Gedenken an Hacı Lokman Birlik

Am 3. Oktober 2015 wurde der Schauspieler und Aktivist Hacı Lokman Birlik von türkischen Polizisten exekutiert. Sein an ein Seil gebundener Leichnam wurde von einem Panzerwagen durch Şirnex gezogen. Bestraft wurde niemand.

Zum sechsten Jahrestag des Mordes an Hacı Lokman Birlik haben sich am Sonntag in Şirnex (tr. Şırnak) Angehörige am Grab des Schauspielers versammelt, um an ihn zu erinnern. Seine Mutter Nazire Birlik sagte: „Hacı war nicht nur mein Sohn, sondern euer Freund, Bruder und Weggefährte. Deswegen seid ihr alle für mich meine Kinder.“ Es war ein sehr emotionales Gedenken mit gemeinsamen Totengebeten und Gesprächen über persönliche Erlebnisse mit Hacı Lokman Birlik, den viele als Siyabend kannten. Neben Familienangehörigen waren auch Aktivistinnen der kurdischen Frauenbewegung TJA und Mitglieder des örtlichen HDP-Verbands anwesend.

„Ich lasse meine Soldaten und Polizisten keine Kadaver transportieren“. So lautete der Kommentar eines türkischen Polizisten, der am 3. Oktober 2015 über den Kurznachrichtendienst Twitter ein Bild des Leichnams von Hacı Lokman Birlik verbreitete. Auf dem Bild war ein gepanzertes Polizeifahrzeug zu sehen, das die Leiche des 24-Jährigen an einem um dessen Hals gebundenen Seil über die Pflastersteine im Zentrum von Şirnex zog. Zu der Zeit herrschte in Şirnex eine staatlich verhängte Ausgangssperre, die Stadt wurde vom Militär faktisch belagert. Später wurde auch ein Video von der Szene veröffentlicht, in der Birliks Leiche durch die Straßen geschleift wird (Hinweis: Das Video enthält Darstellungen von expliziter Gewalt).

Vor dieser Wand wurde Hacı Lokman Birlik ermordet

Augenzeugen berichteten, dass sich Birlik am Straßenrand eine Verletzung am Knöchel verbinden wollte, als er aus dem vorbeifahrenden Fahrzeug exekutiert wurde. Die Polizisten hätten noch auf ihn geschossen, als er sich nicht mehr bewegte. Im Obduktionsbericht hieß es, dass 17 der insgesamt 28 Schüsse auf Birlik tödlich waren. Die Anwälte der Familie Birlik erstatteten daraufhin Anzeige wegen Mord, Störung der Totenruhe und Amtsdelikt. Sechs Täter wurden ermittelt, genausoviele Staatsanwälte sind seither mit dem Fall „betraut“ worden. Doch auch sechs Jahre danach liegt noch immer keine Anklage vor. Die Polizisten sind weiterhin im Dienst.

Hacı Lokman Birlik wenige Monate vor seinem gewaltsamen Tod

Die Anordnung, den Leichnam von Hacı Lokman Birlik durch die Stadt zu schleifen, war von dem damaligen Abteilungsleiter der Antiterrorpolizei von Şırnak, Hacı Murat Dinçer, gekommen. Er hatte auch die Bilder davon ins Netz gestellt. Unter Dinçers Federführung war zwischen Dezember 2015 und März 2016 zudem die Kreisstadt Cizîr (Cizre) belagert worden. Hunderte Menschen wurden damals bestialisch ermordet, viele von ihnen in den berüchtigten „Todeskellern”. Doch auch Dinçer genießt nach wie vor ein Leben in Freiheit. 2016 wurde er vom türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan sogar persönlich für seinen „überragenden Erfolg“ in Şirnex ausgezeichnet.

Kamuran Demir: Wir werden niemals vergessen

„Den Anblick dieser unerträglichen Szene, als der leblose Körper von Hacı über die Pflastersteine gezogen wurde, werden wir niemals vergessen”, sagte Kamuran Demir, Ko-Vorsitzender der HDP-Şirnex. Wie zahlreiche andere Freundinnen und Freunde fühle auch er sich den Idealen und Kämpfen von Birlik tief verbunden. „Wir sind viele, die seinen Spuren folgen, um seine Ziele zu verwirklichen. Sein Tod wird uns mahnen, den Kampf für die Freiheit unseres Volkes bis zum Ende zu führen.“

Gemeinsame Gebete am Grab

Nazire Birlik: Mein Sohn ist tot, die Kinder anderer Mütter sollen leben

Nazire Birlik wies auf die Bedeutung hin, die Erinnerungen an ihren Sohn lebendig zu halten. „Erinnern und Gedenken sind eine wesentliche Aufgabe für Menschen wie uns, die einen Existenzkampf führen.“ Auch wenn es ein schmerzvolles Erlebnis war, sei der gewaltsame Tod von Hacı Lokman Birlik eine kollektive und gemeinsame Erfahrung gewesen. Der Krieg des Staates richte sich gegen alle Kurdinnen und Kurden. „Deshalb müssen wir zu einer Einheit werden. Schaffen wir das, gelingt es niemandem, einen Keil zwischen uns zu treiben. Mein Sohn ist tot, die Kinder anderer Mütter sollen leben.“