Amed Dicle: Die PDK bildet das Zentrum des Angriffsplans
Der Journalist Amed Dicle sieht die PDK als zentrales Element in der Angriffsstrategie der Türkei. Eine weitere Eskalationsstufe des Krieges in Südkurdistan droht.
Der Journalist Amed Dicle sieht die PDK als zentrales Element in der Angriffsstrategie der Türkei. Eine weitere Eskalationsstufe des Krieges in Südkurdistan droht.
Die Türkei bereitet einen neuen umfassenden Angriff auf Südkurdistan und Rojava vor. Für die Großinvasion setzt der türkische Staat besonders stark auf die korrupte PDK-Elite in der Kurdistan-Region im Irak. Am 4. März kündigte Präsident Erdoğan nach einer Kabinettssitzung in Ankara eine Operation zur Sicherung der Südgrenze an. Gleichzeitig findet seit Monaten intensiver diplomatischer Verkehr zwischen Ankara, Bagdad, Washington und Hewlêr (Erbil) statt. Am 14. März waren der türkische Außenminister Hakan Fidan, Verteidigungsminister Yaşar Güler und MIT-Chef Ibrahim Kalın zu Gesprächen mit irakischen Regierungsvertretern in Bagdad. In der gemeinsamen Erklärung, die nach dem Treffen herausgegeben wurde, hieß es: „Die Parteien erörterten Maßnahmen, die gegen die Organisation und ihre Ableger, welche von irakischen Territorium aus auf die Türkei abzielen, zu ergreifen sind.“
Der Journalist Amed Dicle verfolgt die Geschehnisse und hat sich gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya zu den Entwicklungen geäußert. Er sagt, dass sich die Türkei dauerhaft in Südkurdistan und in Nord- und Ostsyrien festsetzen und einen Status für Kurdistan verhindern will.
„Die Türkei weiß, dass ein offizieller Status von Südkurdistan oder Rojava die Kurden in Nordkurdistan motivieren wird“, erklärte Dicle. „Aus diesem Grund bekämpft sie die kurdische Seite über ihre eigenen Grenzen hinaus und zielt dabei nicht allein auf die Unterdrückung des kurdischen Freiheitskampfes ab. Mit der Besetzung von Südkurdistan und Rojava soll die Vorherrschaft über den Irak und Syrien erlangt werden. Die Türkei soll ein Machtzentrum in der Region werden.“
„Das Ziel ist die Besetzung Kurdistans“
Dicle wies darauf hin, dass Außenminister Hakan Fidan seit kurzem neue Begriffe wie „Terrordiplomatie“ und „Terroristan“ verwende. „Die Türkei hat nach 2017 große militärische Angriffe durchgeführt, insbesondere auf Rojava und Südkurdistan. Sie hat 2018 Efrîn, 2019 Serêkaniyê und Girê Spî und in der gleichen Woche Heftanîn angegriffen. Der Angriff auf Zap, Metîna und Avaşîn unter dem Namen ‚Operation Klauenschloss‘ dauert noch an. Die Türkei hat erkannt, dass sie nicht allein durch militärische Angriffe aus der Luft und durch die Besetzung bestimmter Stellungen am Boden Erfolge erzielen kann. Nach einer Planung aus dem Jahr 2014 hatte die Türkei das Ziel, Kurdistan bereits 2023 im Jahr ihres hundertjährigen Bestehens zu besetzen und die kurdische Politik zu neutralisieren. Doch auch im Jahr 2023 konnte der kurdische Kampf nicht unterdrückt werden, obwohl die Kurden sehr große Opfer bringen mussten. Auch die Türkei sieht diese Realität und sagt: ‚Wir können nicht ohne Hilfe anderer Kräfte gewinnen.‘“
„Eingeständnis, den Krieg verloren zu haben“
Daher wolle die Türkei insbesondere Kräfte wie die PDK, aber auch den Iran und den Irak stärker in den Krieg einbinden und führe auf der anderen Seite Gespräche mit den USA, Großbritannien und weiteren europäischen Ländern, so Amed Dicle: „Die Türkei betreibt Diplomatie, um diejenigen, die in den Kriegsprozess involviert sind, stärker einzubinden und diejenigen, die es nicht sind, zu neutralisieren. Dies ist auch ein Eingeständnis, dass die Türkei den Krieg, den sie seit Jahren führt, verloren hat.“
Trotz 50.000 Soldaten keine Kontrolle über das Gebiet
Die Türkei habe schon immer den Plan verfolgt, eine Bodeninvasion auf Nord- und Ostsyrien zu starten. Sie sei aber aufgrund der diplomatischen Situation, des Gaza-Krieges und der Erfahrungen aus den Angriffen auf Efrîn, Girê Spî und Serêkaniyê vorläufig nicht dazu in der Lage gewesen. Die Türkei habe in ihren Gesprächen mit den USA den Rat erhalten, dass die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien ihren Einfluss verliere, wenn die PKK ausgeschaltet werde, so Amed Dicle. Er folgerte: „Die Türkei verfolgt den Ansatz, in Südkurdistan einzumarschieren und den dort bestehenden Status aufzulösen. Wenn das nicht geht, dann soll die Region auf andere Weise unter Kontrolle gebracht werden. Der türkische Staat will das Gebiet bis Mosul, Kerkûk und Şengal kontrollieren. Auf diese Weise soll auch Rojava die Luft zum Atmen genommen werden. Die Türkei spricht es nicht offen aus, aber dieses Kriegskonzept wird auch in der jüngsten Zeit weiter umgesetzt. In diesem Jahr sollen die Angriffe fortgesetzt und dafür neue Wege geöffnet werden. Die Türkei ist schon vorher in der Region eingerückt und hat dort 50.000 Soldaten stationiert, aber sie konnte bisher keine vollständige Kontrolle erreichen.“ Für eine neue Invasion versuche die türkische Regierung, insbesondere die Unterstützung des Iraks zu erhalten. Um dies zu legitimieren, werde der Vorwand der „Terrorbekämpfung“ ins Feld geführt.
Die Rolle der PDK
In Bezug auf die Rolle der PDK im Rahmen des Abkommens mit dem Irak sagte Dicle: „Es sollen bestimmte Gebiete in Gare angegriffen werden, außerdem sollen bestimmte strategische Positionen bei Mosul besetzt und kontrolliert werden. Die Türkei möchte, dass die PDK stärker in diesen Krieg einbezogen wird, und es wurde bereits eine gemeinsame Koordination eingerichtet. Murat Karayılan, Mitglied des PKK-Exekutivkomitees, sagte: ‚Wir haben gehört, dass PDK-Spezialeinheiten angewiesen wurden, sich bis Ende März bereit zu machen. Nach uns vorliegenden Informationen hat Mesûd Barzanî führende Personen aus der Bevölkerung in den Regionen Dêrelok, Şîladizê und Amêdî aufgefordert, mit der Türkei zu kooperieren, und gedroht, dass diejenigen, die mit der PKK zusammenarbeiteten, verhaftet würden.' Die PDK erklärte gegenüber der Türkei, eine alleinige Präsenz ihrer Truppen reiche nicht aus. Die Entscheidung müsse von der Regionalregierung legitimiert werden. Dies würde dann sowohl für Legitimität gegenüber den in der Region lebenden Kurdinnen und Kurden als auch gegenüber der internationalen Staatenwelt sorgen. Zu diesem Zweck führt die Türkei gelegentlich Gespräche mit der YNK und bedroht sie andererseits. Sie trifft sich auch mit anderen politischen Parteien und Personen, die in der Region Macht haben.“
„Barzanîs Neffe traf sich mit Vertretern der Türkei“
Dicle berichtete auch von Treffen zwischen PDK-Kräften in irakischen Uniformen und türkischen Militärs. Daran habe unter anderem ein Neffe von Mesûd Barzanî teilgenommen. Mit dem Hinweis, dass die irakische Armee möglicherweise nichts von diesen Kontakten wisse, sagte Dicle: „Die PDK befindet sich im Zentrum dieser diplomatischen, militärischen und ökonomischen Entwicklung. Wenn sie in den Krieg verwickelt wird, wie Karayılan erklärte, wird es nicht möglich sein, noch über eine militärische Struktur der PDK in Südkurdistan zu sprechen. In diesem Fall wäre es genauer, sie als den kurdischen Arm der Türkei in Südkurdistan zu bezeichnen. Parastin, Roj und Zerevanî sind speziell ausgebildete Einheiten, die direkt der PDK angebunden sind. Bis heute hat man nie gesehen, dass diese Kräfte für die Kurden, insbesondere gegen den IS, Stellung bezogen hätten. Ihr einziger Zweck ist es, gegen die PKK und Rojava vorzugehen. Wenn die PKK aus der Region verschwindet, wird auch die PDK keine Funktion mehr haben.“