Die Rolle der Regionalmächte bei der Invasion in Südkurdistan

Seit dem 27. Mai läuft die „Operation Kralle“, mit der die türkische Armee die von der Guerilla verteidigte südkurdische Region Xakurke besetzen will. Manche Regionalmächte hüllen sich in Schweigen, die Regierungspartei PDK unterstützt den Angriff sogar.

Die Medya-Verteidigungsgebiete unter Kontrolle der Guerilla ziehen sich fast die gesamte südkurdische Grenze (Irak) nach Nordkurdistan (Türkei) entlang. Immer wieder versucht die türkische Armee vergeblich, die Gebirgsregion zu besetzen und die Guerilla zu vertreiben. Die nahezu perfekte Nutzung des Geländes und die tiefe Verankerung der Freiheitsbewegung in der Bevölkerung haben bisher jeden türkischen Invasionsversuch in einem verlustreichen Rückzug enden lassen. Daher setzt die Türkei vor allem auch auf kollaborierende südkurdische Kräfte wie die PDK, um ihre Ziele umzusetzen. Bereits 1992 ging im sogenannten „Südkrieg“ die Peschmerga des Barzanis-Clans gemeinsam mit türkischem Geheimdienst und Armee äußerst brutal gegen die Guerilla vor. Die PDK stellt praktisch die Dauerregierungspartei in Südkurdistan, Regierungsposten werden unter Angehörigen und Klienten des Barzani-Clans aufgeteilt. Die südkurdische Regierung ist ökonomisch und politisch vollkommen abhängig vom AKP-Regime. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die PDK immer, wenn es in den letzten Jahren zu blutigen Angriffen der türkischen Armee auf die südkurdische Zivilbevölkerung kam, der PKK die Verantwortung zuschrieb. Es folgten Erklärungen, wonach Zivilist*innen nur wegen der Anwesenheit der PKK bombardiert worden seien. Bei der aktuellen türkischen Invasion ist vor allem auch der Zeitpunkt interessant.

Operationszeitpunkt deutet auf umfassenden Plan gegen kurdische Freiheitsbewegung hin

Als die „Operation Kralle“ am 27. Mai startete, hatten sich gerade Barham Salih, irakischer Präsident und hoher Funktionär der mit der PDK um die Macht in der südkurdischen Autonomieregion konkurrierenden Patriotischen Union Kurdistans (YNK), bei einem Treffen mit dem türkischen Regimechef Erdoğan befunden. Außerdem war es der Tag, an dem Neçirvan Barzani zum Regionalpräsidenten der Region Kurdistan gewählt wurde. Wenn man dann noch das Schweigen der im Iran und Irak einflussreichen Mächte miteinbezieht, deutet dies alles auf einen neuen umfassenden Plan gegen die kurdische Freiheitsbewegung hin.

Erste Amtshandlung von Neçirvan Barzani: Unterstützung der türkischen Armee

Die erste Amtshandlung des designierten südkurdischen Präsidenten Neçirvan Barzani war es, den von der Guerilla in die Enge getriebenen türkischen Soldaten PDK-Peschmerga zur Hilfe zu schicken. Die Verlegung von Peschmerga-Einheiten in die Region hat bei der Bevölkerung und den Peschmerga-Veteranen, die in der Veteranengruppe Pêşmergeyên Dêrîn organisiert sind, scharfe Proteste ausgelöst. Sie kündigten an, gegenüber der türkischen Invasion nicht zu schweigen.

Verhalten von Barham Salih und PDK-„Verrat“

In den sozialen Medien bezeichneten viele Menschen, unter ihnen auffällig viele Peschmerga, das Verhalten des irakischen Präsidenten Barham Salih und der PDK als „Verrat am kurdischen Volk.“ 2018 hatte es in Şîladizê (Shiladze) einen ähnlichen Invasionsversuch gegeben. Damals lautete die Antwort eines Peschmergas auf die Frage, was er tun würde, sollte die PDK den Befehl erteilen, gegen die Guerilla vorzugehen: „Wir haben diesen Fehler schon mal gemacht. 1992 und 1997 kämpfte ein Teil der Peschmerga gegen die Guerilla. Aber damals kannten wir die PKK nicht besonders. Jetzt aber kennt die Bevölkerung Südkurdistans die PKK, und die PDK ebenfalls. Wir leben weder zwischen 1992 und 1997, noch ist die südkurdische Bevölkerung dieselbe wie damals. Wir haben damals einen Fehler gegenüber der Guerilla begangenen und gegen sie kämpft, aber von nun an wird keine Kraft der Welt die Peschmerga und die Guerilla gegeneinander in Stellung bringen können.“

Auf die Frage, was sie tun würden, sollten sie gezwungen werden, erwiderte er: „Vielleicht würde so ein Zwang dazu dienen, diese Dynastie zum Einsturz zu bringen. Ich spreche nur für mich selbst, aber es gibt tausende Peschmerga, die so denken wie ich. Wenn sie trotzdem darauf bestehen, dann ist Schluss.“

Kein direktes Vorgehen: PDK ist sich um Reaktion der Bevölkerung bewusst

Kurz nach dem Gespräch bombardierte der türkische Staat Şîladizê und tötete vier Zivilisten. Daraufhin erhob sich die Bevölkerung, stürmte die türkische Militärbasis Sire und brannte sie nieder. Weil die PDK die Reaktion von Volk und Peschmerga kennt, kann sie nicht direkt gegen die PKK vorgehen. Stattdessen verlegt sich die PDK darauf, die türkischen Angriffe mit der Anwesenheit der Guerilla in Südkurdistan zu rechtfertigen. Die Stimmung in der Bevölkerung ist allerdings eine andere. Viele gehen davon aus, dass die Unterstützung der PDK für das türkische Vorgehen erst die Angriffe ermögliche. Solange die PDK daran festhält, das Vorgehen der Türkei als „Selbstverteidigung“ zu beschönigen, wird die Wahrscheinlichkeit eines großen Aufstands in Südkurdistan immer höher.