Die Gefahr in Südkurdistan wird verkannt

„Behdînan wird niedergebrannt. Es brennt überall. Wälder, Gärten, Felder, alles wird angezündet. Dörfer werden bombardiert, Hunderte Dörfer sind entvölkert worden“, berichtet Besê Hozat (KCK) über den Militäreinsatz der Türkei im Nordirak.

Interview mit Besê Hozat (KCK)

Besê Hozat, Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) hat sich in einer Sondersendung bei Medya Haber TV zu aktuellen Fragen geäußert. Es folgen Ausschnitte aus dem ausführlichen Interview:

Die Gefahr in Südkurdistan wird verkannt

In der gegenwärtigen Situation hat die türkische Armee die PDK auf ihre Seite geholt und sich die Unterstützung des Irak gesichert. Damit versucht sie, die Guerilla zu liquidieren und Başûrê Kurdistanê [Südkurdistan] vollständig zu besetzen und zu annektieren. Der türkische Staat hat dafür all seine Kräfte mobilisiert, aber er kann keine Ergebnisse erzielen. Er erleidet überall große Schläge und verheimlicht es vor der Gesellschaft. Was gegenwärtig in Südkurdistan betrieben wird, ist eine Politik des Völkermords an den Kurdinnen und Kurden. Es ist eine Politik der Besetzung und Annexion. Die Regierung von Başûr, insbesondere die PDK, begeht Verrat. Einige Kreise sind nicht dabei, aber sie sind sich dieser Tatsache nicht ausreichend bewusst. Unser Volk und andere Organisationen als die PDK, die YNK, Gorran, islamische Organisationen, die Gesellschaft, die Stämme sollten die Realität sehen: Der türkische Staat betreibt derzeit eine Politik des Völkermordes, der Besatzung und der Annexion in Başûr.

Systematischer Vernichtungsfeldzug

Behdînan wird niedergebrannt. Es brennt überall. Wälder, Gärten, Felder, alles wird angezündet. Die Dörfer werden bombardiert, Hunderte Dörfer sind entvölkert worden. Die ländlichen Gebiete sollen vollständig übernommen werden. 1993 und 1994 wurden 4000 Dörfer in Bakurê Kurdistanê [Nordkurdistan] zerstört. Dieselbe Politik wird jetzt in Başûr umgesetzt. Der türkische Staat ist Feind der Kurdinnen und Kurden, er ist Feind ihres Landes, ihrer Bäume, ihrer Tiere und sogar ihrer Gräber. Er baut Stützpunkte auf Friedhöfen, er zerstört die Landschaft und vernichtet die Geschichte und das historische Gedächtnis. Das ist Völkermord. Es wird ein systematischer Völkermord betrieben.

Vor Mosul und Kerkûk steht nur die Guerilla

Auch der Verrat ist grenzenlos. Başûrê Kurdistanê ist an den türkischen Staat verhökert worden. Türkische Staatsvertreter sprechen ständig von 40 bis 45 Kilometern. Dieses Gebiet ist ihnen von der PDK und dem Irak verkauft worden. Sie verkünden lautstark, eine Pufferzone einzurichten und es zu annektieren. Es geht auch nicht nur um 45 Kilometer, das verkaufte Gebiet reicht bis über Mosul hinaus. Es gibt Berichte darüber und die uns vorliegenden Informationen werden durch das gegenwärtige Vorgehen bestätigt. Wenn es gelingt, die Guerilla zu überwinden, wird der türkische Staat in Mosul und Kerkûk einfallen. Die türkische Strategie ist darauf ausgerichtet, Südkurdistan einschließlich Mosul und Kerkûk zu besetzen und zu annektieren.

Schmutzige Deals

Zu dieser Strategie gehört auch die politische, wirtschaftliche und militärische Hegemonie des türkischen Staates im Irak. Beispielsweise werden im Rahmen des sogenannten Entwicklungsstraßenprojekts überall Kräfte entsandt, der Geheimdienst organisiert sich, die Besatzung weitet sich aus und wird legitimiert. Eine Delegation aus dem Irak wird auch in die Türkei fahren. Es gibt sehr schmutzige Verhandlungen und Inhalt dieses Deals sind kurdische Werte, kurdische Blut und kurdisches Leben. Die Kurdinnen und Kurden sollen eine finstere Zukunft haben. Die kurdische Gesellschaft muss endlich aufwachen.

Internationale Dimension der kurdischen Frage

Der kurdische Freiheitskampf ist keine Frage, die nur mit dem türkischen Staat gelöst werden kann oder auf ihn beschränkt ist. Er hat eine regionale Dimension und ist zu einem internationalen Problem geworden. Die Kurdinnen und Kurden haben Gewicht in der Balance der Weltpolitik. Niemand kann diese Tatsache leugnen, niemand kann Politik machen, indem er sie leugnet. Die Guerilla stellt die zweitgrößte Armee der NATO taktisch und technisch vor eine echte Herausforderung. Die türkische Armee liegt in Trümmern. Sie führt seit vier Jahren ohne Unterbrechung einen Totalangriff mit allen möglichen Techniken durch und verwendet alle Arten von schmutzigen Methoden. Sie setzt chemische und andere verbotene Waffen ein, aber sie kann keine Ergebnisse erzielen. Die Guerilla hat sich entsprechend der Realität dieser Zeit modernisiert, hat sich mit dem Verständnis der demokratischen Moderne strukturiert, hat eine neue Taktik, ein neues Verständnis, einen neuen Stil erlangt, hat sich technologisch ausgerüstet und entwickelt dies schrittweise weiter. Die Auswirkungen davon werden in den kommenden Jahren auch in Bakur immer stärker zu spüren sein. Mit dem neu strukturierten Verständnis der demokratischen Moderne wird dieser legitime Kampf in stärkster Form fortgesetzt werden, davon bin ich überzeugt.