Anders als die vom Barzanî-Clan dominierte Demokratische Partei Kurdistans (PDK) kollaboriert die Patriotische Union Kurdistans (YNK) nicht mit dem türkischen Staat, um die kurdische Befreiungsbewegung und andere als Bedrohung wahrgenommene emanzipatorische Gruppen und Organisationsansätze anzugreifen. Das dürfte der Grund für die ständigen Drohungen Ankaras gegenüber der YNK sein. Inmitten der Kriegsvorbereitungen gegen die Guerilla hat der türkische Staat seinen Ton gegen die YNK nochmals verschärft – und sie kurzerhand zu einem „Sicherheitsproblem“ für die Türkei erklärt.
Die von Bafel Talabanî geführte Partei würde „den Feind“ unterstützen, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan am Montagabend im Sender CNN Türk. „Die Beziehungen der Patriotischen Union Kurdistans mit der PKK und der vertraute Umgang mit ihr stellen für uns längst nicht mehr nur ein Problem dar, sondern werden als ernsthafte Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen“, behauptete Fidan. Man sei „entschlossen, alle außenpolitischen Instrumente auf koordinierte Weise einzusetzen, um die Stabilität in der Region zu gewährleisten“.
Ex-Geheimdienstchef Hakan Fidan
„Wir wünschen uns, dass unsere Freunde in Sulaimaniya so schnell wie möglich ihre Fehler korrigieren und ihre Beziehungen mit der Türkei wieder vertiefen, wie es in der Vergangenheit der Fall war, und wir zusammen für unsere gemeinsame Zukunft handeln“, sagte Fidan. Die Zukunft in „Erbil, Sulaimaniya, Bagdad, Kirkuk und Mosul“ werde man schließlich „gemeinsam aufbauen“ und dort gebe es keinen Platz für „terroristische Organisationen“. Fidan fügte hinzu: „Wir müssen sie ins Abseits des Systems drängen. Das sind Organisationen, deren Zeit abgelaufen ist. Die Städte, die ich nannte, haben eine alte Kulturgeschichte und solche Bedrohungen schon einmal überwunden. Ich hoffe, dass sie dies auch in Zukunft tun werden.“
Auf die Frage der Moderatorin, ob „weitergehende Maßnahmen“ gegen die YNK – gemeint war der Einsatz kriegerischer Mittel – auf der Tagesordnung Ankaras stünden, antwortete Fidan: „Was erwartet sie denn, wenn sie meinen Feind unterstützt? Es ist meine Aufgabe, den Feind daran zu hindern, sie [die YNK] zu missbrauchen. Ich sage es ganz offen: Wendet euch von ihnen ab, das wäre zu euren Gunsten.“ Die Bevölkerung der Region sei der Türkei freundschaftlich verbunden. Sie lehne „Terrororganisationen“ entschieden ab, so Fidan.
Luftraum für Flüge aus und nach Silêmanî weiterhin gesperrt
Die YNK ist nach der PDK, die die Politik und Regierung der Kurdistan-Region Irak (KRI) dominiert, die zweitgrößte Kraft im südlichen Kurdistan. Sie ist vor allem in Silêmanî stark verankert und verärgert schon länger die türkische Führung, weil sie sich nicht in die Expansions- und Besatzungspolitik Ankaras einspannen lässt. Deshalb wird sie nicht selten mit Embargos und Sanktionen des türkischen Staates konfrontiert. Im April vergangenen Jahres etwa hatte die Türkei ihren Luftraum für Flüge aus und nach Silêmanî gesperrt. Die Maßnahme betrifft nicht nur Direktflüge, sondern auch Flüge über den Airport und wurde von Ankara mit einer „Zunahme terroristischer Aktivitäten“ begründet, die eine „gravierende Bedrohung der Flugsicherheit“ darstellten.
„Türkische Politik des Feindstrafrechts“
Die Luftraumsperre damals war nach zwei vorausgegangenen Hubschrauberabstürzen erfolgt. Die Maschinen waren in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien gestartet und hatten Mitglieder der Antiterroreinheiten YAT (Yekîneyên Antî Terorê) an Bord. Die Elitetruppe der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), die spezialisiert ist auf den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS), wollte sich in Silêmanî mit der YNK-Peschmerga zu Sicherheitsfragen und Militärexpertise austauschen, als die beiden Hubschrauber wegen schlechter Wetterverhältnisse in der Nähe von Amêdî abstürzten. Neun Menschen kamen ums Leben. Die YNK wehrte sich bislang ergebnislos gegen die Luftraumsperre, der jegliche Rechtsgrundlage fehlt. Sie komme einem Embargo gleich und sei eine Maßnahme der „Politik des Feindstrafrechts“, die Ankara gegen das kurdische Volk verfolge.
Mit politischen Morden zur „Linie des Verrats“
Um die YNK zur Kapitulation zu zwingen und sie in den Besatzungsplan für Südkurdistan einzubinden, setzt der türkische Staat auch auf gezielte Anschläge mit Drohnen und bewaffneten Auftragsmördern. Im Fokus dieser Angriffe steht dabei die Metropole Silêmanî, wo seit 2021 mehrere Oppositionelle aus Nordkurdistan von Agenten des türkischen Geheimdienstes mitten auf der Straße getötet wurden. Mit diesen Anschlägen versucht Ankara, den Einfluss der kurdischen Freiheitsbewegung in Silêmanî zu brechen. Das gesamte Handeln des türkischen Regimes in der Region zielt darauf ab, die bestehenden Konflikte und Krisen auf politischer, militärischer und wirtschaftlicher Ebene zu verschärfen.