. Darüber hinaus wurden Fotos und Bilder von Leichen der von der Guerilla getöteten Soldaten an die Öffentlichkeit gebracht. So wurden die falschen Geschichten vom Heldentum, die von den Spezialkriegsmedien jeden Tag erzählt wurden, zunichtegemacht. Schließlich kamen die Herbst- und Wintermonate, und auch hier hatte man sich verkalkuliert. Die türkische Armee musste sich vielerorts Hals über Kopf zurückziehen, um sich vor den tödlichen Schlägen der Guerilla zu retten.

Die Zeit bis Oktober 2023 wurde knapp

Die türkische Armee begann ihre Offensive im Jahr 2023 später als in den Vorjahren. Aufgrund der Erdbeben im Februar und dem darauffolgenden Wahlkampf sowie den Veränderungen auf der Kommandoebene begann der Invasionsangriff erst in der Mitte des Jahres. Zunächst wurden Truppen an den Stellen abgesetzt, von denen sie sich im Vorjahr hatte zurückziehen müssen. Das entscheidende Datum war die erneute Luftlandung von Truppen in Girê Cûdî am 20. Juli. In der Zwischenzeit stand die türkische Armee unter Hochdruck, denn sie musste bis Oktober den Sieg erklären. Sie konnte das Hindernis der Guerilla nicht überwinden und musste innerhalb eines Monats einen Rückschlag nach dem anderen hinnehmen. Die türkische Armee sah es als Ausweg an, in aller Stille die Kommandostruktur auszutauschen. Am 9. September begann sie dann mit der Anlandung von Truppen in Amêdî, von wo sie sich wieder zurückziehen musste. Im Gebiet Çarçel in Metîna, wo die PDK seit dem 5. Juni 2021 Straßen und Festungen gebaut hatte, wurden ebenfalls Truppen zusammengezogen. Der Hauptunterschied bestand darin, dass die Truppen direkt auf den Stützpunkten landeten, die die PDK in den Vorjahren in diesen Gebieten errichtet hatte, und dass sie auch von der PDK über die von ihr errichteten Wege transportiert wurden. Gleichzeitig wurden mithilfe der PDK die Transporte von Panzerfahrzeugen und Baumaschinen verstärkt.

Trotz der PDK gingen die schweren Verluste weiter

Dies stellte eine große Erleichterung für die türkische Armee dar, da die Guerillakräfte bei Angriffen und insbesondere bei der Landung von Truppen häufig Hubschrauber abschossen oder zerstörten. Diesen Vorteil, den die Kollaborateure der PDK boten, wollte sie nutzen. Daher beschloss die türkische Armee, sich im Winter nicht wie in den Jahren zuvor aus den Gebieten Amedî und Girê Cûdî zurückzuziehen. Zu diesem Zweck errichtete sie mit Unterstützung der PDK Stützpunkte und begann, eine Sicherheitslinie um diese Militärstützpunkte herum zu schaffen. Um die Gipfel, auf denen die türkische Armee positioniert war, zu erreichen, mussten zwei oder drei Sicherheitslinien der PDK überquert werden. Trotz alledem führte die Guerilla in den Herbst- und Wintermonaten systematisch koordinierte Aktionen und revolutionäre Operationen durch, die in Form von Videomaterial und Dokumentationen in allen Einzelheiten öffentlich gemacht wurden. So wurde deutlich, dass auch die vom türkischen Staat mithilfe der PDK geschaffene Strategie zusammengebrochen war.

Peinliche Hundertjahresfeier

Erdoğans Träume, zu Beginn des zweiten Jahrhunderts der Republik eine Flagge in Qendîl zu hissen und der zweite Atatürk zu werden, zerschlugen sich, und die mit pompösen Aufwand geplante Siegesparade wurde durch eine bittere und gewöhnliche Zeremonie ersetzt. Interessanterweise zeigte nicht die MHP als wichtigster Partner des Erdoğan-Regimes Loyalität. Es war die PDK, die ihre Verbundenheit mit dem Regime in Ankara demonstrierte, indem Nêçirvan Barzani an einem in Hewlêr (Erbil) organisierten Empfang zur Hundertjahrfeier der türkischen Republiksgründung teilnahm und den Kuchen anschnitt. Dies war eine wichtige Botschaft an Erdogan, die besagte: „Gib nicht auf, wir sind bei dir, wir können es noch schaffen.“

Schicksalsgemeinschaft aus AKP, MHP und PDK

Das AKP/MHP-Regime und die PDK sind eine Art Schicksalsgemeinschaft, und sie sind gleichzeitig politisch und wirtschaftlich voneinander abhängig. Während das auf der Vernichtung der Kurd:innen aufgebaute faschistische AKP/MHP-Regime mit voller Wucht auf den Widerstand der Guerilla krachte und schwere Schäden erlitt, stehen der Barzanî-Clan und seine PDK nun demaskiert mitten in diesem Krieg. Die aktuelle Situation ist dem Widerstand der Guerilla zu verdanken. Während die Guerilla kämpft, zerbricht das faschistische AKP/MHP-Regime immer mehr. Mit diesem fortschreitenden Zusammenbruch gerät die PDK in immer größere Panik, da mit dem Ende des türkischen Faschismus auch ihre Existenzgrundlage erodiert und ihr wahres Gesicht immer mehr zum Vorschein kommt. So wurde die Guerilla offiziell zum gemeinsamen Feind erklärt. Die PDK muss alles in die Waagschale werfen, um das Schicksal des AKP/MHP-Regimes, das auch das ihre ist, abzuwenden. Sie ist Vollstreckerin eines Systems, das basierend auf einem Genozid am kurdischen Volk vor hundert Jahren aufgebaut wurde. Sie ist bestrebt, die Politik des Völkermords fortzusetzen und davon zu profitieren, weshalb sie beharrlich an diesem Status quo festhält.

Die Guerilla überwindet Sicherheitsbarrieren der PDK

Die türkische Armee, deren Strategie auf der Grundlage der Unterstützung der PDK ebenfalls zusammenbrach, geriet allmählich in eine Sackgasse. Ein solches Problem war, dass wenn man einen Hauptgipfel halten wollte, man auch mehrere Nebengipfel in der Umgebung kontrollieren muss, um Angriffe auf den Hauptgipfel zu verhindern. Aber um Angriffe zu verhindern, müssen weitere Gipfel gehalten werden und so weiter. So war die türkische Armee mit einer Situation konfrontiert, die jeden Tag neue Überraschungen bot. Deshalb bat sie die PDK um Hilfe. Die Guerillakräfte überwanden jedoch geschickt alle Sicherheitsbarrieren der PDK und schafften es, in Stellungen der türkischen Armee einzudringen, sie anzugreifen und auszuschalten. Jetzt ist die Situation für die türkische Armee noch unhaltbarer geworden, denn sie hat in vielen Gebieten schnell Truppen stationiert, die sie nicht schützen kann. Die Guerilla beherrscht alle Dimensionen des Geländes und entwickelt immer tödlichere Taktiken, die in keiner Weise mit denen der vergangenen Jahre vergleichbar sind. So werden zum Beispiel Luftangriffe, revolutionäre Operationen, koordinierte Guerillaaktionen und die Beherrschung militärischer Waffengattungen immer ausgefeilter, und so natürlich auch die Taktik der Kriegstunnel. Wie tödlich die neuen Taktiken der Guerilla in den letzten zwei Jahren geworden sind, lässt sich an den Erklärungen türkischer Staatsvertreter ablesen.

Unterstützung der NATO und Kollaboration des Irak

Nach ihrer historischen Niederlage stand die Türkei erneut bei den USA und der NATO vor der Tür und bat um Hilfe. Sie berief sich auf Artikel 105 der NATO. Damit zwangen die USA und die NATO der irakischen Zentralregierung eine Zusammenarbeit mit dem türkischen Staat auf, die keinerlei völkerrechtliche Grundlage hat. Die PDK hatte bereits aktiv mit dem türkischen Staat zusammengearbeitet, aber in der neuen Situation kam die irakische Zentralregierung hinzu.

Der Staat produziert Verbrechen am laufenden Band und beutet die Gesellschaft aus

Wenn wir auf die vergangenen hundert Jahre blicken, so konnten die kemalistischen Regime all ihrer Massaker zum Trotz den Willen des kurdischen Volkes und seine Entschlossenheit zum Widerstand nicht brechen. Der Staat schuf eine tief verankerte Kurdenfeindschaft und einen rassistischen Mob, der jederzeit mobilisiert werden kann. Diese Situation wurde allmählich zu einem magischen Schlüssel für die herrschenden Cliquen, um von den Segnungen des Staates zu profitieren und an der Macht zu bleiben. Diejenigen, die sonst nichts konnten, begannen die Machtzentren einzig und allein auf der Grundlage der Kurdenfeindlichkeit zu besetzen. Erdoğan und seine Interessenpartner gehören zu diesen unqualifizierten und lumpenhaften Gestalten. Der Unterschied zwischen ihnen und den früheren Machtzentren besteht also darin, dass sie von niedrigem Kaliber sind und keine humanitären oder moralischen Regeln anerkennen. Nach 100 Jahren dieser Art von Gesellschaft und staatlicher Bürokratie, die auf der Grundlage der Kurdenfeindschaft geschaffen wurden, passte Erdoğan an der Spitze dieses Staates, wie der Deckel auf den Topf .

Die kurdische Freiheitsbewegung konnte voraussehen, dass Erdoğan am Ende ein großes Massaker an den Kurd:innen verüben würde, um seine Macht zu erhalten und sein eigenes despotisches Regime zu errichten. Schließlich begann Erdoğan zu erklären, er sei kurdenfeindlicher als jeder andere. Die etablierten Faschisten begannen, ihm stehende Ovationen zu geben, ihm auf die Schulter zu klopfen und alle Ressourcen des Landes für seinen Triumphzug zu mobilisieren. So errichtete der Staat ein Spezialkriegsregime für Erdoğan. Der Dialog mit den Kurd:innen wurde gekippt und der Krieg eskalierte im Juli 2015.

Dieser Krieg hat viele Phasen durchlaufen und dauert in voller Intensität an. Erdoğan wollte am 29. Oktober 2023 seinen Sieg verkünden. Die Kurden leisteten Widerstand und dieser Widerstand verhinderte den Erfolg der türkischen Kriegspolitik. Im Gegenteil, sie geriet in eine große Sackgasse. Die anderen Machtzentren der etablierten Ordnung begannen mit dem Finger auf Erdoğan zu zeigen. Deshalb reagieren der türkische Verteidigungsminister und Erdoğan, indem sie diesen Krieg mit dem „Unabhängigkeitskrieg“ gleichsetzen. Sie sagen: „Wir befinden uns in einem Unabhängigkeitskrieg; entweder seid ihr auf unserer Seite oder auf der Seite des Feindes.“ Der türkische Staat ist durch seine jahrhundertelange Politik des Völkermords an den Kurd:innen an einem Punkt angelangt, an dem er sich in eine kriminelle Maschine und ein Monster verwandelt hat, das die Gesellschaft auffrisst. Wir können diese konkrete Situation am besten an den Ergebnissen des Krieges sehen.

Die Bilanz der vergangenen vier Jahre

Insbesondere die Zahlen der letzten vier Jahre vermitteln ein klares Bild davon, wie die türkische Armee in diesem Krieg scheitert und sich in diesem Sumpf abmüht.

* Von Januar 2021 bis zum 30. Juli 2024 führte die türkische Armee 9.949 Luftangriffe mit F-16-Kampfjets durch.

* Kampfhubschrauber, Haubitzen, Mörser und Kamikaze-Drohnen griffen 6.745 Mal an.

* Elfmal wurden taktische Nuklearwaffen und 5.284 Mal unkonventionelle Bomben und chemische Waffen eingesetzt.

* Insgesamt fanden in 31 Monaten 21.953 Bombardierungen statt.

* Von Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2020 hat die türkische Armee 2.856 Luftangriffe und 3.388 Bodenangriffe (Mörser und Haubitzen) durchgeführt.

* Vom 30. Juli 2015 bis zum 30. Juli 2024 wurden also insgesamt 28.197 Bombardierungen durchgeführt.

* In nur neun Jahren, d.h. von Juli 2015 bis zum 30. Juli 2024, wurden insgesamt 12 Millionen Tonnen Bomben und 23 Millionen Tonnen Munition und Munition eingesetzt.

Im Lichte dieser Daten zeigt sich, wie sich die türkische Armee selbst auf dem Schlachtfeld aufreibt. Wenn man auf die Guerilla blickt, wie sie mit immer neuen Innovationen am Boden und aus der Luft die türkische Armee angreift, kann man nur von einer echten militärischen Revolution sprechen.