Terrorverfahren gegen Vater von Deniz Poyraz

Gegen den Vater der ermordeten HDP-Mitarbeiterin Deniz Poyraz ist Anklage erhoben worden. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Abdülilah Poyraz der „Terrorpropaganda“. Es ist derselbe Ankläger, der im Prozess um den Mord Beweise verschleiert haben soll.

Gegen den Vater der beim Anschlag auf die HDP-Zentrale in Izmir ermordeten Deniz Poyraz ist Anklage erhoben worden. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Abdülilah Poyraz vor, „Propaganda für eine Terrororganisation“ betrieben zu haben. Als Grundlage wird ein Interview herangezogen, das Poyraz nach dem Mord an seiner Tochter gab. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, drohen ihm im schlimmsten Fall bis zu siebeneinhalb Jahre Haft.

Die HDP-Mitarbeiterin Deniz Poyraz war im vergangenen Juni beim Angriff auf den Provinzverband der Partei in der Ägäismetropole durch Schüsse aus der Waffe des türkischen Faschisten Onur Gencer getötet worden. Die 38-jährige Kurdin wurde von insgesamt sechs Kugeln getroffen, Schnitt- und Stichwunden sowie anderweitige Verletzungen an ihrem Körper deuteten zudem auf Folter hin.

Der in Izmir verhandelte Prozess gegen den Täter, ein bekennender Anhänger der rechtsextremen Organisation „Graue Wölfe“, wegen Mord mit dem Tatbestandsmerkmal der Heimtücke, Hausfriedensbruch und Beschädigung von Eigentum einer politischen Partei ist noch nicht abgeschlossen und soll Ende kommender Woche fortgesetzt. Nach Angaben der Nebenklageanwältin Türkan Arslan Ağaç ist der ermittelnde Staatsanwalt in dem Prozess der gleiche, der nun das Verfahren gegen Abdülilah Poyraz anstrengte.

Das von der Behörde als „Beweis“ für die vermeintliche Terrorpropaganda herangezogene Interview hatte die Nachrichtenagentur Mezopotamya einen Tag nach dem tödlichen Anschlag im HDP-Büro mit Poyraz geführt. Als „kriminell“ eingestuft wird die Äußerung: „Meine Tochter unterscheidet sich nicht von denen, die mit Chemiewaffen getötet wurden. Sie unterscheidet sich auch nicht von Sêvê und Pakize oder Lokman Birlik, der hinter einem Panzer hergezogen wurde. Deniz ist unser aller Gefallene. Das Einzige, was ich möchte, ist: lasst uns eine Einheit sein.“

Rechtsanwältin Türkan Arslan Ağaç zeigte sich empört über das Verfahren gegen ihren Mandanten, überrascht sei sie aber nicht. „Es ist eben jener Staatsanwalt, der wirksame Ermittlungen zur Aufklärung des Angriffs auf die HDP und den Mord an Deniz Poyraz verweigerte, Beweise verschleierte und nach wie vor aktiv verhindert, dass die Hintermänner des Anschlags aufgedeckt werden.“ Man müsste schon an Wunder glauben für die Annahme, dass in dieser Sache die Interessen der Opfer vertreten werden, so Arslan Ağaç.

Abdülilah Poyraz © MA

Laut der Generalstaatsanwaltschaft Izmir sei das Ermittlungsverfahren gegen Abdülilah Poyraz durch anonyme Denunziation an die Strafverfolgungsbehörden „und anderweitige Beschwerden“ ins Rollen gekommen. Nähere Angaben machte die Behörde jedoch nicht. Das Verfahren soll am 30. Mai um 10:00 Uhr eröffnet werden. Verhandelt wird an der 15. Großen Strafkammer zu Izmir.

Mehr Strafe bei medialer Propaganda

Der Straftatbestand der sogenannten Terrorpropaganda wird nach türkischem Gesetz mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und fünf Jahren Gefängnis bestraft. Betreiben Beschuldigte die „Propaganda“ medial, wird die Strafe um die Hälfte angehoben.